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Die Aufräumarbeiten nach dem Hansa-Unfall

Niederlagen schmerzen immer. Besonders, wenn sie in der Höhe eines Debakels ausfallen. 0:6 ist so ein Resultat, was stimmungsmäßig ordentlich reinhaut. Richtig weh tut es allerdings, wenn diese eine Niederlage viele gute Ansätze aus den Vorwochen konterkariert. BLOG-TRIFFT-BALL beginnt nach dem Hansa-Unfall mit den Aufräumarbeiten.

„Der Profifußball ist ein verdammt schnelles Geschäft. Die letzten Wochen sind beispielhaft dafür.“ Dieser Aussage von Andreas Bergmann, getroffen drei Tage nach dem Leberhaken bei den Lilien aus Darmstadt, kann man aus Rostocker Sicht nichts entgegenbringen.

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Schließlich war vor nicht einmal zwei Wochen die Welt an der Küste in bester Ordnung. Der FC Hansa war vorne dran, spielte bisweilen ansehnlichen Fußball. Niederlagen hatte es zwar auch gegeben, aber die Spiele gegen Unterhaching und Heidenheim waren alles andere als schlecht, lediglich das Ergebnis stimmte am Ende nicht. Andreas Bergmann hatte mit seinem Sportvorstand Uwe Vester eine Mannschaft geformt, die wieder für Begeisterung sorgte und die Laola-Wellen durch die Arena trieb.

Seit dem vergangenen Samstagnachmittag hat sich jedoch einiges geändert.

Die Angst vor einer erneuten Seuchensaison ist aus dem Nichts wieder aufgetaut, der noch vor einer Woche als „Trainer des Monats“ ausgezeichnete Andreas Bergmann sieht sich auf einmal mit harscher Kritik konfrontiert.

Dabei macht der derzeit gesundheitlich angeschlagene Trainer keine Umschweife, wenn es um die Niederlage vom vergangen Samstag geht: „Wenn man sechs zu null verliert, dann kann man daran nichts gut reden. So ein Ergebnis zieht einen  zunächst einfach runter.“ Dabei äußert sich die Kritik, die von einigen Fans und auch von einzelnen Medien (hinter vorgehaltener Hand) formuliert wird, auf zwei unterschiedlichen Ebenen.

Zum einen sind es die taktischen Umstellungen, die für nachträgliche Kritik sorgten. Bergmann hatte vom Krankenbett aus eine offensivere Ausrichtung angestrebt, den defensiven Grupe durch Offensivfigur Schünemann und Publikumsliebling Ioannidis durch den Startelfdebütanten Kucukovic ersetzt. Im Nachhinein Veränderungen, die den Darmstädtern in die Karten spielten. Das Mittelfeldzentrum, bestehend aus Leo Haas und Sascha Schünemann zeigte sich erschreckend  zweikampfschwach, Mustafa Kucukovic holte sich deutlich übermotiviert eine fragwürdige Rote Karte ab.

Doch dem Trainer die Hauptschuld für das Desaster zu attestieren ist zu eindimensional.

Denn in Wirklichkeit zeigte sich auch eine Qualität des 54-jährigen Bergmanns.Dieser hatte zum einen erkannt, dass Tommy Gruppe zwar körperliche Präsenz mitbringt, aber in der Spieleröffnung noch gravierende Schwächen aufweist. Schünemann sollte das Spiel flexibilisieren. Das Kucukovic seine Chance erhielt, hatte ebenfalls mehrere Gründe. Der Deutsch-Bosnier trainierte ausgesprochen gut und verdiente sich seinen Einsatz, zudem fiel Stammkraft Ioannidis gegen Dortmund durch ein hohes Maß an Eigensinnigkeit auf, was mehrfach vielversprechende Angriff-Situationen zerschlagen sollte. Die Veränderungen waren keinesfalls verzweifelte Experimente, sondern der Versuch, das zuletzt lahmende Spiel zu modifizieren.

Ein Fortschritt im Vergleich zum letzten Jahr, als Ex-Trainer Marc Fascher wenig von progressiven Ansätzen hielt. Diese Modifizierung ging zwar gründlich schief, wobei das Scheitern durch den unglücklichen Kucukovic-Platzverweis entscheidend katalysiert wurde.

Besonders perfide ist es jedoch, die durchaus berechtige sportliche Kritik auf eine persönliche Ebene zu hieven. Kernpunkt: Die Abwesenheit von Andreas Bergmann beim Spiel in Darmstadt. Dieser laborierte an einer schweren Erkältung, deren Anzeichen auch beim dienstäglichen Vormittagstraining nicht zu überhören waren. Chefcoach Bergmann „mangelnden Einsatzwillen“ zu bescheinigen, wirkt dagegen fast schon dreist. Gerade ein Trainertyp wie Bergmann, der kaum etwas höher lobt als das geschlossene Kollektiv, wird sicherlich nur äußerst ungern ein Spiel verpassen. Bei einem Sieg oder unentschieden, sehr wahrscheinlich auch bei einer knappen Niederlage, wäre der krankheitsbedingte Ausfall wohl kaum in diesem Umfang thematisiert worden.

Thematisiert werden müssen allerdings die Probleme auf dem Platz. Diese basieren hauptsächlich auf individuellen Fehlern, wie Bergmann rückblickend erklärt: „Vom Willen her mache ich meiner Mannschaft keinen Vorwurf. Aber sie hat sich alles mit individuellen Fehlern eingebrockt, teilweise waren katastrophale Patzer darunter. Wir haben Darmstadt, die mit breiter geschwellter Brust gespielt haben, immer wieder Öl ins Feuer gegossen.“ Zu viel harte Worte in Richtung seiner Mannschaft gab es allerdings nicht, wie der gebürtige Oldenburger darlegt: „Die jungen Kerle dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken. Sie müssen sich aufrichten und neuen Mut fassen.“

„Es war furchtbar“

Richtig zur Kraft traten die Probleme in der Abwehrarbeit jedoch erst mit der Verletzung von Milorad Pekovic. Der montenegrinische Nationalspieler fehlt derzeit an allen Ecken und Enden, seine Wichtigkeit wurde erst mit seiner Abwesenheit richtig deutlich. Der 36-jährige Defensivanker stieg gestern ins Lauftraining ein und gibt sich ein wenig optimistisch: „Ich habe jetzt meine ersten Läufe absolviert und ich hoffe, dass ich so schnell wie möglich ins Mannschaftstraining einsteigen kann“  und fügt hinzu: „Es ist schwer, wenn man draußen sitzt und der Mannschaft nicht unterstützen kann“.

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Gleiches Gefühl bringt auch sein Chef Andreas Bergmann zum Ausdruck: „Es war furchtbar, sich das von zu Hause aus ansehen zu müssen, weil einem die Hände gebunden waren. Besonders tat mir der Andi (Andreas Reinke, d. Red.) Leid. Er hätte sich seinen ersten Einsatz sicherlich erfolgreicher vorgestellt.“ Dabei ist bemerkbar, dass der ehemalige Bundesliga-Trainer versucht eine bessere Stimmung zu verbreiten und seine Aussagen mit einem gewissen Witz zu unterlegen.

Dies könnte bei der Aufarbeitung des jüngsten Debakels besonders wichtig werden. Die Niederlage lässt sich nicht rückgängig machen, das Versinken ins Selbstmitleid, sowohl bei den Protagonisten als auch bei den Fans, gelobt nur wenige Chancen auf Besserung. Den Blick  hingegen wieder aufzurichten, sich an die durchaus vorhandenen Erfolge des Saisonbeginns zu erinnern und dabei das Lächeln wieder zu finden, wirkt allemal erfolgsversprechender, als sich in Frustration und Demut zu winden.

In diesem Fall darf sich er Hanseat auch gern einmal an eine Lebensweisheit aus dem Ruhrpott erinnern: „Das Lebbe geht weiter.“

Foto: Sebastian Heger
Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.