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Fascher: Das Interview nach dem Hansa-Aus

Ein Interview mit Hansas Ex-Trainer Marc Fascher (44) über den Tiefpunkt Neustrelitz, Fehler in der Kaderplanung und was er im Gesicht eines Spielers erkennen muss. 

 

 

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Herr Fascher, nach vielen turbulenten Monaten beim FC Hansa Rostock sind Sie wieder zurück in der Heimat namens Hamburg. Wie haben Sie die letzten Tage verbracht?
Da mein Vater kürzlich einen leichten Schlaganfall hatte, habe ich mich natürlich um das Wohl der Familie gekümmert. Ansonsten jogge ich nun wieder regelmäßig um die Hamburger Alster und versuche viel mit meiner Frau zu unternehmen. Wir führen ja quasi nur eine Wochenend-Ehe und in Zeiten wie diese ändert sich unser Lebensmodell ein wenig.

Es ist also anzunehmen, dass Ihre Frau Entlassungen durchaus begrüßt?
Achwas, im Gegenteil. In schlechten Phasen leidet sie mit mir. Ansonsten vertritt Sie ganz klar das Motto: Hauptsache er ist aus dem Haus. Dann weiß sie, ich bin im Job und alles ist gut.

Herr Fascher, kommen wir zur Sache. Wie haben Sie sich am Tiefpunkt-Tag des verlorenen Pokalfinales gegen Neustrelitz gefühlt?
Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Das war ein Auftritt, mit dem ich mich nicht identifizieren konnte. Da sind einhundert Prozent Einstellung auf null Prozent Einstellung getroffen. Einen schlimmeren Abschied hätte ich mir nicht vorstellen können.

 

Haben Sie die peinliche Vorstellung noch in irgendeiner Form mit der Mannschaft aufarbeiten können?
Nein, als wir mit dem Bus zurück in Rostock waren, sind alle Spiele in verschiedene Himmelsrichtungen in den Urlaub. Das Kind war zu dem Zeitpunkt ja auch in den Brunnen gefallen. Ich habe mich zwar noch mehrmals gedanklich mit dem Tag und dem Spiel beschäftigt. Aber eine Rundum-Analyse danach hat es nicht gegeben.

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Die Rostocker Rückrunde war mit nur drei Siegen und 15 Punkten schlichtweg enttäuschend. Können Sie schon sagen, warum es 2013 partout nicht lief.
Der Ursprung lag in der gesamten Kaderbesetzung. Das hat ja auch die Winterpause gezeigt, wo ordentlich nachgebessert werden sollte. Und wenn ein Verein in der Winterpause derart nachbessern muss, ist das immer ein schlechtes Zeichen für die Arbeit im Sommer. Kurz gesagt: Das Tabellenbild lügt am Ende nicht. Hansa Rostock steht nun da, wo sie letztlich hingehören.

In der Winterpause probierte der Verein das Experiment der vielen Leihspieler. War das ein Flop?
Da wir zwei Kreuzbandverletzungen, eine im offensiven und eine im defensiven Bereich, hatten, wäre es im Nachhinein sicherlich besser gewesen, hätten wir nur diese Positionen punktuell neu besetzt. Wir haben bei der Verpflichtung der Leihspieler etwas zu sehr nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“ gehandelt und mussten im Laufe des Jahres feststellen, dass die Rechnung nicht aufgegangen ist. Denn: Die verpflichteten Spieler waren zu jung und der Drucksituation Klassenkampf nicht gewachsen. Aber auch daraus kann man seine Schlüsse ziehen.

Eine spontane und nicht geplante Zwischenfrage: Die U19-Talente des FC Hansa sorgen mit Ihrem Einzug ins Finale der Deutschen Meisterschaft aktuell für einen Imageschub. Warum kann die Profimannschaft so wenig von dem Potential profitieren?
Das sehe ich etwas anders. Mit Robin Krause und Nils Quaschner stehen momentan erneut zwei junge Spieler auf dem Sprung ins Profiteam. Darüber hinaus waren in meinem Kader sechs oder sieben Spieler, die 2010 den Meistertitel der A-Junioren geholt haben. Das ist beachtlich. Aber Nachwuchs- und Herrenfußball ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Vor allem müssen die hochgehandelten Talente allesamt an der Mentalität arbeiten. Im Profifußball muss man einstecken können, braucht Ellenbogen und die Qualität, auch unter großen Drucksituation guten Fußball spielen zu können. Und ganz wichtig: Ich muss bei einem Spieler nach dem Spiel im Gesicht erkennen, ob wir gewonnen oder verloren haben. Da gab es in den letzten Monaten einige Spieler, wo ich das nicht erkennen konnte. Deswegen bin ich ein großer Fan von Matthias Sammer. Der ist mit einem dritten Platz nicht zufrieden und verlangt das Maximum. Als er beim DFB war, forderte er auch bei den U-Teams Titel ein. Das ist imponierend. Deswegen bin ich dafür, dass neben der fraglos wichtigen Entwicklung im Bereich Technik und Taktik auf jeden Fall auch die Gewinner-Mentalität in den Nachwuchsleistungszentren geschult werden muss. Denn es ist doch so, je höher wir Fußball spielen, desto mehr steht nur noch das blanke Ergebnis im Vordergrund.

Herr Fascher, unser Hansa-Reporter Hannes Hilbrecht verfasste unlängst diesen Satz über Sie: „Er war der richtige Trainer zur falschen Zeit“. Wie steht Sie dazu?
Das sehe ich auch so. Deswegen finde ich es bitter, dass ich für den zusammengestellten Kader den Kopf hinhalten musste. Ich habe mich in Rostock super wohl gefühlt und wäre auch gerne geblieben. Aber letztendlich waren die Vorraussetzungen für eine Zusammenarbeit über den 30. Juni hinaus nicht mehr gegeben.

Der Abschied fiel Ihnen schwer?
Ja. Am Ende, aber auch über die gesamte Zeit in Rostock, waren sehr viele Emotionen im Spiel. Vor allem im Zusammenspiel mit den Rostocker Fans.

Was denken Sie, warum wurden Sie von den Fans so sehr gemocht?
Die Hansa-Fans haben gemerkt, da ist einer, der reißt sich jeden Tag den Allerwertesten auf und lebt den Verein. Denn eins ist doch mal klar: Diese Region ist so verbunden mit dem FC Hansa und sie spürten einfach, dass ich den Verein genauso lebe wie sie das tun.

Hat Sie die mecklenburgische Fan-Leidenschaft überrascht?
Auf jeden Fall. Dass die Liebe zum Verein derart extrem ist, das habe ich vorher nicht gewusst. Das war in der Größenordnung echtes Neuland für mich.

Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt die Option „Fascher hält die Klasse und baut im Sommer einen neuen Kader zusammen“?
Ja, die gab es.

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Warum sitzen wir heute in Hamburg, trinken Kaffee und schwadronieren über Ihre Entlassung?
Es haben sich gewisse Dinge entwickelt und am Ende war die Trennung die sinnvollste Lösung.

Darf ich fragen, wie Ihr Verhältnis zum Manager Uwe Vester war?
Wir sind professionell miteinander umgegangen.

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Haben Sie positive Dinge in Rostock hinterlassen?
Das Minimalziel Klassenerhalt.

Wie werden Sie die kommenden Wochen gestalten?
Ganz sicher bin ich mir da noch nicht. Aber ich werde auf jeden Fall, nach der sehr intensiven Saison bei Hansa, noch zehn bis 14 Tage Urlaub machen. Und dann möchte ich gerne noch bei eins, zwei Vereinen hospitieren.

Herr Fascher, vielen Dank für das Gespräch, viel Erfolg bei der Jobfindung und grüßen Sie „Stani“.

Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.