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mutig. menschlich. mienert.

Trainer privat | Guns N‘ Roses im Rücken, das Budweiser in der Hand und ungesunde Stoffe in der Lunge. Die Rahmenbedingungen für ein Treffen mit Friedhelm Mienert waren nahezu perfekt. Folglich: Es musste so kolossal werden.

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Friedhelm Mienert ist heute 45 und bald Cheftrainer bei Bergedorf 85. In seiner aktiven Zeit kickte er den Innenverteidiger. Das mehr rustikal als filigran.

Das Gespräch

btb: Herr Mienert, Sie wohnen ganz spießig auf dem Land.
Friedhelm Mienert:
In Echem. So richtig auf dem kleinen Dorf. Bei Schweinen und Kühen. Gegenüber von unserem Haus ist eine Reithalle, dahinter ein riesiges Maisfeld. Herrlich, Natur, Ruhe, Kraft.

Und die Großstadt mögen Sie nicht?
Als ich Anfang 20 war, lag mir die Großstadt zu Füßen. Wenn ich dann auf dem Dorf war, bin ich nach gewisser Zeit extrem unruhig geworden. Besuche auf dem Land waren damals eher grenzwertig für mich.

Weil Sie als junger Kerl ein Lebemann waren?
Habt ihr recherchiert?

Eher laut gedacht.
Na ja, ich habe das Leben als Student und Fußballer in vollen Zügen genossen. Ich hatte eine wirklich wilde Zeit damals. Aber es war weltklasse.

Mehr Herr Mienert.
Wir hatten eine Studentenbude in der Eiffestraße. Da haben wir uns fast täglich mit mehreren Kumpels getroffen.

Und da ging es Abends auch mal länger?

Es ging regelmäßig sehr lange.

Wie lange haben Sie das wilde Treiben ausgehalten?
Bis zu meiner Hochzeit. Da war ich dann 27.

Sprechen wir über den Heiratsantrag.
War ganz simpel. Wir saßen auf der Couch und ich habe zu ihr gesagt, ‚Jetzt geht’s los.’“ Dazu muss ich sagen, dass mein Entschluss, diese Frau zu heiraten bereits feststand, als ich Sie mit 17 Jahren erstmalig traf.

Sie können Gefühle zeigen?
Logisch. Schließlich habe ich ihr jahrelang auch viele Gedichte geschrieben.

Ist das Ihr Ernst?
Ja. Jahrelang. Ich habe sogar mal ein Gedichtband rausgebracht und einen Lyrik-Event in der Hamburger Musikhalle konzipiert und aufgeführt. Ich liebe Literatur.

Und Sie haben Germanistik studiert.
Ja, ganze sechs Semester. Und die volle Pulle. Ich habe zum Anfang wie ein Gestörter Gas gegeben. Doch irgendwann war die Luft raus.

Weil Sie gemerkt haben, dass Studieren doch nicht so lässig ist?
Lernen war für mich von klein auf an immer lässig. Aber die Luft draußen war angenehmer als im Hörsaal. Und mir ging es finanziell viel zu gut. Meine heutige Frau war damals in der Examensphase. Das erste Kind war unterwegs. Ich hatte einen guten Job als Lehrer in der Erwachsenenbildung und habe beim Fußball sehr gut verdient. Es kamen viele Dinge zusammen, die mich letztlich vom Studieren abgebracht haben.

Seit wann gibt es die Frau in Ihrem Leben?
Seit 18 Jahren.

Herr Mienert, jetzt mal einen Einwurf zwischendurch: Wir hatten ja eigentlich einen köterblonden und humorlosen Trainertypen erwartet. Also eine eher sauunattraktive Persönlichkeit.
Na ja, vor ca. 25 Jahren hatte ich schulterlanges Haar. Und die waren auch noch hellblond. Der blonde Engel.

Okay, lagen wir also gar nicht so sehr daneben. Stimmt es denn auch, dass Sie in Ihrer aktiven Zeit ein ziemlicher Treter waren?
Mein Spiel war hart, aber vor allem strategisch. Aber mich als Treter zu bezeichnen … wobei, einmal hat sich jemand in einem Zweikampf mit mir den Fuß gebrochen. Sagen wir so: Auf dem Platz gab es nur volle Pulle.

In der nächsten Saison übernehmen Sie als Chef die Regie beim spielstarken FC Bergedorf 85. Passt das, Trainer eisenhart und die Spieler zart und edel?
Das ist das Komplementärprinzip und ideal. Wir werden eine begeisterungsfähige und begeisternde Truppe erleben.

Sein größtes Spiel: Am 19. August 1992 spielte Mienert im Dress der Bergedorfer in der 1. Runde des DFB-Pokals gegen Bayer Leverkusen. Mienert verdiente sich als einziger Bergedorfer eine Gelbe Karte und provozierte Rene Rydlewicz vom Platz. Das Spiel endete 3:1 für den Bundesligisten. Torschütze: Andreas Hammer. Zuschauer: 10.000

Nur kurz: Wo waren Sie als Trainer tätig?
Ich war drei Jahre bei Curslack-Neuengamme Trainer. Torsten Henke war damals mein Co, eine Granate. Dann war ich noch kurz in Barsbüttel, aber wirklich nur kurz. Zu der Zeit habe ich übrigens Lutz Göttling nahegelegt, mit Fußball aufzuhören. Daraufhin hat Lutz Göttling den Vereinsbossen nahegelegt, dass er doch Trainer machen möchte. Und dann war der Mienert wieder weg. Aber Erfolg hatte ich überall.

Also ist Lutz Göttling nicht Ihr bester Freund?
Die Geschichte ist Ewigkeiten alt und mir inzwischen schnurzpippi. Lutz hat eine schöne Entwicklung genommen und nun treffen wir uns wieder. Darauf freue ich mich. Überhaupt: Die alten Weggefährten jetzt wieder aufmischen. Das wird herrlich.

Freuen sich die Kollegen auf Friedhelm Mienert?
Weiß nicht.

Wie groß sind Sie?
1,90 Meter.

Sind Sie eitel?
Ich finde nicht.

Sie könnten mit einem Bäuchlein leben?
Was soll ich mit einem Bäuchlein? Dann lass ich mich ja gehen. Nee, das geht nicht. Wenn Ansätze kommen, gehe ich laufen. Aber ist das jetzt eitel?

Sie sind eitel und wollen sexy wirken.
Nein.

Aber ganz sicher wollen Sie das.
Sagt mal, klappert es bei euch? Für wen soll ich denn noch sexy wirken? Für meine Frau vielleicht, bestenfalls. Überhaupt: Sexy zu wirken, ist doch keine Frage des Körpers. Der Kopf ist wesentlich wichtiger. Und darf ich euch mal was fragen?

Natürlich. Nur zu.
Habt ihr jemanden vorher gefragt, was für ein Vogel ich bin?

Nein, haben wir nicht. Aber wir haben uns sehr oft ausgetauscht und darüber nachgedacht, was für ein Typ Sie wohl sein könnten.
Nagut. Dann stellt‘ weiter eure Fragen.

Was zeichnet Sie aus?
Als Trainer?

Nein, als Privatmensch.
Das ist schwer zu sagen.

Sagen Sie es einfach.
Ich glaube schon, dass ich ziemlich stark polarisiere. Für mich gibt es nur Freund oder Feind. Das ist so meine Lebenserfahrung. Und: Menschen, die mir wichtig sind, erleben mich auch als feinfühligen und vor allem loyalen Freund.

Das ist alles?
Und ich mache alles mit größter Leidenschaft und kratze dann und wann an der Besessenheit.

Wie wichtig ist Ihnen Glauben?
Sehr wichtig.

Beten Sie?
Ja.

Haben Sie eine Fußballtrainer-Ausbildung?
Ich habe die Lizenz zum Erfolg.

Interessant. Wie groß ist denn die Vorfreude auf Bergedorf 85?
Ich muss mich jeden Tag bremsen. Selbst mit meiner Frau rede ich beim Rotwein auf der Terrasse über die möglichen Formationen. Gott sei Dank ist sie sportinteressiert und nebenbei auch noch Sportlehrerin. Das schockt dann auch.

Wie finden Sie Bert Ehm?
Einzigartig. Wie der Walter Laubinger am Band hatte, Respekt. Ehrlich, für mich ist Bert Ehm ein ganz, ganz Großer. Er kann mit schwierigen Charakteren arbeiten, das können nicht viele.

Viele können auch nicht mehr feiern.
Da war ich in Bergedorf erstaunt. Da ist ja in der Kneipe nach dem Spiel wenig bis gar nichts mehr los. Schlimm.

Und früher war alles besser.
Auf jeden Fall. Früher stand der harte Kern der Spieler bis morgens um 3 Uhr auf der Musikbox. Da wurde mit den Sponsoren getanzt. Weltklasse.

Wir sind kürzlich in Rugenbergen länger geblieben. Ein Traum.
Man kann auch in Curslack nach dem Abpfiff noch richtig Spaß haben. Da ist die Kneipe voll. Und das ist mal klar: Von meinen Spielern fährt nach dem Spiel keiner sofort nach Hause. Und so wie das jetzt in Bergedorf ist, das wird es garantiert nicht mehr geben. Denn Zusammenhalt gehört zu meinem Programm.

Nach Ihrer Vertragsunterzeichnung überraschten Sie mit strammen Tönen, sprachen sofort von der Meisterschaft. Gehört dieses Verhalten zum System Mienert?
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es klappen wird. Für mich gibt es nächstes Jahr auch nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir steigen auf, oder wir steigen auf.

Daten: Die aktuelle Tabelle der Hamburger Oberliga

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Was passiert mit Ihnen, wenn es am Ende Platz 5 wird?
Dann bin ich wieder weg. Weil dann habe ich meine Arbeit nicht gut genug getan. Ich habe sehr hohe Ansprüche an mich, kann Mittelmaß nicht ertragen. Es gibt nur Aufstieg oder Ausstieg. Ganz einfach. Übrigens: Ich glaube, dass wir in diesem Laden unsere Meisterschaft feiern sollten.

Ein Budweiser noch?
Ich hab‘ längst nachbestellt …

Trainer privat | In der kommenden Woche gibt’s
Forellenangeln mit Matthias Stuhlmacher.

Interview: Benny Semmler | Mario Jurkschat
Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.