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„Du weißt, was du für dich behalten musst.“

St. Paulis U23-Trainer Jörn Großkopf sonnt sich derzeit mit den Profis von Werder Bremen im Trainingslager im türkischen Belek. Denn: Der 46-Jährige lernt seit Wochen an der Seite von Thomas Schaaf, bereitet sich im Umfeld des Bundesligisten auf den Beruf Fußballlehrer vor. BLOG-TRIFFT-BALL lud Großkopf nun zum Lern-Lattemacchiato nach Winterhude ein und wollte wissen: Wie viel Thomas Schaaf steckt mittlerweile im Großkopf?

 

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Herr Großkopf, mittlerweile lernen Sie seit neun Wochen in Bremen bei Thomas Schaaf. Was blieb am meisten hängen?
Seine klare Ansprache, womit jeder etwas anfangen kann. Er hat einen klaren roten Faden, eine sehr pregnante Art. Wie er Sachen vor und während des Trainings vermittelt, wirkt unheimlich strukturiert. Genau so, wie ich es mag. Es gibt nämlich auch Trainer, die viel reden, aber eigentlich nichts sagen. Thomas gibt den Jungs Dinge an die Hand und sagt, was er erwartet.

Haben Sie ein verständliches Beispiel aus der täglichen Praxis?
Nehmen wir dieses Grundprinzip im heutigen Fussball: Vorne draufgehen. Nahezu jeder benutzt diese Floskel. Das habe ich früher als Aktiver auch immer von meinen Trainern gehört, aber eigentlich waren wir Spieler dann auf uns alleine gestellt. Du musst heute, in den Segmenten wo wir uns bewegen, den Spielern klar sagen: Wie gehe ich drauf? Wo stelle ich mir vor, den Ball zu erobern und wie will ich das anstellen? Mit welchen Mitteln mache ich das und vor allem wann? Dieses Strategie zu planen und zu vermitteln, das lerne ich momentan bei Thomas Schaaf.

Hat das Praktikum bei Werder Bremen Ihre Erwartungen erfüllt?
Absolut. Vorher weiß man ja nicht so genau, was kommt. Aber durch die Gespräche mit Thomas Wolter wusste ich, dass ich sehr nah ans Trainerteam rücken werde. Aber dass es dann wirklich so distanzlos wird, hätte ich nicht gedacht. Ich war quasi überall dabei. Vorbesprechung beim Training, Bundesligaspiele im Weserstadion, gegen den HSV saß ich auf der Trainerbank. Thomas Schaaf hatte überhaupt keine Geheimnisse und sagte nur: „Du weißt, was du für dich behalten musst.“ Darum geht’s ja auch. Dass man in erster Linie Sachen für sich aus der Geschichte zieht und dann für sich nutzt.

Viele Trainerpraktikanten pilgern zu Arsene Wenger nach London und fühlen sich danach als „kleine Wengers“. Erzählte zumindest Felix Magath mal. Fühlen Sie sich jetzt als „kleiner Schaaf“?
Überhaupt nicht. Man will ja authentisch sein. Ich will nicht Thomas Schaaf werden, sondern bin Jörn Großkopf. Letztlich mache ich die Dinge ja, wie ich sie für richtig halte und ich glaube auch, dass es nur so geht. Man guckt sich vieles an und muss dann selber entscheiden, was für einen elementar ist. Und es waren Dinge dabei, die ich richtig gut finde und für mich verwenden werde.

Weiterbildung international. Auch ein Thema für Sie?
Das ist sicherlich auch eine Zeitfrage. Ich bin bei St. Pauli sehr eingebunden und habe eine Mannschaft zu führen. Da kann ich nicht mal eben drei Wochen abdampfen. Ich war in den letzten Monaten wenig da und bin froh, dass Zlatan Bajramovic das so gut gemacht hat. Aber trotzdem ist man lieber selber vor Ort und holt sich die Eindrücke aus der Mannschaft. Arsene Wenger durfte ich auch schon bestaunen. Wir haben ihn beim Lehrgang erlebt. Beim Ablösespiel für Podolski hat er einen Vortrag für uns gehalten. Überragend, klasse, sehr eindrucksvoll.

Magath war übrigens auch bei Wenger und sagt: „Was es gebracht hat: Nichts.“ Frage: Sind die Unterschiede zwischen Normalo- und Weltfußball gar nicht so gewaltig wie immer alle annehmen?
Also mir haben die zwei Tage mit Arsene Wenger, ein Tag im Trainingsbetrieb und am anderen der Vortrag viel gebracht. Man kann nicht alles übernehmen, weil das ganze andere Sphären sind. Aber es war richtig aufschlussreich. Der hat Sätze gesagt, die einfach klasse sind.

Welcher war der wichtigste?
Er sagte: Als Trainer darfst du heute nicht verheiratet sein. Sonst kannst du nicht um die Welt reisen. Nein, solche Dinge muss man nun nicht annehmen, aber wie er auf den Fussball schaut, ist imposant.

Warum haben Sie sich für die Schaaf-Schule entschieden?
Weil er sich als Erster gemeldet hat. Ich hatte mich alternativ auch in Bochum bei Andi Bergmann und in Wolfsburg über Bernd Hollerbach beworben. Bremen war jedoch meine erste Adresse, weil ich Thomas Wolter sehr gut kenne und Thomas Schaaf aus früheren Begegnungen auch. Ich habe mich frühzeitig darum bemüht, diesen Platz zu bekommen und wollte nicht automatisch einem Verein zugewiesen werden.

Mit 46 Jahren Bewerbungen schreiben. Komisch?
Nur so geht’s. Ich habe mich im März oder April per Mail und schriftlich beworben, war in Bremen vorstellig, habe mich immer wieder in Erinnerung gebracht. Als ich dann Mai/Juni im Urlaub war, rief er mich an und fragte, ob ich schon einen Platz habe. Und als ich das verneinte, meinte er, das ich jetzt einen hätte.

Können Sie sich an Ihre erste Notiz beim Training erinnern?
Ich habe immer so ein kleines Büchlein dabei und glaube ich habe zum Anfang Inhalte der ersten Trainerbesprechung aufgezeichnet. Dass da alles haargenau geplant wird. Jeder Schritt für das Training ist durchgeplant; jeder Trainer hat seine Aufgabe. Es gibt auch Trainer, die gehen auf den Platz und sagen ihren Co-Trainern da erst, was sie zu machen haben und müssen dann irgendwas aus dem Ärmel schütteln. Das habe ich sofort aufgegriffen: wer arbeitet wo wie an was. Und das ist es, du musst vermitteln, dass du einen Plan hast, sonst kommst du nicht gut rüber.

Wie problematisch war die zuhörende Schülerrolle?
Komischerweise überhaupt nicht. Ich habe es mir schwerer vorgestellt so lange zuzuhören.

Durften Sie sich aktiv am Training beteiligen? Peter Neururer beispielsweise hat seine Praktikanten immer in alles involviert und sie sofort als Kollegen betrachtet. Marc Fascher dagegen war mal bei Bayern, sprach aber lediglich mit Hermann Gerland und nie mit Louis van Gaal.
Also ich habe ein paar mal Kreis mitgespielt. Durfte ein paar mal eine Gruppen bei der Gruppenarbeit begleiten und sonst wurde ich eingesetzt wie die anderen Trainer auch. Als Schiedsrichter zum Beispiel. Wo ich übrigens eine schöne und strittige Situation mit Marko Arnautovic hatte. Aber ansonsten konnte ich jederzeit Fragen stellen und war voll dabei.

Schiedsrichter bei den Millionären. Waren Sie da aufgeregt?
Anfangs schon. Da habe ich mir das schon schüchtern aus der Ferne angeguckt. Man beobachtet viel und mit der Zeit wurde ich immer lockerer. Allein auch wegen der überragenden Trainertypen. Die machen das einem sehr leicht. Und auch Spieler wie Fritz, Arnautovic oder Prödl kamen auch mal und suchten das Gespräch.

Und was war genau mit Marko Arnautovic?
Er wurde gefoult, ich hab’s nicht gepfiffen und wurde erstmal schön bepöbelt. Da musste ich erstmal schlucken, schließlich bin ich zwanzig Jahre älter. Aber hinterher kam er und hat abgeklatscht. War ’ne witzige Situation, wie er mich da bemotzt hat.

Wo wir im Trainingsbetrieb sind: Inwiefern unterscheidet sich das Training eines Erstligisten von einem Viert- oder Fünftligisten?
Die Jungs, die da trainieren, die machen den ganzen Tag nichts anderes. Bei mir sind Jungs, die kommen aus der Schule oder von der Ausbildung, sind körperlich oder mental auch mal platt. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, was du da an Arbeitsmaterial vorfindest. Dir stehen vollste Möglichkeiten zur Verfügung, weil die Spieler alle fertig sind. Ich arbeite dagegen noch im Übergangsbereich, wo noch viele Skills fehlen, aber eine Menge Potenzial vorhanden ist. Allerdings gibt’s bei den Profis auch Typen, ohne Namen zu nennen, die im Training zurückhaltend trainieren, um das mal so zu formulieren. Aber die gibt’s in jeder Mannschaft, von Kreis- bis Bundesliga.

Spricht man in der Mittagspause über die flache Raute oder wird’s da auch mal privat?
Es ist schon viel Fussball. Weil ich auch viel gefragt habe. Aber wir sprechen auch privat.

Wie würden Sie Ihren Draht zu Thomas Schaaf vor, während und nach dem Praktikum beschreiben? Sind Sie Praktikant 30 und das war’s?
Das kann sein. Aber ich glaube er kennt mich. Er hat mich nicht Praktikant genannt, sondern wusste meinen Namen. Der Beginn war sehr zurückhaltend, gerade auch von mir. Dann wurde es lockerer, ich wurde durch seine menschliche Art selbstsicherer. Heute haben wir per E-mail Kontakt. Und er lud mich jetzt sogar in die Türkei ins Trainingslager ein. Dort werde ich sicher noch andere Sachen fragen können, für die ich bisher keine Zeit hatte.

Hat Thomas Schaaf von Ihnen etwas gelernt?
Ich glaube im Moment nicht. Thomas hat genug Erfahrung.

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Zum Schluss: Ihr Ziel bleibt die Profimannschaft des FC St. Pauli?
Ich fühle mich momentan sehr gut aufgehoben, aber ich möchte diese Aufgabe nicht ewig machen. Dafür unterzieht man sich ja diesen Strapazen. Das kann gerne auch noch ein, zwei Jahre so sein, weil ich die Aufgabe richtig gut finde. Das schließt aber nicht aus, dass ich mal höher will.

Brauchen Sie auch noch ein, zwei Jahre?
Nein, ich wäre bereit.

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Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.