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geh' nicht zu niendorf, sonst lachen alle

Ingo Glashoff

INTERVIEW: Mit 26 Jahren beendete er seine aktive Karriere: Zu oft verletzt, zu groß der Drang, es als Trainer zu versuchen. Nun ist Ingo Glashoff in Hamburgs höchster Spielklasse angekommen – als Chef beim Niendorfer TSV. Wir sprachen mit ihm über ungezogene Talente und das Rampenlicht der Liga.

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Stimmt es, dass Sie kaum Trainerkollegen aus der Oberliga kennen?
Das ist richtig. Ich war neulich beim „Bild“-Stammtisch und da kamen tatsächlich Leute, die mich erkannten, ich allerdings nicht genau wusste, wer vor mir stand. Aber ich bin eben noch ein Liganeuling. Da passiert sowas schon mal.

Sie sind jetzt wer.
Ich fande es einfach angenehm, dass Leute plötzlich auf mich zukamen und ich das Gefühl hatte, dass meine Arbeit gewürdigt wurde. Das macht stolz.

Dabei standen Sie vor der Saison mit einem Bein in der Kreisliga.
Das stimmt. Ich hatte tatsächlich einige Angebote. Am Ende erschien mir die Oberliga aber attraktiver.

Und es läuft mal richtig gut. Ingo Glashoff ist ja quasi der Niendorfer Glücksbringer.
Manchmal ist das so. Dann springt einer aus dem Busch und hat die richtigen Zügel in der Hand. Aber wir arbeiten viel, ich rede viel mit den Jungs und sage ihnen, was ich wie erwarte. Und mich freut es, dass die Truppe das so annimmt. Aber es ist auch nicht ohne.

heinemann: ein anderes image wäre gut

  • Seine Stationen als Trainer: Paloma 2, ETV, SV Wilhelmsburg, FC Elmshorn, Niendorf. (HSV-Fussballschule, seit sechs Jahren)

Wie meinen Sie das?
Ich bin seit Wochen von Montag bis Sonntag unterwegs. Das zerrt extrem. Aber es macht Spaß.

Ein Niendorfer Merkmal ist: Klasse Kader, keine Konstanz. Wie ändern Sie das?
Die Konstanz liefert der aktuelle Kader. Es gibt starke Einzelkönner, richtige Teamplayer, Disziplin und Kameradschaft. Und man muss dahin kommen, dass man die Spieler dazu bringt, Oberkante Unterlippe an die Leistungsgrenze zu gehen. Das machen meine Jungs momentan.

sager sagt: lasst den bert mal machen

Welcher Spielertyp schmeckt Ihnen mehr: Das freche Talent oder der erfahrene Spieler?
Ich arbeite sehr gerne mit Talenten. Allerdings nicht die, die nur Nebenerscheinungen als wichtig sehen und eine Wohnung, ein Auto und eine Lehre haben wollen. Ich musste früher Tore tragen und Bälle einsammeln, sonst gab es einen auf den Arsch. Heute ist das eine 180-Grad-Wendung. Die Spieler kommen aus der Jugend und denken wunder was sie sind, haben aber nichts geleistet. Da muss man die richtigen Spieler raussuchen. Dann macht es Spaß mit denen zu arbeiten.

Selten schaffen Talente den Sprung aus Hamburg. Liegt das auch daran, dass die Trainer zu wenig vermitteln?
Die Spieler sind zu ungeduldig. Von Null auf Hundert geht es nicht. Viele können sich und den Herrenbereich nicht einschätzen. Einige sehen die Freunde, die bei den großen Vereinen spielen und denken sich, dass sie keinen Rückschritt machen dürfen – sonst könnte es für sie peinlich werden. Dann heißt es, ‚Geh‘ bloß nicht zu Niendorf, sonst lachen dich alle aus.‘ Das ist natürlich völliger Blödsinn. Sie sollten sich lieber in der Oberliga Spielpraxis holen und den Arsch aufreißen. Und dann kann mit 22, 23 noch immer den nächsten Schritt ins Auge fassen.

Im Gros stimme ich Ihnen zu. Aber die Jugendarbeit lässt bei vielen Vereinen auch zu wünschen übrig.
Das ist pauschal schwer zu beurteilen. Fakt ist: Der HSV und St. Pauli greifen viel Qualität weg. Danach kommen die Norderstedter und Concordia ins Spiel. Dann lange nichts.

Das ist der Eindruck vieler. Woran liegt das denn, dass so viele Vereine die Jugendarbeit vernachlässigen?
Gut, man darf nicht vergessen, dass die Amateurvereine im Personal begrenzt sind. Mein Eindruck ist dennoch, dass viele Vereine sich gar nicht die Mühe machen, mal nach jungen Spielern zu suchen und auf die Plätze zu fahren. Ich schaue mir ständig Jugendspiele an.

Mit welchen Ergebnis?
Dass du immer einen Spieler findest, der was kann. Und mit dem man sich mittelfristig vielleicht mal beschäftigen sollte.

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Hat Ingo Glashoff Schwächen?
Klar, die hat jeder. Ich muss beispielsweise meine Schwerpunkte im Training besser abschätzen. Manchmal habe ich so viele Ideen auf dem Zettel, dass ich sieben Mal die Woche trainieren könnte.

Vom Nobodytrainer zum Shootingstar in zwei Monaten. Was kommt nun?
Ich will mich in Niendorf beweisen und allen zeigen, dass sie mit mir keinen Fehler gemacht haben. Aber ich muss dieses Jahr noch viel dazu lernen, da einige Dinge neu für mich sind. Zum Beispiel die Pressekonferenzen. Früher wurde ich angerufen und habe die Noten durchgegeben. Jetzt sitze ich hier und gebe Interviews. Das sind Highlights und neue Sachen, an die man sich gewöhnen muss. Ich möchte im ersten Jahr alles mitnhemen was geht, und neben der vielen Arbeit auch das Ganze ein bisschen genießen.

Das Gespräch führte Mario Jurkschat
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Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.