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Herr Fröhling, gönnen Sie Stilz die Bundesliga?

Im zweiten Teil des großen Interviews mit Ex-HSV’er und Neu-Löwe Torsten Fröhling äußert sich der Fußballtrainer zum neuen HSV’er Roger Stilz, den großen HSV-Talenten und warum die Regionalliga Nord für ihn (aktuell) nicht infrage gekommen wäre.

 

» Teil Eins: Torsten Fröhling:
„Ich hatte eine Träne im Auge“


Herr Fröhling, in Kiel, wo auch Sie einst tätig waren, warf Thorsten Gutzeit kürzlich das Handtuch. Belastungsgründe gab er an. Können Sie das nachvollziehen?

Ganz schwer. Ich weiß auch nicht, ob die Belastung wirklich der Grund war. Das weiß Thorsten Gutzeit nur alleine. Er ist jahrelang Trainer, hat seinen Job dafür aufgegeben und erfolgreich in einem super geführten Verein gearbeitet. Er hatte Sicherheit mit der Vertragsverlängerung, wollte den Fußballlehrer machen und hatte ein eingespieltes Team um sich, was ihm geholfen hätte. Ich hatte überlegt ihn anzurufen, habe es aber sein lassen, da er sicher genug um die Ohren hat. Was letztlich intern da abging, muss jeder selber herausfinden.

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Sie sind seit Ihrem 18. Lebensjahr im Fußballgeschäft. Zeigt die Belastungskurve in den letzten Jahren nach oben?
Stress? Das ist klar. Aber positiver Stress. Früher gab es nicht so viele Jobs wie heute. Daher kann man froh sein, dass der DFB Nachwuchsleistungszentren eingeführt hat. Man muss dem Druck heute vielleicht etwas mehr standhalten. Vor allem im Herrenbereich, wo der Verein Ziele setzt und danach lechzt Erfolg zu haben. Aber grundsätzlich hast du überall die Verpflichtung abzuliefern, ob im Beruf oder im privaten Leben. Du hast immer den Druck deine Existenz zu halten, deine Familie zu ernähren und deinen Job zu behalten. Letztlich ist es typbedingt, wie Du sportlich und privat damit umgehst.

Sie speziell, jemand, der seit Jahren vom Fußball lebt, hat auch den Druck einen Job zu haben. Pendeln sie deshalb im Jugend- und Herrenbereich und verfahren nach der Devise „Hauptsache einen Job“?
Nein. Mir macht einfach beides Spaß. Ich bin eigentlich froh, dass ich das auch machen kann. Eigentlich ist es aus dem Jugendbereich schwierig in den Herrenbereich zu kommen. Genauso wie als Spieler, träumst Du als Trainer auch von der Bundesliga. Aber ich muss mich bei Manager Jörg Franke bedanken, der damals alles umgeschmissen hatte und mich aus der Jugend zum Herrentrainer nach Altona holte. Im Nachhinein war das wirklich ein Glücksfall, dass ein Mensch da Vertrauen in mich hatte. Sonst würde ich vielleicht immer noch „nur“ ein Jugendtrainer sein.

 

Einer wie Roger Stilz, noch ohne nennenswerte Coaching-Referenzen, darf nun in der 1. Bundesliga an der Seite von Thorsten Fink loslegen. Gönnen Sie ihm den sicherlich begehrten Job?
Im Fußball sind Beziehungen wichtig. So ist es in diesem Fall auch. Dass Roger direkt die Chance in der Bundesliga bekommt, gönne ich ihm. Da ist null Neid dahinter. Wir kennen uns. Er wird seinen Weg sicher machen.

Käme für einen Fröhling auch so ein Posten infrage – nochmal Co-Trainer sein?
Ich könnte mir das schon vorstellen. Allerdings nur unter gewissen Trainern und nur höherklassig. Ansonsten würde ich das nicht mehr können, weil ich zu viel Alphatier bin. Aber wenn es über so ein Engagement in die Bundesliga gehen könnte, wäre das sicherlich auch eine reizvolle Aufgabe.

Wer wäre einer, wo sich ein Torsten Fröhling hinten anstellen würde?
Felix Magath war schon prägend für meine Arbeit im athletischen Bereich. Im Taktischen war der Lehrer-Lehrgang mit Ralf Rangnick bisher das Allergrößte. Er war einmal Referent und ich habe ihn dann noch zwei Stunden danach festgenagelt. 

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Was wollten Sie von Rangnick wissen?
Damals ging es um die Viererkette und wie er sie sieht. Gerade was Innenverteidiger angeht. Rangnick war nämlich der Meinung, dass Innenverteidiger immer in der Mitte bleiben müssen, auch wenn jemand außen durch ist. Denn flankt von außen jemand und die Innenverteidiger sind nicht mehr in der Zone vor dem eigenen Tor. Er hat auf Schalke mit der Raumdeckung bei Standards begonnen. Damit ist er zwar prompt auf die Nase gefallen, aber im Nachhinein hatte er recht.

Gibt es auch einen Trainer, den sie menschlich schätzen?
Na klar. Mein alter Trainer aus der DDR, Günther Reinke. Vor dem hatte ich so Schiss und Respekt und trotzdem war er ein Kumpel. Da habe ich mir eine Menge abgeschnitten, denn das ist die Mischung, die damals wie heute funktioniert.

Nochmal kurz zum HSV und der Jugendarbeit. Wer wird der nächste HSV-Profi aus dem eigenen Stall?
Wir haben da viele gute. Mal sehen was aus Jonathan Tah wird. Der hat gute Voraussetzungen. Es hängt nur davon ab, wo er seine Heimat findet. Man darf ihn künftig nicht immer zwischen Profis und U23 und U19 hin und her reichen. Das tat Matti Steinmann letzte Saison auch nicht gut. Aus der U17 sind vielleicht Narek Abramov, Finn Porath und Thore Jacobsen zu nennen. Aber deshalb ist es ja immer so interessant diese Jungs zu begleiten. Manche von ihnen sind Nationalspieler. Aber es gibt nicht viele, die dann auch Profis wurden. Die ersten beiden Jahre beim Übergang in den Herrenbereich sind die entscheidenden. Weil das Leben generell einen Umschwung nimmt. Manche machen eine Lehre, haben eine Freundin, lassen sich vielleicht auch von der Clique ablenken und müssen lernen dieses alles zu organisieren. Da brechen die meisten weg. Deshalb kann man es nicht voraus bestimmen. U19-Spieler haben zwei, drei Jahre die Chance sich durchzusetzen und dann ist es auch vorbei.

Was raten Sie diesen Spielern?
Patentrezepte gibt es nicht. Bei Levin Öztunali gehe ich davon aus, dass er nächstes Jahr Bundesligaspiele bestreiten wird. Der ist so: „Bap, geht los“. Jonathan Tah muss da deutlich mehr lernen. Aber letztlich ist es so: Sie müssen sich wohl fühlen, erfolgreich sein und Zuckerbrot wie Peitsche annehmen. Und ihnen muss bewusst sein, dass die Zeit beim Training zu schade ist, sich nicht voll zu konzentrieren. Sie müssen sich organisieren und zum Beispiel im Bus bei Auswärtsspielen die Lernsachen mitnehmen. Die Zeit im Bus auch nutzen. Da ist die Unterstützung der Berater wichtig, dass sie nicht nur das Ziel Profifußballer werden vorgehalten bekommen.

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Abschließend zu Ihrer neuen Aufgabe bei 1860 München. Sie übernehmen eine U21. Man hat bei Rodolfo Cardoso gesehen, wie schwierig diese Arbeit ist. Profis kommen von oben, Talente müssen weichen, den Rest wissen Sie selbst.
Ja sicher. Du trainierst die Talente die ganze Woche und weißt am Wochenende nicht, ob die Leute überhaupt spielen werden, weil Profis runterkommen. Hut ab vor Rodolfo, dass er das hinbekommen hat. Du hast viele unzufriedene Spieler, musst sie alle bei Laune halten. Das erfordert schon einiges.

Und Sie kennen die Regionalliga Süd noch nicht einmal. Macht’s nicht einfacher, oder?
Nein. Aber ich werde jetzt natürlich auch Beobachtungen anstellen. Wobei ich sagen muss, dass wir ja ein Ausbildungsverein sind und unseren Stil verinnerlichen wollen. Daher richtet man sich nicht so nach dem Gegner. Ich habe nun auch nicht den Druck Erster werden zu müssen, sondern soll die Spieler in allererster Linie an den Herrenbereich heranzuführen.

Letzte Antwort bitte: Hätten sie zwischen Vereinen in der Regionalliga Nord oder München wählen können …
… hätte ich mich für München entschieden. Ich habe in Oldenburg und Altona genau das gehabt, was im Norden ziemlich gängig ist und sich oft wiederholt. Die Vereine haben zwar eine tolle Tradition, in denen man aber schnell von einzelnen Leuten abhängig ist. So ist es in vielen Vereinen der Regionalliga Nord auch jetzt noch. Arbeitstechnisch ist das schon angenehmer bei einem Ausbildungsteam zu sein, mit dem du nicht ständig um die Existenz kämpfst.

» Teil Eins des große Fröhling-Interviews: „Ich hatte eine Träne im Auge“

Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.