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Rostock vs Kiel: Die BTB-Analyse

Holstein Kiel entführt einen Punkt aus Rostock und das absolut verdient. Die Neitzel-Elf agierte über weite Strecken harmonischer und erspielte sich die besseren Chancen. Bei Hansa Rostock wurde Keeper Hahnel zur tragischen Figur, der ebenso wie  Marc Heider  vom Platz flog.

Bestes Fußballwetter und eine gute Kulisse in Rostock richteten ein hitziges Fußballspiel an.  Knapp 14.000 Zuschauer waren in die DKB-Arena geströmt, um den Saisonauftakt zu begleiten. Viele von ihnen sollten enttäuscht nach Hause gehen. Bereit in den ersten zehn Minuten wurde klar, dass sich die Kieler in Rostock nicht verstecken würden. Die Gäste setzten die Hanseaten stark unter Druck und sorgten somit dafür, dass die Mannschaft von Andreas Bergmann nur sehr schwer in die Gänge kam.

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Dabei war die Begegnung von Anfang an überaus körperbetont. Bereits früh holte sich Hansa-Star Milorad Pekovic den Gelben Karton ab und stand fortan unter der rigiden Beobachtung von Schiedsrichter Bandurski. Bergmann reagierte prompt und schickte Tommy Gruppe zum Warmmachen, jedoch blieb ein Wechsel aus, da Pekovic sich in der Folge zurücknahm.

Savran kein Faktor

Gefährlich wurden die Rostocker zunächst lediglich über die rechte Seite. Das Tandem Mendy und  Jakobs harmonierte gut und brachte vielversprechende Vorstöße heraus. Die zahlreichen Flanken und Ecken fanden allerdings selten einen Abnehmer, was vor allem am schwachen Halil Savran lag. Der Stürmer spielte wie immer emsig und zeigte sich stets leidenschaftlich, doch eine präsente Rolle im Sturmzentrum vermochte Savran zu keinem Zeitpunkt auszufüllen.

Dass der Deutschtürke keine ernsthafte Rolle spielte, lag aber auch daran, dass die Kieler ausgesprochen gut verteidigten. Die Kieler pressten stark und erzwangen somit immer wieder Fehler bei den Hanseaten, verloren aber trotz der aggressiven Gangart nie die Grundordnung und verteidigten meist in zwei engestaffelten Viererketten. Gerade im zentralen Mittelfeld, dem eigentlichen Herzstück der Rostocker, boten Kazior, Krause und Danneberg hervorragend Paroli.  Brachen die Rostocker doch einmamal durch und schlugen Flanken in die Mitte, fanden diese im Zentrum keinen Abnehmer.

Doch nicht nur in der Defensive agierten die Kieler bravourös, auch in der Offensive zeichnete sich der Gast aus. In den ersten zwanzig Minuten erspielte sich die Kieler Sportvereinigung klare Feldvorteile und kombinierte sich bis zur Strafraumgrenze erfolgreich in die Rostocker hälfte. Dabei wirkten die Kieler läuferisch überlegen. Große Chancen sprangen lange Zeit allerdings nicht heraus, bis Marcel Schied eine Unkonzentriertheit im Rostocker Deckungsverbund ausnutze und somit ein wahres Drama in Gang setzte. Der Angreifer  stürmte nach einen Steilpass  in Richtung des zögerlich herauslaufenden Jörg Hahnel, der den Ball außerhalb des Strafraums mit der Hand abwehrte –  trotz des angelegten Armes eine klare Rote Karte.

Hahnels Tragik- Heiders Dummheit

Für Hahnel eine besonders tragische Geschichte. Der Routinier im Hansa-Tor entschied das erste Mal seit zweieinhalb Jahren ein Torwartduell um die Nummer Eins wieder  für sich. Die Fans, die ihn vor dem Spiel mit tosendem Applaus begrüßten, verabschiedeten ihn mit aufmunternden Ovationen. Der Status als Nummer 1 scheint nach dem unglücklichen Platzverweis jedoch akut zu wackeln. Der eingewechselte Johannes Brinkies  brachte sich mit zwei starken Paraden sofort gut ein und überzeugte als  Fels in der Brandung, als Kiel das Tempo zwischenzeitlich stark erhöhte. Die Kieler in Person von Marc Heider verspielten die Überzahl übrigens in Rekordzeit. Der Mittelfeldspieler holte sich wegen eines zu früh ausgeführten Freistoßes  eine ausgesprochen dumme Rote Karte ab. Die Kieler Nettospielzeit in Überzahl: Null Minuten. Holstein-Trainer Karsten Neitzel hatte aber eine Erklärung für die ungewöhnliche Herausstellung: „Nach den Platzverweisen war das Spiel sehr zerfahren. Heidi hat übrigens vor dem Freistoß einen Pfiff gehört, allerdings war der nicht vom Schiedsrichter, der einige Meter hinter ihm stand, sondern aus dem Publikum. Ärgerlich, aber auch das müssen wir so hinnehmen.“

Während die „Störche“ hochzufrieden die Heimreise antreten dürfen und einen tollen Saisonauftakt betrinken können, hingen in Rostock die Gesichtszüge runter. Nach dem vielversprechen Testspiel gegen Bayern München waren die Erwartungen hoch. Dass im Endeffekt glückliche 0:0 wurde von vielen enttäuschten Zuschauern mit Pfiffen bedacht.

Ein glücklicher Punkt für Rostock

Weltuntergangsszenarien muss man sich allerdings noch lange nicht ausmalen. Die Spielanlage, das Spiel mit dem Ball funktionierte und die Bergmann-Truppe versuchte sich stets spielerisch zu befreien. Das am Hände wenig gelang, hatte auch mit den noch fehlenden Automatismen zu tun. Häufig standen sich die Rostocker selber im Weg, phasenweise schien das zentrale Mittelfeld gar überproportional besetzt. Als Gewinner des Spiels dürfen sich Julian Jakobs, Alex Mendy und Johannes Brinkies fühlen. Die Neuerwerbung aus  Siegen spielte stark und setzte sich immer wieder selbst in Szene.

Bei Kiel überzeugten vor allem die bereits erwähnten Marlon Krause, Tim Danneberg und Raf Kazior, die das Duell gegen das Rostocker Mittelfeld siegreich gestalteten. Insgesamt agierte Kiel als dass deutlich besser funktionierende Kollektiv und profitierte zweifelslos von der höheren Homogenität in der Mannschaft, die sich im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügig veränderte.

Am Ende reichte es für die Hansa-Kogge zu einem glücklichen Unentschieden, welches auch die Gäste dankbar annahmen und in den letzten Spielminuten die Partie spürbar beruhigten. Der gallige und robuste Spielstil der Kieler verdiente dabei höchsten Respekt. Hansa Rostock hat noch viel Luft nach oben und könnte vor allem von Mustafa Kucukovic profitieren. Der Stürmer präsentierte sich technisch stark und zeigte gute Ansätze, muss allerdings im dynamischen Bereich noch deutlich zulegen. Auch ein Johan Plat, der nicht zum Einsatz kam, kann sich in Anbetracht der schwachen Savran-Leistung als Stoßstürmer Hoffnungen auf zeitnahe Einsätze machen.

Stimmen zum Spiel:

Mustafa Kucukovic: „ Es war natürlich toll heute hier zu spielen. Die Kulisse war großartig und es ist natürlich schade, dass wir nicht das umsetzen konnten, was wir wollten. Dennoch bin ich mir sicher, dass wir mit der Zeit immer mehr zulegen werden.

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David Blacha: „Die Kieler sind sehr motiviert ins Spiel gegangen und haben sehr mutig agiert. Für einen Aufsteiger haben sie wirklich sehr gut gespielt“.

Marcel Schied: „Hier war mehr drin. Ich habe keine Torchance von Hansa gesehen. Wir wussten nicht so richtig, wie diese neue Rostocker Mannschaft spielen wird, aber optisch waren wir hier überlegen.“

Am Rande des Spiels: Kevin Pannewitz, seines Zeichens  Hybrid aus Supertalent und Problemprofi schaute sich die Partie seines ehemaligen Teams aufmerksam an.

Foto: Sebastian Heger
Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.