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„Man, was dieser Amateurfußball an Zeit gefressen hat“

 

Sie sind Hamburger Klubhaus-Legenden und alte Victoria-Recken. Ein Interview mit Michael Reimann und Christian Florkiw. Aus dem Jahr 2010.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

 

Nach geschätzten 500 Spielen in Hamburgs höchsten Spielklassen verließen Sie vor zwei Jahren die Amateurbühne. Vermissen Sie etwas?
Michael Reimann: Wieso sollten wir?

Sie sind, wenn man es so sagen darf, die letzte Klubheimgeneration. Karten spielen, deftige Spirituosen, lange Nächte…
Reimann:
Ich verstehe. Klar, die Gemütlichkeit des kalten Bieres nach dem Training, die Gespräche zwischen muffelnden Fußballern, insbesondere nach mehreren Getränken – diese Stunden vermisse ich natürlich schon.
Christian Florkiw:
Ja, manchmal denken wir schon mit etwas Melancholie daran zurück. In zehn, fünfzehn Jahren erlebt man ja einfach unglaubliche Dinge. Andersrum sage ich heute: Man, was dieser Amateurfußball an Zeit gefressen hat.

Man muss nicht groß recherchieren um zu erfahren, dass die Klubheimumsätze beim SC Victoria zu Ihrer aktiven Zeit deutlich höher waren als heute. Galt damals: Wir bechern uns besser?
Florkiw:
Im Amateurfußball kannst du mit einem positiv bekloppten Team sicher 30 Prozent mehr rausholen. Diese Rechnung haben wir damals zumindest aufgestellt. Und wir haben wirklich viele Nächte in den Kabinen und im Klubheim verbracht, saßen in der Woche manchmal bis vier Uhr morgens zusammen und haben auch mal über private Probleme gesprochen. Diese Stunden schweißen für Jahre zusammen.
Reimann:
Ja, du weißt dann wie dein Mitspieler tickt, kennst seine Probleme die er im Job hat und wie er über den Trainer denkt. Diese gedankliche Verbindung bringt dich später auf dem Platz näher zusammen.
Florkiw:
Leider ist das ja komplett aus der Mode gekommen.

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Deswegen sitzen wir hier. Modern sind jetzt Tattoos und enge Trikots.
Reimann: Damit habe ich kein Problem. Nur viele jüngere Spieler haben sich das Reden doch komplett abgewöhnt, oder einfach mal null Interesse an Gesprächen. Bei vielen geht’s nach der Dusche sofort an den Fön, dann schmieren sie sich Gel in die Haare und dann kommt gerade noch ein Tschüss.
Florkiw:
Heute spielen viele Fußball, weil Fußball per se erstmal cool ist.

Nur im Vereinshaus sitzen ist nicht cool.
Reimann:
Das ist der Punkt. Wir haben den ganzen Zirkus geliebt. Bierchen, schnacken, blöde Sprüche. Uns war es doch egal, wo wir saßen. Hauptsache die sechs, sieben Typen mit denen man Spaß haben konnte waren dabei.
Florkiw:
Ich nenne es mal Sensationsdenken. Jeder will immer das Größtmögliche erleben. Im besten Club stehen, die beste Party abgreifen und sich möglichst mit noch besseren Leuten schmücken. Die sind jetzt alle etwas besonderss. Und da muss man natürlich eingestehen: Klar, das Klubheim ist nicht gerade sexy.

Viele werden jetzt denken „Ja, ja, die Alten, früher war alles besser und so“…
Reimann:
Das sagt ja keiner. Nur der Fußball war anders, einfach ein Stück sozialer.
Florkiw:
Das hast du schön gesagt. Bierchen?

Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.