Top

Finn Thomas: „Sie werden uns wieder hassen“

Das Date mit dem Saisonstart war in etwas so erfreulich wie ein Treffen mit Cindy aus Marzahn in der Sauna. BLOG-TRIFFT-BALL zog Neumünsters Kapitän Finn-Lasse Thomas zum Rapport und unterhielt sich mit dem 26-Jährigen über den Ligaauftakt, wo die derzeitigen Probleme liegen und wie er zum Trainer Ervin Lamce steht.

 

Finn Thomas, wie überrascht ist man in Neumünster vom Saisonstart?
Es nagt. Und wie. Wir haben uns das komplett anders vorgestellt. Ich bin jetzt im fünften Jahr beim VfR und es ist die schwerste Zeit seitdem.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Wir greifen mal einen Satz aus dem Vorgespräch auf. Da sagten Sie: „Wir dürfen den Kontakt nach oben nicht komplett verlieren.“ War das ernst gemeint?
Es bleibt mein Ziel oben mitzuspielen und nicht unten aus dem Keller zu kommen. Wieso soll ich von meinen Zielen abrücken? Sich zu verstecken ist doch der falsche Weg. Wir müssen den Hintern zusammenziehen, die Enttäuschung über den misslungenen Auftakt beiseite schieben und zusehen, dass wir wieder zum Erfolg kommen.

Gehen wir den Problemen dennoch einmal auf den Grund: Grob gefragt: Kann es sich irgendwer im Verein erklären, warum der Start so verkorkst wurde?
So richtig nicht. Aber es wird schon deutlich, wie viele Konzentrationsfehler wir derzeit machen. Das sind echt Kinderfehler. Wir haben eine junge Mannschaft, und die muss und soll auch Fehler machen, problematisch wird es dann nur, wenn auch erfahrene Leute, zu denen ich mich auch zähle, ebenfalls anfangen Fehler zu machen.

Mit zahlreichen, hochkarätigen Verpflichtungen baute der Verein Erfolgsdruck auf.
Offiziell hat ja niemand gesagt, dass wir nun unter die ersten Drei der Liga kommen müssen. Also ich spüre den Druck nicht. Ich weiß allerdings nicht, wie das bei den anderen ist. Die Liga nimmt uns durch die Transfers sicher anders wahr als vielleicht letztes Jahr, wo jeder wusste, dass es auf die Stöcker gibt, wenn der VfR kommt.

Tapas

Das Team wurde unterbewusst in eine Rolle gedrückt, die ihr gar nicht liegt.
Das denke ich nicht. Jeder spielt ja gerne mit guten Spielern zusammen. Und wir wollten uns ja auch steigern. Aber momentan muss ich ehrlich sagen, dass ich lieber schlecht spielen würde und dafür Punkte bekomme.

Neben den 13 Zugängen gingen auch 13 Spieler. Das Gesicht der Mannschaft ist weg.
Das Gros der Stammspieler ist ja trotzdem geblieben. Und es ist auch zu erkennen, dass wir an Qualität dazu gewonnen haben. Ich glaube die neuen Spieler wissen einfach noch nicht, worauf es in diesem Verein ankommt. Sie sind sich noch nicht bewusst, wie dieser Verein zuletzt erfolgreich war und woher er kommt. Das ist aber auch ganz normal.

Philipp Lahm sagte mal: „Man gibt ein System vor und holt systematisch Spieler dazu.“ Beide Eindrücke vermisst man derzeit beim VfR.
Eventuell hat man es unterschätzt 13 neue Leute einzubauen. Aber ob man nun vielleicht lieber punktuell verstärken hätte sollen, ist im Nachhinein müßig. Auch wenn es viele Spieler waren, wurden diese ja trotzdem gezielt geholt. Aber so manch einer weiß vielleicht noch nicht genau, was zu tun ist. Der Trainer redet viel mit uns, aber vielleicht hört der ein oder andere noch nicht genau zu.

Wie schätzen Sie die mentale Verfassung der Mannschaft ein?
Also ich rede mit vielen Spielern. Und wenn die mir sagen, dass es ihnen gut geht, dann muss ich das glauben. Ich persönlich sehe so eine Phase nichtsdestotrotz positiv und entwickle aus so einer Lage immer den Gedanken und die Kraft, wie viel Spaß es macht da wieder raus zu kommen.

In der Bundesliga würde nach so einem Start mit vier Niederlagen wohl eine kurzfristige PK anberaumt mit der Mitteilung einer Trainerentlassung.
Das sind die Gesetze im Fußball. Ich stimme zu, dass Impulse gesetzt werden müssen, aber diese sind von jedem einzelnen Spieler verlangt. Den Trainer als Schuldigen festzumachen ist falsch.  Auch die Fans stehen zu uns und hampeln nicht rum und rufen „Trainer raus“. Das zeigt, dass wir immer noch eine Familie sind.

Dann fragen wir anders: Schafft Ervin Lamce die Wende?
Wir sind am vierten Spieltag und haben noch ein Nachholspiel. Hier spricht niemand von einer Entlassung. Und außerdem sehe ich das Team in der Pflicht. Zur Frage: Letztes Jahr hatten wir auch knifflige Situationen und haben gemeinsam mit dem Trainer wieder in die Spur gefunden. Ich bin auch überhaupt nicht nervös, weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir da auch wieder raus kommen. Es wird auch wieder die Zeit kommen, wo uns alle hassen werden.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Jetzt kommt Victoria Hamburg. Darf die Journalie da vom ersten kleinen Endspiel schreiben?
Klar. Aber wir werden in das Spiel reingehen, da wird die alte Holztribüne umfallen, denn wir sind echt sauer. Ich habe mir das ein oder andere Spiel angeschaut und bin der Meinung, dass wir das auch schaffen und den ersten Auswärtssieg einfahren. Als Letzter sollte man zwar nicht so eine große Klappe haben, aber wir sind fit und bereit. Wir wollen unbedingt mal wieder den Platz mit einem Lächeln verlassen.

Sie wohnen in Hamburg. Spielen Sie am Sonntag auch bei einem möglichen neuen Arbeitgeber vor?
Es geht momentan nicht um mich, sondern um den Verein. Ich hasse es zu verlieren und werde mich für den VfR zerreißen.

 

Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.