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Thomas Brdaric: „Ein toller Ort zum Leben“

Es ist eine lange Bundesliga-Karriere auf die Thomas Brdaric zurückblicken kann. Über 200 Spiele absolvierte der heute 38-Jährige in der höchsten deutschen Spielklasse und erzielte dabei beachtliche 54 Tore. Nun hat es den ehemaligen Nationalspieler und EM-Teilnehmer in die Fußballhochburg Neustrelitz verschlagen. BLOG-TRIFFT-BALL erwischte einen gelösten Thomas  Brdaric zwischen seinen Umzugskartons.

Herr Brdaric, mal ganz ehrlich: Was haben Sie leichter auf der Karte gefunden, Usbekistan oder Neustrelitz?
Naja, das hat sich beides nicht so viel genommen. Ich kann aber sagen, wirklich leicht ist es mir nicht gefallen. Natürlich hatte ich von Neustrelitz schon einmal gehört, war aber bis zu diesem Sommer kein einziges Mal vor Ort.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Sie haben zuvor beim FC Bunyodkor und bei Dynamo Minsk als Sportdirektor gearbeitet. Wieso hat sich dort nichts Längerfristiges ergeben?
Das kann ich Ihnen ganz einfach erklären. Es stand für mich gar kein längerfristiges Engagement zur Debatte. Mein Plan war, dass ich dort meine UEFA Pro-Lizenz mache und nebenbei arbeite. Mir war von Anfang klar, dass ich zurück nach Deutschland möchte. Das hat, wie Sie ja sehen hervorragend geklappt. Das ich bei beiden Stationen nur ein halbes Jahr im Amt war, lag einfach daran, dass die komplette Saison in diesen Ländern zwischen März und November absolviert wird.

Weißrussland und Usbekistan sind ja nicht gerade die beliebtesten Reiseländer. Wie haben Sie das Leben in diesen Ländern empfunden?
Ich habe zahlreiche wichtige Erfahrungen in Weißrussland und Usbekistan gesammelt. Es ist natürlich eine ganz andere Kultur und ein anderes Leben. Wichtig war mir, dass ich unter professionellen Bedingungen arbeiten konnte und die waren sowohl in Minsk als auch beim FC Bunyadkor gegeben.

Nun wartet die TSG:  Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Die TSG ist ein sehr professioneller und ambitionierter Verein, der sehr gute Bedingungen bereitstellt. Was will ein Trainer denn mehr als eine hungrige junge Mannschaft und gute Arbeitsbedingungen? Dazu reizt mich natürlich die Regionalliga als immerhin vierthöchste Spielklasse. Für mich als jungen Trainer eine sehr große Aufgabe.

Welche Rolle spielte bei Ihrer Entscheidung die formidable Pokalleistung der TSG gegen Hansa Rostock und der damit verbundene DFB-Pokal Einzug?
Es hat die Entscheidung ganz klar erleichtert. Wichtig war natürlich auch mein Freund Oliver Bornemann (Sportlicher Leiter der TSG, Anm. d. Red.), der mich zu diesem Schritt letztendlich überzeugen konnte. Das wir zum Saisonauftakt gleich gegen einen Bundesligisten spielen dürfen, ist natürlich eine großartige Sache.

Wie gefällt Ihnen die mecklenburgische Provinz?
Ich bin wirklich positiv überrascht. Ich habe im Vorfeld gehört, dass viele Menschen diese Region verlassen und das Glück in den großen Städten oder in anderen Bundesländern suchen. Natürlich hat das vordergründig mit den wirtschaftlichen Bedingungen zu tun. Trotzdem suggeriert dieses Abwanderungsverhalten ein schlechtes Bild. Ich bin aber mittlerweile wirklich begeistert, die wunderschöne Natur mit den ganzen Seen und Wäldern, die Tierwelt und die Idylle. Wenn man einen Job hat und sich nicht allzu viele Sorgen machen muss, dann ist das hier echt ein fantastischer Ort zum Leben.

Gefällt Ihnen etwas besonders?
Naja, ich muss gestehen: So viel habe ich mir noch nicht angucken können, da wir eine sehr intensive Vorbereitung absolviert haben. Wir sind echt an unsere Grenzen gegangen, deshalb blieb außer dem Fußball nicht all zu viel Zeit.

Herr Brdaric, Reihenhaus oder Bauernhof?
Ganz klar Bauernhof. Als Fußballprofi hat man jahrelang im Überdruss gelebt. Tolle Wohnungen, dicke Autos und schicke Accessoires wie zum Beispiel teure Uhren. Dazu die ganzen großen Urlaube. Das Materielle hat schon eine  große Rolle eingenommen. Mittlerweile zählt für mich das Zwischenmenschliche mehr und man weiß die wirklichen essentiellen Dinge wie zum Beispiel der familiäre Zusammenhalt viel mehr zu schätzen.

Eines der berühmtesten Bilder der letzten Bundesligajahre war sicherlich der Würgegriff von Oliver Kahn. Zwei Minuten späten sahen sie Rot, Kahn blieb auf dem Platz. Haben Sie sich jemals so ungerecht  behandelt gefühlt wie in dieser Situation?
Natürlich war das unglücklich. Mittlerweile sage ich aber, dass auch diese Situation wichtig für meine Entwicklung war. Mit der Zeit habe ich viel dazu gelernt und dazu gehört unter anderem auch, nicht immer die Konfrontation zu suchen. Das heißt, sich in manchen Situationen einfach zurückzunehmen. Diese Erfahrungswerte sind für mich als Trainer von großer Bedeutung, denn das kann ich nun natürlich meinen Jungs besser vermitteln.

Einige Zeit später waren Sie mit Kahn bei der EM in Portugal. Wie groß war der Sicherheitsabstand?
Naja, wir saßen uns beim Essen fast immer gegenüber. Also nicht wirklich beruhigend. Aber mal im Ernst: Der Vorfall war zu diesem Zeitpunkt längst abgehakt. Oliver Kahn war natürlich ein sehr impulsiver Charakter und ich war sicherlich auch ein unangenehmer Stürmer. Vielleicht ist deshalb die damalige Situation zu Stande gekommen. Aber sowas bleibt in der Regel auf dem Platz.

Was war das tollste Erlebnis ihrer Spielerkarriere?
Da möchte ich mich eigentlich gar nicht so festlegen, denn die Karriere als Profifußballer ist als solches etwas ganz besonderes. Ich habe es allerdings auch erst nach meinem Karriereende wirklich registriert. Jeden Tag das zu machen, was man liebt, ist einfach großartig. Millionen von Menschen träumen von einer Karriere als Fußballprofi. Dazu kam, dass ich bei Leverkusen noch um Titel mitspielen durfte und in der Champions-League aktiv war. Das wertet es noch einmal richtig auf. Während meiner Laufbahn habe ich das  alles nicht so extrem wahrgenommen, es wirkte ja irgendwie selbstverständlich für mich.

 

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Sie mussten ja wegen Kniebeschwerden Ihre Laufbahn beenden. Sind die Probleme mittlerweile ausgestanden?
Naja, sagen wir es so. Mir geht es besser. Mein eines Knie ist invalide und bereitet mir schon Sorgen. Als ich meine Karriere beenden musste, war das sehr deprimierend. Ich musste aufpassen, dass ich nicht in ein Loch falle. In dieser schwierigen Situation haben mich meine Familie und meine Freunde aufgefangen. Das war unglaublich wichtig, schließlich ist es schon ein starker Einschnitt in das Leben, wenn man auf einmal nicht mehr das machen kann, was zuvor ein täglicher Bestandteil war.

Am Wochenende kommt zum vorläufigen Saisonhighlight der SC Freiburg. Gibt’s beim Siegerbankett Fischbrötchen oder Spätzle?
Soweit möchte ich nicht gehen. Aber ich weiß, dass die Leute die dafür verantwortlich sind, ihr bestes für unser Wohl geben werden.

Vielen Dank für das Gespräch Herr Brdaric!

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.