Jörn Großkopf: Zwischen Curslack und Elmshorn
Unbekannte Spieler in die Regionalliga hieven um sie später auf eine etwaige größere Reise zu schicken. Seit 2009 beweist St. Paulis U-23-Trainer Jörn Großkopf Gespür für Talente. Nils Pichinot, Deran Toksöz, Marlon Krause und Pierre Becken wissen worüber wir schreiben. Überhaupt: Wohl kaum ein Trainer muss derart sorgfältig scouten wie der 45-jährige Großkopf.
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Jörn Großkopf nutzte die winterlichen Wochen im Januar und Februar zum ganz großen Casting. Wie jedes Jahr quasi. Denn der 45-Jährige ist seit Amtsantritt auf der Suche nach Spielermaterial mit den Merkmalen jung und hochbegabt.
Denn als Amateurtrainer von St. Paulis Unterbau ist nur selten von fertigen Spielern umgeben – immerhin gilt sein Team als ideales Sprungbrett für den Abflug ins Profigeschäft. Es ist ein stetes Kommen und Gehen.
Und doch muss und will Großkopf leistungsstarken Regionalligafußball anbieten. Am liebsten kontinuierlich. Ohne professionelle Scouting-Abteilung.
Die laufende Saison nutzt die U 23 des Kiezklubs zur Eingewöhnung in die Regionalliga. Die Qualität des Kaders ist dabei fast bedeutungslos, denn die Mannschaft steigt aufgrund der neuen DFB-Reform nicht ab.
Es ist ein Probelauf, wo Großkopf die laufende Saison zur Selektierung des künftigen Kaders nutzt. Mit welchen Spielern geht’s weiter? Wer hat das Zeug für die Regionalliga? Und wer kommt für Schubert infrage?
Im Sommer wird der einstige Bundesligastürmer (30 Einsätze für St. Pauli, zwei Tore) dann zum x-ten Umbau ansetzen, drei bis vier namenlose Zugänge integrieren und wieder einmal mit den Jungs aus der Provinz das Unternehmen Regionalliga angehen.
Wie eben jedes Jahr.
Dabei stehen dem 45-Jährigen bestenfalls branchenübliche Spielerhonorare zur Verfügung. Die Währung mit der Großkopf meistens zahlt, heißt „Perspektive“.
Großkopf sucht nach den Perlen. Aktuell heißen sie Schirosi, Möller, Lüneburg, Grubba, Pohlmann und Nendza. Alle Genannten sind in der 5. und 6. Liga beheimatet, aber ausgestattet mit der gewissen Portion Potential.
Vor allem Curslacks Sven Möller wäre ein gutes Beispiel dafür, wie exakt Großkopf nach Schmuckstücken wühlt. Immerhin musste der 21-Jährige bislang kaum als Protagonist für heroische Schlagzeilen herhalten – und dennoch schlug Großkopfs Radar Alarm.
„Sven hat eine große Dynamik und fiel, trotz dessen wir hier eine Liga höher spielen, nicht ab. In manchen Situationen merkt man zwar, dass noch ein wenig fehlt, er bringt aber schon eine Menge mit.“
Beinahe immer klingen und enden Großkopfs Analysen über Probespieler so. Denn auch der Luruper Alessandro Schirso, der mehr als nur positiv im Casting auf sich aufmerksam machte, „ist sehr interessant“ und „bringt eine Menge mit.“
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In Curslack ist man indessen bereits auf den Abgang des Saisonüberfliegers eingestellt. Manager Torsten Schönsee sieht ebenfalls „eine tolle Entwicklung“ und nimmt das Interesse „größerer Vereine“ seit Wochen zur Kenntnis. „Der Junge hat es sich aber auch verdient.“
Der 21-Jährige Möller könnte in die Fußstapfen von Nils Pichinot treten, der ebenfalls nach seiner zweiten Saison in der Oberliga direkt beim Kiezklub Interesse weckte.
Als Pichinot 2009 seinen Wechsel zu den Braun-Weißen bekanntgab, dauerte es zwei Jahre, bis der Stürmer (Marktwert heute: 250.000 Euro) seinen Profivertrag bei Jena unterzeichnete.
Eine Chance, die auch Möller zugetraut wird. „Er könnte das packen“, sagt Schönsee optimistisch.
„Man behält ihn intensiv im Auge“, heißt es aus dem Umfeld des Regionalligisten.
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Möller soll, denn so steht es sicherlich am Reißbrett des Pauli-Planers, den nächsten Schritt machen und den Aufstieg auf die profihafte Fußballetage schaffen. Wie Pierre Becken. Wie Nils Pichinot. Wie Deran Toksöz.
Zwischen Curslack und Elmshorn wird sich Jörn Großkopf garantiert auch in den kommenden Wochen viele 90 Minuten in den Bauch stehen und die Provinz begucken.
Voraussichtliches Castingende: Nie.