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Mustafa Kucukovic im großen BTB-Interview

Er war einer der derjenigen, denen man beim Hamburger SV eine großartige Karriere zutrauen konnte. Bereits mit 17 machte Mustafa Kucukovic sein erstes Profispiel für die Rothosen. Vieles war für eine erfolgreiche Karriere angerichtet. Doch vieles kam eben auch anders und einiges in seinem Lebes verlief ungünstig. So hießen spätere Arbeitgeber 1860 München, Fürth, Frankreich, Zypern und Cottbus. Seit einigen Wochen heißt seine neue Heimat Hansa Rostock. Im Sportforum trafen wir das Talent von damals und sprachen offen über sein schwieriges Image, eigene Fehler, die neuen Kollegen und die Chance Hansa Rostock. Achja, es gab zwei Milchkaffee …

 

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Mustafa, schön dass Du Dir für uns Zeit genommen hast. Wie geht es Dir in Rostock?
Hallo zurück. Mir geht es wirklich super hier. Die Mannschaft hat mich super aufgenommen, wir verstehen uns alle wirklich sehr gut und ich freue mich, dem Team bald richtig helfen zu können. Ich fühle mich jeden Tag fitter, das stimmt mich sehr optimistisch. Was mich momentan etwas stört ist die Tatsache, dass ich noch keine Wohnung gefunden habe. Aber ich hoffe, dass ich die Suche bald erfolgreich abschließe.

Wie versuchst Du den Trainingsrückstand aufzuholen?
Wenn wir frei haben oder  nur eine Trainingseinheit am Tag ansteht, versuche ich individuell zu trainieren. Gerade im läuferischen Bereich  tue ich derzeit viel, aber auch den gut ausgestatteten Kraftraum in den Katakomben  nutze ich so oft es geht. Dabei leg ich zurzeit viel Wert auf Stabilisationsübungen.

 

Wie haben Dich die Fans aufgenommen?
Ich bin absolut begeistert. Viele schreiben mir über Facebook und wünschen mir Glück. Das unterstützt mich ungemein und diese Kommunikation mit unseren Anhängern möchte ich nicht missen. Natürlich kommt auch Kritik, aber wenn sie ordentlich geäußert wird, dann bin ich wirklich der Letzte, der dies als Affront wahrnimmt. Am vergangenen Samstag hat mich allerdings schon etwas gestört.

Magst Du uns sagen was genau?
Ich möchte gleich zu Beginn klarstellen: Wir haben am Samstag inklusiver meiner Person nicht gut gespielt und waren gegen wirklich engagierte Kieler die schwächere Mannschaft. Deshalb kann ich absolut verstehen, dass die Fans enttäuscht waren. Wir haben viele junge Spieler im Team, die sich erst einmal in der 3. Liga akklimatisieren müssen. Da wirken Dinge wie Pfiffe eher kontraproduktiv. Ansonsten war die Atmosphäre, gerade zu Beginn, wirklich der absolute Wahnsinn.

Mustafa, seit Jahren werden Dir viele schlechte Attribute nachgesagt. Wie nimmst Du Dein Image wahr?
Ich habe es dir bereits in unserem ersten Gespräch gesagt: Ich finde es sehr schade, dass viele mich so wahrnehmen, wie ich in den Medien dargestellt wurde. Ich würde mir wünschen, wenn sich die Menschen, die sich für mich interessieren, sich selber ein Bild machen.  Es wurde viel über mich geschrieben und viel skandalisiert. Dabei habe ich mich bei den Vereinen wenig zu Schulden kommen lassen. Ich war immer pünktlich beim Training, bin nie durch Party-Exzesse aufgefallen und habe immer mein Bestes gegeben. Allerdings bin ich nicht ohne Fehler, dass möchte ich klarstellen.

Inwiefern Fehler?
Ich bin viele Jahre zu blauäugig an die Sache herangegangen. Für mich zählte immer nur der Fußball, alles andere wurde von anderen übernommen. So habe ich irgendwann den Blick  für die anderen Bereiche verloren.  Dann war da natürlich auch die Sache mit dem Führerschein. Ich war zu lässig und habe den am Ende sicherlich nicht ungerechtfertigt verloren.

Du hast sehr häufig deine Klubs gewechselt. Warum?
Ich liebe es Fußball zu spielen. Wenn ich nicht gespielt habe oder ich mich aus anderen Gründen nicht wohlgefühlt habe, dann habe ich einen Schlussstrich gezogen und das auch frühzeitig bekanntgegeben. Ich weiß, dass dieses Verhalten auch als mangelnder Ehrgeiz interpretiert werden kann. Aber für mich war immer klar: Wenn es irgendwann nicht mehr passt, dann muss man einen Schlussstrich ziehen. Alles andere wäre doch nicht fair gegenüber der Mannschaft, für die ich spiele.

Warum hast Du Dich in Fürth und München nicht wohlgefühlt?
Es waren zwei sehr verschiedene Situationen. In Fürth war ich ungefähr 19 Jahre alt und wurde vom HSV ausgeliehen. Für die Anhänger war ich der Shootingstar aus der Bundesliga, eine Art Heilsbringer. Diesem Druck konnte ich nicht gerecht werden.

Und in München?
Antonio Di Salvo hatte damals eine großartige Phase und hat völlig zu Recht gespielt,  dann verletzte er sich allerdings schwer. Somit kam meine Chance. Was ich jedoch schade fand: Alle Zeitungen schrieben wir sehr Antonio der Mannschaft fehlen würde. Es gab in München nie die Rückendeckung, die ich vielleicht gebraucht hätte. Dann wurden mir vom Verein Geldstrafen auferlegt, weil ich angeblich nicht in der 2. Mannschaft spielen wollte. Das stimmte aber nicht. Mehr möchte ich dazu allerdings nicht sagen, da ich ungern gegen Personen nachtreten möchte, die nicht mehr in ihren Ämtern  sind.

Ebenfalls wird Dir vom Boulevard nachgesagt, innerhalb des mannschaftlichen Kollektivs ein schwieriger Typ zu sein. Auch wieder eine Fehleinschätzung?
Ich kann mich nicht daran erinnern, irgendwann einmal in einer Mannschaft nicht gut klar gekommen zu sein. Im Gegenteil, ich habe zu sehr vielen ehemaligen Kollegen einen regen Kontakt.

Anschließend warst du hauptsächlich im Ausland unterwegs. Wie haben dich diese Erfahrungen geprägt?
Die Erfahrungen waren für mich ungemein wichtig. Ich spreche insgesamt vier Sprachen fließend, was im Fußballgeschäft sicherlich von Vorteil ist. Das merke ich auch bei Hansa in der Kabine. Ich habe aber etwas viel wichtigeres gelernt: Wie wichtig die Dinge außerhalb des Fußballs sind. Ich habe einen Sohn, der noch in diesem Sommer eingeschult wird. Es war traurig, an seinen Geburtstagen oft weit weg zu sein. Umso wichtiger sind mir jetzt die Momente, die ich mit ihm gemeinsam verbringe.

Wie merkst Du das denn in der Rostocker Kabine?
Ich sitze neben Alex Mendy. Ein wirklich super sympathischer Mensch, der aber sehr ruhig ist. Da ich  in meiner Zeit in Grenoble Französisch gelernt habe,  kann ich mich mit Alex sehr gut unterhalten. Ich denke es ist sehr wichtig für ihn, dass er sich mit jemanden in seiner Heimatsprache unterhalten kann.

Bevor wir noch einmal ausführlich zu Hansa kommen, Du hast ein Jahr nicht gespielt. Was war los?
Ich wurde eines Morgens mit starken Nierenschmerzen in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ärzte diagnostizierten  zuerst Nierensteine. Das erwies sich auch als richtig, aber es stellte sich später heraus, dass meine Niere entzündet war. Dreimal musste ich operiert werden und es war ein langer Prozess. Umso glücklicher bin ich, dass ich wieder ganz gesund bin. Trotzdem konnte ich sechs Monate keinen Fußball spielen.

Dann kam Hansa, war es das einzige Angebot?
Nein, ich hatte einige Offerten. Gut dotierte aus dem Ausland gab es, aber auch aus Deutschland  wurde konkret angefragt. Ich hätte ohne Probleme ein Angebot ohne Probetraining zur besseren Konditionen unterschreiben können. Als dann die Hansa-Anfrage kam, ob ich für ein Probetraining zur Verfügung stehen würde, war ich sofort einverstanden.

Wieso?
Wir reden hier immerhin über Hansa Rostock. Ein Klub mit großer Vereinskultur und tollen Bedingungen. Ein Verein, der eigentlich alles andere als drittklassig ist. Als der Trainer andeutete, dass sie sehr interessiert wären, aber mir nicht allzu viel bieten könnten, habe ich gesagt: Ich möchte über das Geld gar nicht reden. Das sollen alles meine Berater von DLT machen, denen ich da voll vertraue.  Viel wichtiger als das Finanzielle, ist nämlich die Chance, die Hansa mir bietet.

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Chance in welcher Hinsicht?
Die Chance, in Deutschland wieder Fuß zu fassen und mit einer tollen Einheit Erfolge zu feiern. Ich habe mich hier sofort wohl gefühlt. Leonhard Haas und Milorad Pekovic waren bekannte Gesichter, aber wie gesagt, auch die restliche Mannschaft hat mich super aufgenommen. Jede Trainingseinheit, na gut, fast jede, macht unter dem Trainerteam Spaß und Uwe Vester kenne ich schon seit meiner Schalker Jugendzeit. Dazu kommt, dass mein Sohn in Hamburg lebt und somit schnell zu erreichen ist. Was wirklich unglaublich wichtig ist. Es ist passt in Rostock einfach perfekt. Manche mögen sagen, das hätte ich überall gesagt. Aber dem  ist nicht der Fall.

Mustafa, wir sind locker eingestiegen, also schließen wir ganz in Seinem Sinne ab. Was machst du in Rostock, wenn du nicht an deiner Form schleifst?
Momentan wirklich nicht viel. Die Zeit nach den Trainings nutze ich zur Erholung im Hotel oder für meine Familie.

Mustafa, vielen Dank für das offene und ehrliche Gespräch. Wir sehen uns!
Da kannst Du Dir sicher sein.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.