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Pierre Becken: „St. Pauli bleibt mein Traum“

Als BLOG-TRIFFT-BALL vor etwa zwei Jahren mit Pierre Becken sprach, war dieser gerade Abwehrchef des FC St. Pauli II und hatte zuletzt gar mit den Profis trainiert. Sein damaliger Trainer Jörn Großkopf prophezeite ihm das Potenzial für die 3. Liga. Tatsächlich: Becken wechselte kurz darauf leihweise zu Carl Zeiss Jena und 2012 dann zum Halleschen FC. Nun trafen wir ihn erneut und sprachen mit ihm über seine verhunzte Premierensaison, Konkurrenzkampf in Halle, Holstein Kiel und seine Träume.

Pierre, endlich krückenlos. Schön, oder?
Absolut. Die Phase mit zwei Mittelfußbrüchen war schon schwer für mich. Aber nun läuft’s wieder besser, ich bin im Mannschaftstraining und ziehe zudem auch gerade um.

Seit dem Drittligaaufstieg köchelt die Fußball-Euphorie hier auf ganz neuer Flamme. Die rot-weiß gestreiften Trikots dominieren auf einmal wieder die Schulsporthallen und zuletzt spielte der HFC vor ausverkauftem Haus den Drittligaauftakt gegen RB Leipzig. Beeindruckend?
Ich habe schon vor dem Aufstieg des HFC verfolgt, was hier in Halle passiert. Bereits vor meinem Wechsel wusste ich, was hier für eine Begeisterung herrscht. Diese Euphorie hat uns auch in der letzten Saison ein ganzes Stück getragen. Auch zum Auftakt gegen Offenbach im letzten Jahr war das Stadion ausverkauft. Die Leute hier sind extrem fußballverrückt, das ist schon etwas Besonderes.

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Deine Premierensaison war äußerst überschaubar. Am ersten Spieltag knackt der Mittelfuß durch, erst am 16. Spieltag gegen Bielefeld konntest Du wieder auflaufen. Vor der Winterpause dann der nächste Schock: Mittelfußbruch die Zweite. Der Knock-Down.
Prinzipiell gehören Verletzungen natürlich zum Fußball. Es war richtig schwierig zweimal die gleiche schwere Verletzung zu durchleben. Aber für mich gab es nie den Gedanken, meine Karriere deswegen zu beenden. Ich hatte von Anfang an den Ehrgeiz, mich hier in Halle durchzusetzen und habe auch innerhalb der Mannschaft, zu der ich auch während meiner Verletzung immer die Nähe gesucht habe, sehr große Unterstützung gefunden. Im Winter kam Daniel Ziebig aus Cottbus zu uns, der selbst schon mit einigen schweren Verletzungen zu kämpfen hatte und von dem ich viel Zuspruch bekommen habe. Zudem hat mir natürlich auch meine Familie Kraft gegeben, unter anderem ist mein Cousin im Winter zu mir nach Halle gezogen, mit dem ich dann viel Zeit verbringen konnte.

Am Ende waren es neun Spiele im ersten Jahr. Frustrierend genug, war der Stammplatz in der 3. Liga anfangs so nah.
Für mich ist es in der Vergangenheit eigentlich immer bergauf gegangen. Angefangen von den Einsätzen bei St. Pauli II, dann mit den Transfers nach Jena und dann nach Halle. Anfangs hat mir kaum einer einen Stammplatz in der Innenverteidigung zugetraut, aber nach der Vorbereitung stand ich zum Saisonauftakt gegen Offenbach in der Startelf. Ich denke auch, daran hätte sich nichts geändert, wenn ich mich nicht verletzt hätte.

Mit Marcel Franke und Rückkehrer Adli Lachheb wurden zwei neue Innenverteidiger geholt. Zudem ist Publikumsliebling Patrick Mouaya wieder fit. Auf Deiner Innenverteidigerposition wurde kräftig nachgerüstet.
Wobei man sagen muss, dass Patrick auch jetzt noch nicht bei hundert Prozent ist und ich offiziell erst im Oktober zurückkehren sollte. Nachdem der HFC Marcel Franke verpflichtet hatte, hätten sie nach damaligem Stand mit ihm und Kristian Kojola nur zwei fitte Innenverteidiger gehabt. Und wenn ein Mann wie Adli Lachheb verfügbar ist, dann sollte man ihn auch holen. Ich bin wirklich nicht enttäuscht. Der Trainer weiß, dass ich ein Allrounder bin, vor meiner zweiten Verletzung waren auch Einsätze auf der rechten Verteidigerposition angedacht, im Zweifelsfall könnte ich auch im defensiven Mittelfeld spielen. Ich gebe im Training Gas und dann denke ich, dass ich auch spielen werde.

„Allrounder“ ist ein gutes Stichwort. Weiß Trainer Sven Köhler, dass Du gelernter Stürmer bist? Schließlich habt ihr nur zwei echte Angreifer.
Das weiß er. Mein erstes Regionalligaspiel mit Altona 93 habe ich damals auch gegen den HFC bestritten. Da habe ich sogar noch als linker Mittelfeldspieler gespielt. Bisher stand es nicht zur Debatte, dass ich im Sturm auflaufen soll, aber wenn es so sein sollte, dann mach ich das auch, weil ich weiß, dass ich das auch kann.

Köhler ist eine Institution in Halle. Nach außen wirkt er meist besonnen und beinahe philosophisch.  Wie ist Dein Verhältnis zu ihm?
Wenn man so lange an einer Arbeitsstelle ist wie er und solch einen Weg nach oben genommen hat, dann muss er auf jeden Fall ein guter Trainer sein. Spieler sind gekommen und gegangen, aber der Erfolg ist beim HFC in den letzten Jahren eigentlich immer geblieben. Er arbeitet sehr akribisch, schaut auch privat sehr viele Fußballspiele, weil er besonders an neumodischen Spiel- und Trainingsvarianten interessiert ist. Ich komme sehr gut mit ihm aus und hatte auch während meiner Verletzungen immer das Gefühl, dass er auf mich zählt.

Im August kommt es zu Deiner Rückkehr in den Fußballnorden. Halle spielt im Holstein-Stadion gegen Kiel. Schon cool, wie der KSV momentan abgeht, oder?
Mit Marlon Krause spielt ja einer meiner engsten Freunde in der Kieler Startelf, mit dem ich regelmäßig Kontakt habe. Der Verein begeistert mich mit seiner Arbeit schon sehr und meinetwegen dürfen sie gerne 36 gute Spiele machen, wenn sie in den zwei Spielen gegen uns nicht so gut aussehen.

Der 25-jährige Pierre Becken bestritt bislang 25 Drittligaspiele. 16 für Carl Zeiss Jena und neun für Halle.

Der andere Nordverein, Hansa Rostock, hatte eine miserable letzte Saison. Schätzt Du sie in diesem Spieljahr mit Neuzugängen wie Halil Savran oder Shervin Radjabali-Fardi stärker ein?
In der 3. Liga gibt es immer solche Vereine wie Hansa Rostock, bei denen die Erwartungshaltung und der Druck einfach aufgrund ihrer Geschichte größer sind, als bei Vereinen wie dem HFC, die oftmals etwas kleiner gehalten werden. Wir können sicher befreiter aufspielen und arbeiten. Ich denke, dass Hansa mit Andreas Bergmann und Andreas Reinke die richtigen Trainer geholt hat, die dort auch sehr gut hinpassen. Es ist immer wichtig, wie die Mannschaft nach solch einem Umbruch zusammenwächst, denn in der 3. Liga kann in Grunde jeder jeden schlagen, sodass es am Ende vor allem darauf ankommt, wer die beste Mannschaft hat. Individualisten gehören immer auch dazu, aber das Team entscheidet. Ich habe aber mit Steven Ruprecht (letzte Saison zusammen mit Pierre beim HFC, Anm. d. Verf.) gesprochen und er meinte, dass in Rostock eine tolle Truppe und ein toller Trainer sind.

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Und wohin geht es für den HFC? Zweite Liga?
Auf jeden Fall. Mit dem Stadion und dem Umfeld kann man auf jeden Fall in Zukunft auch nach oben schauen. Wir hatten zwar jetzt einen schlechten Saisonstart mit zwei Niederlagen, aber die Saison ist noch lang und wenn wir noch einen guten Stürmer dazu holen und sich die Mannschaft richtig gefunden hat, werden wir unsere Punkte auch einfahren. Am Ende muss man dann schauen, wofür es reicht.

Vor zwei Jahren sagtest Du in einem Interview mit BTB: „Es ist unglaublich, wie viel in nur drei Jahren mit mir passiert ist.“  Dein Ausblick für die nächsten 2-3 Jahre?
Kurzfristig will ich natürlich erst einmal richtig gesund werden und auch gesund bleiben, also nicht wieder zu früh die volle Belastung zu suchen. Ich will gerne noch in der 2. Bundesliga spielen. Am liebsten natürlich mit dem HFC. Mein Traum wird aber immer der FC St. Pauli bleiben. Wenn man dort einmal gespielt hat, trägt man fast schon eine Art Gen mit sich, das einen mit dem Verein verbindet.

Pierre, bleib artig, alles Gute und danke für das Interview.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.