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Jakob Sachs | Profi oder Halbprofi?

In der Saison 2007/08 erzielte Jakob Sachs für seinen damaligen Klub Altona 93 in der Oberliga 17 Tore. Es war sein Durchbruch, viele trauten ihm eine Profikarriere zu. Nun wirbelt der blonde Blitz für Holstein Kiel in Liga vier. In einem epischen blog-trifft-ball-Interview erzählt der Kumpeltyp von großer Zufriedenheit und warum er an mehr glaubt.

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Das Gespräch führte Martin Sonnleitner

blog-trifft-ball.de: Jakob, die Saison 2007/08 war bei Altona 93 mit 17 Oberliga-Treffern Dein ganz großer Durchbruch in der Amateurszene. Schildere doch mal Deine Entwicklung zum Schlüsselspieler damals.

Jakob Sachs: Schlüsselspieler höre ich nicht so gerne. Aber es stimmt, in diesem Jahr hat alles gepasst. Wir sind dann ja auch in die Regionalliga aufgestiegen. Leider ging es mit dem AFC dann eher bergab.

Und dann kamen größere Klubs auf dich zu?

Ich wollte dann zunächst zum SSV Ulm, auch in die vierte Liga wechseln. Die wollten Liga drei anpeilen. Der damalige Trainer dort, wollte mich unbedingt haben. Ich bin runter gefahren, es wurde mir alles gezeigt. Tolles Stadion, sehr gute Gespräche, insgesamt sehr reizvoll. Mal weg aus Hamburg, von der Familie wäre auch eine große Herausforderung gewesen. Diesen wichtigen Schritt wollte ich wagen. Dann bin ich nochmal hingefahren, um den Vertrag zu unterschreiben, zusammen mit meinem damaligen Berater. Der Vertrag sollte dann am nächsten Tag vom Präsidenten unterschrieben werden, nur der wusste nichts von meiner Personalie. Der Trainer hatte auf eigene Faust verhandelt. Dann bin ich zurück nach Hamburg gefahren, dachte, alles wäre gut. Dann ist aber plötzlich der Trainer dort entlassen worden. Der Präsident hatte den Vertrag erstmal nicht gegengezeichnet, ist aber nach Hamburg wegen mir gekommen, meine Personalie wurde neu aufgeschlagen. Sie wollten mich, ich aber nicht mehr hin. Das, was davor geschehen war, war ein Vertrauensbruch.

Dann kam der VfB Lübeck.

Ja, auch andere Vereine waren dran. Ich war auf einmal in der Bredouille, musste schnell was finden. Die Lübecker hatten vorher schon Interesse bekundet, dachten aber, ich wäre schon weggegangen. Dann kam der Kontakt zu Sportdirektor Dietmar Hirsch zustande, und ich habe dort unterschrieben.

Was war mit dem damaligen Zweitligaabsteiger SC Paderborn?

Es war so, dass ich da ein Testspiel gemacht habe. Mein Berater meinte, ich könnte da in der Ersten mittrainieren, spielen würde ich aber erstmal in der Zweiten. Ich aber wollte hochklassige Spielpraxis haben, nicht in der zweiten Mannschaft versauern. Das Risiko wollte ich nicht eingehen. In Lübeck hingegen passte das gesamte Angebot. Ich konnte eine Ausbildung nebenbei machen. Ich hatte ja hier in Altona eine Ausbildung als Immobilienkaufmann angefangen, die wollte ich nicht aufgeben. Ich wollte mir auf jeden Fall nebenbei was aufbauen. Auch der FC St. Pauli soll an mir dran gewesen sein, hat mein damaliger AFC-Trainer Torsten Fröhling gesagt. Andreas Prohn hat mich ja als 17-Jährigen von der A-Jugend hochgeholt. Den richtigen Durchbruch habe ich aber bei Fröhling gehabt. Er hat mich immer spielen lassen, vor allem auf der richtigen Position, das war der entscheidende Schritt, auch für meinen weiteren Karriereverlauf. Ich bin Flügelspieler, hatte ja nicht nur 17 Tore, sondern auch viele Vorlagen. Schon als Siebzehnjähriger habe ich in meinem ersten Spiel für den AFC ein Tor gemacht. Es war das entscheidende gegen den TSV Kropp in der Saison 2002/2003. Prohn hat also zu verantworten, dass ich in die Herrenmannschaft kam, nebenbei habe ich noch für die A-Jugend gespielt.

Das Entscheidende an Deiner Berufsvita ist ja, dass Du Dich seit 2008 im Grenzbereich zwischen hochklassigem Amateurwesen und Profitum befindest.

Jetzt bei Kiel ist das erste Jahr, wo ich nur Fußball spiele und davon leben kann. Davor hatte ich nebenher ja noch meine Ausbildung. Das ist schon eine enorme Umstellung, nur Fußball zu spielen.

Bist Du nun Profi oder Halbprofi?

Das ist eine Frage der Definition. Manche sagen, Profi bist du, wenn du nur mit Fußball dein Geld verdienst, andere sagen, ab der Dritten Liga aufwärts. Wenn man dabei RB Leipzig in unserer Spielklasse sieht, das sind alles Profis, die verdienen 30.000 Euro im Monat. Bei uns in Kiel sind vier bis sechs Leute, die nebenbei noch arbeiten, der Rest verdient nur mit Fußball sein Geld. Es ist auch eine Frage des Umfeldes, wie oft man trainiert. Es wird bei Kiel viel Aufwand betrieben, da muss man als Spieler mitziehen, vom ganzen Lebenswandel her. Ob du nach oben kommst oder nicht, hat nicht unbedingt nur mit Können zu tun. Es liegt an vielen Faktoren Glück, auch dass der Trainer dich mag, ist sehr wichtig, du musst in das gesamte Raster passen. Der Druck ist auch in der vierten Liga enorm, gerade der Konkurrenzkampf. Jeder will spielen, es geht ja auch um Punktprämien. Es geht aber nicht nur um Geld, wir spielen aus Spaß, sind Fußballer.

Ist das tatsächlich deine Meinung?

Im Grunde schon. Natürlich gibt es auch bei uns in der Liga Spieler, die kicken nur des Geldes wegen. Aber ich finde das schade. Klar, wir reden hier schon von Profibereich, alle müssen spielen, damit sie im Gespräch bleiben. Da bleibt das Familiäre schon ein wenig auf der Strecke. Kein Vergleich zu Altona 93 damals.

Kannst Du das näher erklären?

Man sagt ja, Profis sind eingebildet, ich verstehe das. Du brauchst ein großes Ego, um dich zu behaupten. Es ist schwierig, natürlich zu bleiben. Das war beim AFC komplett anders. Bei Altona durften die Fans aufs Spielfeld gehen, das geht in unserem Stadion nicht. Da herrscht schon eine andere Atmosphäre, das gesamte Umfeld ist anders. Man merkt, dass viel Geld investiert wird.

Wie sehen denn Deine mittelfristigen Planungen aus?

Im Fußball lassen sich Sachen schwer planen. Es kommt auch drauf an, ob wir mit Kiel in dieser oder der nächsten Saison aufsteigen. Deswegen bin ich ja auch da, dass wir in die Dritte Liga aufsteigen. Ich will natürlich auch nochmal in der Zweiten Liga spielen. Man muss aber immer gucken, was realistisch ist. Das Wichtigste ist, erstmal mit Holstein Kiel aufzusteigen, alles andere wird sich zeigen. Deswegen habe ich in Kiel unterschrieben, weil ich denke, dort das Umfeld – nicht zuletzt auch die Nähe zu meiner Familie zu haben -, ist wichtig, in dem ich zufrieden bin. Da blende ich aus, dass es „nur“ vierte Liga ist.

Die ganz große Karriere, die einige Experten prophezeit haben, ist es aber nicht geworden. Ein wenig wehmütig?

Man darf so nicht denken, ob man gescheitert ist oder nicht, dann braucht man ja nicht mehr weiterzumachen. Wenn wir jetzt aufsteigen, kann ich trotzdem sagen, alles richtig gemacht zu haben. Es hätte auch schnell gehen können, ich mir das Kreuzband reißen, und ich müsste jetzt bei Concordia in der fünften Liga für 400 Euro im Monat spielen. Ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe. Es geht ja auch mehr, mit dem Team, in dem ich jetzt spiele. Ich bin auch mit dem ganzen Herzen Nordlicht und freue mich, im Norden bleiben zu können. Man muss doch auch fragen, von wo ich gekommen bin. Von Altona 93, ein Traditionsverein, mehr nicht. Wenn ich nicht zufrieden wäre, müsste ich nicht weiterspielen.

Was ist denn an Kiel so professionell?

Schon der Sprung von Altona nach Lübeck war immens. Doch hier in Kiel ist nochmal alles viel professioneller. Das fängt bei den Platzbedingungen an. Wir haben fünf Kunstrasenplätze, zwei Rasenplätze. Wir haben ein Leistungszentrum mit eigenem Fitnesstudio, zwei Pools, eine Sauna, einen Physiotherapeuten, der uns Tag und Nacht zur Verfügung steht. Das sind professionelle Bedingungen, da ist die Dritte Liga fast ein Muss.

Wie sieht es denn mit der Zuschauerresonanz aus?

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Wenn es gut läuft, kommen so 3500 Zuschauer. Wir haben ja die ersten drei Saisonziele gewonnen, waren Tabellenerster. Da waren dann gegen RB Leipzig 6000 Fans da. Wenn wir gut spielen und oben dran sind, dann kommen viele, die Stimmung ist super. Da sind wir also gefordert. Mit dem achten Platz jetzt, können wir bei unseren Ansprüchen nicht zufrieden sein.

Im zweiten Teil des großen Jakob-Sachs-Interviews berichtet er offen über den Sinn und Unsinn von Beratern.


Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.