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RL-Nord-Präsident Gehlenborg im Interview

Die Regionalliga Nord erlebte in der letzten Saison stürmische Zeiten. BLOG-TRIFFT-BALL sprach mit Eugen Gehlenborg, dem Präsidenten des Norddeutschen-Fußballverbands, über Lizenzentzüge, einem möglichen Einstieg von Sport1 und einer erneuten Reform der Regionalliga.

 


Guten Tag Herr Gehlenborg. Eine aufregende Saison liegt hinter Ihnen. Wie viel Urlaub bedarf es nach so einer turbulenten Saison im Fußball-Norden?

Das genau zu beziffern, fällt sehr schwer. Die Saison hatte am Ende mit Holstein Kiel einen würdigen Meister und mit dem Aufstieg in die 3. Liga ein sehr erfreuliches Ergebnis. Auch die Abstiegsfrage wurde aufgrund der Insolvenzfälle von Oberneuland und Lübeck eindeutig geregelt. Somit war der Urlaubsbedarf dann doch nicht so hoch. Aber glauben Sie mir: Eine ähnliche Saison möchte ich jedoch nicht noch einmal erleben.

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Mit Lübeck und Oberneuland mussten zwei Vereine während der Saison die Segel streichen. Ist die Folge ein Imageschaden für die Regionalliga Nord?
Das ist ganz sicher ein Imageschaden! Aber bitte bedenken Sie: Insolvenzen sind kein Alleinstellungsmerkmal der Regionalliga Nord. Auch andere Ligen, selbst Bundesligen, nehmen wir das aktuelle Beispiel Alemannia Aachen, hatten in der jüngeren Vergangenheit ähnliche Fälle. Aber natürlich ist es für die Regionalliga Nord besonders bitter, weil es in dieser Form die erste Saison war. Erschwerend kommt hinzu, dass beide Vereine auch schon in der Regionalliga Nord-Ost spielten und somit von den hohen finanziellen Aufwendungen für die Regionalliga wussten. Auf der anderen Seite darf man jetzt nicht das Fazit ziehen, dass die neue Regionalliga ein finanzielles Grab war bzw. ist, schließlich sind die übrigen 16 Vereine ohne Insolvenzverfahren durch die Saison gekommen.

Aber der Fall Oberneuland schlug schon hohe Wellen. Was haben Sie gedacht, als die Insolvenz bekannt wurde?
Katastrophe. Worst Case. Ein Super-GAU. Der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war nicht nur unglücklich, sondern griff auch erheblich in die bereits getroffenen sportlichen Entscheidungen ein. In diesen sportlichen Wettbewerb einzugreifen, entsprach und entspricht nicht meinen Vorstellungen. Das war schon bitter. Besonders wenn man bedenkt, dass auch Existenzen am Fußball hängen. Mit dem DFB diskutieren wir deshalb intensiv über den Paragraphen 6 der Spielordnung. Eine Änderung gegenüber der bestehenden Regelung – also alle Spiele zu entwerten – könnte darin bestehen, dass bei einer Insolvenz in der 2. Halbserie die Spiele, die in der 1. Halbserie unter sportlichen Gesichtspunkten geführt wurden, gewertet werden. Das hätte in der Regionalliga Nord nicht zu diesen drastischen Verschiebungen der Tabelle geführt. Aber diese Entscheidung kann nur gemeinsam mit den anderen Landesverbänden getroffen werden. Bis jetzt vertritt der DFB den Standpunkt, dass der Paragraph 6 der Spielordnung die gerechteste Lösung aller ungerechten Lösungen ist.

 

Können in Zukunft ähnliche Fälle verhindert werden? Muss der Norddeutsche-Fußballverband bei der Prüfung der Lizenzunterlagen etwas verändern?
Sicher auch. Jedoch wollen Vereine, die sich für eine höhere Klasse bewerben, auch dort spielen und versuchen am Ende – auch auf juristischem Weg – dieses Ziel zu erreichen. Deshalb haben wir zur Prüfung der Lizenzen ein unabhängiges Gremium mit Experten aus dem Finanzwesen geschaffen. Doch auch wenn das unabhängige Gremium Zweifel an der finanziellen Situation hat, versuchen Vereine immer noch über den juristischen Weg die Lizenz zu erwirken. Oder nehmen Sie den Fall, ein Sponsor springt während der Saison ab oder wird selbst zahlungsunfähig. Das können Sie nicht vorhersehen, da kann man nichts machen. Nichtsdestotrotz liegt es in unserer Verantwortung, bei der Lizenzerteilung noch genauer hinzuschauen. Darüber hinaus werden wir die Idee, einen Solidaritätsfonds einzuführen, prüfen. Dieses hat der DFB gemacht und vielleicht machen auch die Vereine der Regionalliga mit. Ein solcher Solidaritätsfond wäre eine gute Lösung, denn er könnte kurzfristige Zahlungsschwierigkeiten von Vereinen mit Krediten überbrücken. Aber auch die Vereine sind in der Pflicht. Man kann die Vereine von ihrer betriebswirtschaftlichen Sorgfaltspflicht nicht befreien. Die Ausgaben dürfen nicht permanent höher sein als die Einnahmen. Sonst bekommt man in jeder Liga Probleme.

Zur Finanzierung des Fußballs bedarf es auch immer das Fernsehen. Zurzeit spielt die Regionalliga Nord bei TV-Übertragungen keine große Rolle. Was kann von Funktionärsseite getan werden, um die Regionalliga Nord wieder in das Fernsehen zu bringen?
Wir bemühen uns intensiv um mehr TV-Präsenz der Regionalliga Nord. Der NDR steht aber auf dem Standpunkt, dass die Regionalliga Nord nicht genügend Quote bringt. Des Weiteren hat der NDR wohl auch gar nicht das Equipment, um eine flächendeckende Übertragung der Regionalliga Nord anzubieten. Zurzeit führen wir Gespräche mit Sport1. Allerdings würde die Kooperation mit Sport 1 keine TV-Gelder einbringen, jedoch verspräche die TV-Präsenz erhöhte Werbeeinnahmen für die Vereine. Diese Verhandlungen sind jedoch schwierig. Sport1 möchte einen Generalvertrag für alle fünf Regionalligen haben. Da spielt jedoch die Regionalliga Nord-Ost nicht mit, weil sie einen Vertrag mit dem MDR hat. Auch in der Regionalliga West werden Gespräche mit dem WDR geführt mit dem Ziel eine ähnliche Vereinbarung abzuschließen. Der NDR ist da viel distanzierter. Wir sahen und sehen unsere Verantwortung durchaus darin, einen größeren Sponsor für die Regionalliga Nord zu finden. Wir haben auch eine Reihe von Gesprächen geführt und versucht einen Großkonzern als Sponsor zu gewinnen, bisher jedoch – wie auch in den anderen fünf Regionalverbänden – ohne Erfolg. Jetzt wollen wir mehrere kleinere Sponsoren für die Regionalliga Nord finden, um den Vereinen bzw. der Liga zusätzliche Einnahmen zu ermöglichen. Es ist allerdings schwierig einen Generalsponsor für die Regionalliga Nord zu finden. Aber wir geben nicht auf.

Mit Holstein Kiel verlässt der Zuschauer-Krösus die Liga. Ist das ein weiteres Problem für die Vermarktung der Liga?
Natürlich auch. Kiel hat der Liga gut getan. Aber wenn Sie die Zuschauerzahlen sehen, dann gab es auch andere Spiele mit höheren Zuschauerzahlen. Wenn 10.000 Zuschauer ein Spiel besuchen würden, dann hätte die Liga eine andere Attraktivität für das Fernsehen und Sponsoren. Die Vereine müssten sich vielleicht auch etwas einfallen lassen, damit ein Stadionbesuch für die Menschen interessanter wird. Zum Teil ist aber auch die Infrastruktur – also die Stadienbeschaffenheit – der Vereine nicht optimal. Kiel, Meppen, Oldenburg, Wilhelmshaven u.a. sowie die 2. Mannschaften von Hannover 96, Werder Bremen und Wolfsburg haben eine sehr gute Infrastruktur, vielleicht auch noch Neumünster mit 5.000 Plätzen. Aber wenn Sie dann weiter durch das Land gehen, so optimal ist die Infrastruktur bei einigen Vereinen nicht. Dieses ist aber nicht als Kritik zu verstehen, denn letztlich hat der NFV die Kriterien für die Stadienbeschaffenheit (Fassungsvermögen, Fluchtlichtstärke etc.) gegenüber der dreiteiligen Regionalliga deutlich reduziert, um die Kosten für die Vereine in diesem Bereich niedrig zu halten.

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Apropos Neumünster: Vor Monaten kochte die Debatte um Stadionstandards in der Regionalliga Nord hoch. Vor allem der VfR Neumünster fühlte sich benachteiligt, da dort in hohem Maße – von Ihrem Verband gefordert – in den Umbau investiert wurde. Der Sicherheitsbeauftragte wurde anschließend in ein neues Amt geschoben. Was ist da unglücklich gelaufen?
Dieser Kritik muss sich der Verband stellen. Nur zur Erklärung, nicht zur Entschuldigung: Vor 14 Tagen erst gab es eine Einigung des DFB und der DFL mit der Innenministerkonferenz zum Thema Sicherheitsmaßnahmen im Fußball. Die deutliche Ansage dieser Konferenz war – auch durch den Vorsitzenden – dass wir unsere Hausaufgaben bezüglich der Stadionsicherheit machen müssen. Sonst könnten Polizeieinsätze für die Fußballvereine eventuell kostenpflichtig werden. Das setzt natürlich auch die Verbände unter Druck. Aber bezüglich Neumünster hat der Sicherheitsbeauftragte das Thema eben sehr ernst genommen, man darf ihm deshalb jetzt aber keinen Vorwurf machen, vielleicht hätte man mit mehr Gesprächsbereitschaft eine bessere Regelung gefunden. Denn schließlich hat es dazu geführt, dass wir an verschiedenen Standorten verschiedene Sicherheitsstandards hatten. Also ist diese Kritik berechtigt. Das ist jetzt geregelt. Mittlerweile haben wir die Zuständigkeiten geändert. Seit dem Vorfall mit Neumünster gibt es in diesem Punkt keine Probleme mehr.

Nicht nur die Stadionstandards sorgten für kritische Stimmen. In letzter Zeit gab es auch einige kritische Stimmen bezüglich der Relegationsspiele zum Aufstieg in die 3. Liga. Zwei Meister der Regionalligen stiegen nicht auf. Verstehen sie den Unmut einiger Trainer und Fans?
Diese Regionalligen waren ein Kompromiss. Was wir nicht erreicht haben, nicht erreichen konnten, war, dass wir fünf Absteiger aus der 3. Liga und fünf Aufsteiger aus den Regionalligen haben. Das ist ein wunder Punkt der Ligen. Es ist daher durchaus berechtigt sich Veränderungen zu wünschen. Es gibt zum Beispiel ein Modell, dass in Zukunft keine Relegationsspiele ausgelost werden, sondern in einer Aufstiegsrunde die Aufsteiger in die 3. Liga ermittelt werden. Und dann vier Vereine statt drei Vereine aufsteigen und die zwei Verlierer an der 1. Runde des DFB-Pokals teilnehmen. Aber das sind noch Modelle die zurzeit diskutiert werden. Wir wissen, dass die aktuelle Regelung mit den drei Aufsteigern auf Dauer nur schwer durchzuhalten ist. Auf der anderen Seite dürfen wir aber auch nicht jedes Jahr eine Reform der Reform machen, denn damit würden wir auch den Vereinen keinen Gefallen tun.

Herr Gehlenborg, vielen Dank für dieses Gespräch.

Foto: » www.nordfv.de
Matthias Friede

Schon in jungen Jahren musste Matthias Friede erkennen, dass ihn der Fußballgott nicht mit ausreichend Talent gesegnet hat. Trotz seines überharten Einsatzes spielte sich seine Fußballkarriere auf Kreisebene ab. Statt in der glamourösen Welt des Fußballs für Skandale zu sorgen, drückte er im Studium der Geschichts- und Politikwissenschaft die harte, hölzerne Bank auf der Universitätstribüne. Trotz oder gerade wegen dieser Ungerechtigkeit des Fußballgottes beschäftigt er sich leidenschaftlich theoretisch mit dem runden Leder.