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daniel sager | mir fehlte nachsicht

Selbstkritisch, gar humorvoll setzt Palomas Fußballchef Daniel Sager zum dritten Anlauf als Trainer an. Harry Jurkschat traf den 32-Jährigen und A-Lizenz-Besitzer vor dem Auftakt gegen Victoria. Die große Frage: Wann packt es Sager endlich? Und vor allem wie.

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Herr Sager, Sie waren lange aus dem Geschäft. Freitag schaut die Szene auf Sie.
Sieben Monate, um genau zu sein. Und ja, das Spiel ist natürlich gleich ein Highlight.

victoria | wie tickt die taktik?

Wie schön ist es, wieder im Scheinwerfer der Oberligabühne zu stehen?
Ich freue mich riesig. Ich hatte seit meinem sechsten Lebensjahr durchgängig Fußball, daher taten sieben Monate Pause eigentlich mal ganz gut um abzuschalten. Aber jetzt bin ich wieder heiß, will auf den Platz und wieder eine Mannschaft führen.

Bevor wir zu Paloma kommen, wie wurde die Auszeit genutzt?
Ich habe meine A-Lizenz gemacht. Und in der Zeit, wo ich sonst auf dem Platz stand, habe ich viel mit meiner kleinen Tochter gemacht.

SC Victoria – USC Paloma
Am 29. Juni und im Liveticker

Und dann, während Sie auf dem Spielplatz tobten, hat das Handy geklingelt und Palomas Manager Kai Rathke meldete sich.
Es hat sogar zweimal geklingelt. Beim ersten mal warst Du dran, kurz danach rief Paloma an.

Bei uns haben Sie nicht abgenommen.
Ich war im Urlaub, da gehe ich selten ans Handy.

Erzählen Sie vom Gespräch mit Paloma.
Ich war ziemlich überrascht. Es war Montag und Frank Hüllmann wurde erst am Vortag entlassen. Da wurde relativ schnell gehandelt. Trotzdem habe ich mich sehr über das Interesse gefreut.

Und dann sind Sie mit der Tochter auf die Rutsche und hatten gute Laune.
Ich musste das erstmal sacken lassen. Wenn ich irgendwo zusage, will ich mich mit dem Verein vorher auseinander setzen. Das geht nicht innerhalb eines Telefonats.

Sie waren nicht sofort Feuer und Flamme?
Sagen wir mal so, bei Cordi und VfL 93 lief einiges nicht so, wie ich dachte. Und eben mit jenen Erfahrungen beschäftigte ich mich nun also auch mit Paloma. Ich wollte das Paket für mich erstmal komplett prüfen.

wochenticker 30 | das passierte diese woche

Die Frage war bestimmt, wer bleibt oder verlässt den Verein.
Na ja, Cordi und VfL waren eben Mannschaften, bei denen es bis zu meinem Amtsantritt gut lief. In dem Moment, wo ich kam, war davon aber nichts mehr über. Sowohl sportlich, als auch im Umfeld, hatte sich binnen kurzer Zeit einiges eklatant geändert. Ich habe unheimlich viel alleine machen müssen und Unterstützung vermisst. Jetzt ist das anders. Ich spürte sofort Unterstützung.

Und trotzdem sind die Zweifel ob Ihrer Person größer als die Zuversicht.
Damit muss ich leben. Nur klar ist auch, dass ich bei den ersten beiden Vereinen zum Saisonstart drei Spieler und weniger hatte, hier nun eine intakte Mannschaft. Mit Paloma ging es nur darum, Gespräche mit der Mannschaft zu suchen. Auch, ob sich das Team eine Zusammenarbeit mit mir vorstellen konnte.

Nun geht’s also rein in Frank Hüllmanns Schuhe. Wie klein kommen Sie sich darin vor?
Das weiß ich noch nicht. Hülle war lange hier und hat eine tolle Struktur geschaffen. Es braucht sicher Zeit, bis sich mit mir alles einspielt, aber ich bin sicher, dass ich hier einiges bewegen kann.

Ist der, nennen wir es mal Hype, um Frank Hüllmann vielleicht auch gar nicht angebracht?
Frank war und ist hier beliebt. Und das auch zurecht. Er hat eine Menge bewegt, das muss man schon anerkennen. Das Bild der letzten Jahre ist von Hülle geprägt. Und wenn man mit den hier vorhandenen Mitteln jedes Jahr die Klasse hält, dann ist das für mich so viel wert wie eine Meisterschaft.

Umschwenker. Ralf Schehr sagt ja: „Spieler reifen, Trainer reifen“. Wie fällt die Analyse Ihrer ersten Trainerjahre aus?
Ich musste viele Kompromisse eingehen.

Tatsächlich?
Und wie. Es ist nämlich so. Ich komme aus dem bezahlten Fußball – da ist Disziplin und hartes Arbeiten auf dem Tagesplan. Ich musste im Kopf umschalten. Amateure spielen nebenbei Fußball. Es bleibt ein Hobby. Die verdienen nicht ihren Lebensunterhalt mit Fußball. Das zu lernen, fiel mir am Anfang schwer. Mir wurde verdeutlicht, dass ich zu wenig Nachsicht mit den Spielern hatte. Jetzt bin ich ruhiger geworden und die sieben Monate haben dazu sicherlich beigetragen.

Was haben Sie sportlich dazu gelernt?
Ich habe ohne Lizenzen begonnen. Jetzt bin ich Inhaber der A-Lizenz. In Sachen Mannschaftstaktik kam einiges an neuem Stoff dazu. Aber es gab während der Lehrgänge auch viele Sachen, die ich bereits vorher kannte. Nur kann ich sie jetzt mit mehr Erfahrung besser umsetzen.

Viele sagen: Der Sager wird ein guter Trainer. Wohl genau so viele sagen, dass wird nichts. Selbsteinschätzung bitte.
Nein.

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Dann machen wir es anders. Paloma hat ja ein bestimmtes Trainerprofil gesucht. Warum hat das auf Sie gepasst?
Ich habe viel mit jungen Spielern gearbeitet und habe immer mit wenig Mitteln arbeiten müssen. Das passt hier also.

Oder hatten Sie einfach Glück, dass trendige junge Trainer momentan von allen bevorzugt werden?
Es gibt auch ältere gute Trainer. Und junge schlechte Trainer. Folgendes: Wenn man diese Ausbildung vom DFB genießt, dann entwickelt man sich weiter. Die Älteren haben diese zwar auch genossen, aber in einer Zeit, die heute nicht mehr aktuell ist. Der heutige Fußball ist ein anderer als vor 30 Jahren.

Aber beißt sich Ihre Akribie und der Anspruch nicht mit dem der Palomaten?
Warum sollte es?

Immerhin gibt’s viele Familienväter im Kader. Sie trainieren ab jetzt die Brutbude der Liga. Die haben vielleicht ruhigere Vorhaben als elf Mal Training in der Woche.
Ich trainiere genauso wie sonst. Dreimal die Woche. Nur das Wochenendtraining bleibt ab jetzt aus.

Ist das der Lernprozess?
Genau. Das gehört dazu.

Sie sind zweimal abgestiegen. Was stimmt Sie an der Brucknerstraße positiver?
Alle guten Dinge sind schließlich drei.

Das hieße doch, Sie steigen wieder ab?
Ich meinte eher, dass es im dritten Anlauf klappt mit dem Ligaverbleib.

Zwei Schlußworte zum Saisonauftakt bei Victoria am Freitag.
Drei Punkte.

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btb meint: Ein guter Typ. Oder?


Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.