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… Oliver Kahn, Zukunftssorgen und Hansa

Enrico Neitzel ist der beste Stürmer der Schönberger Vereinshistorie, stürmte in Erfurt, Lübeck und Emden. Mit 32-Jahren klappte es dann endlich mit einem Engagement bei Hansa Rostock. Verletzungen verhinderten jedoch größtenteils, dass der in Wolgast geborene Stürmer seinen Torriecher unter Beweis stellen konnte. Mit 36-Jahrem hängte Neitzel schließlich die Töppen an den Nagel. Bei BTB spricht der „Wahl-Rostocker“ über Oliver Kahn, Zukunftssorgen und seine zwei Jahre bei Hansa.

 

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Foto: sportfoto-luebeck.de

Hallo Herr Neitzel, ich gebe Ihnen zu Beginn drei Schlüsselworte: Schlussminute, Latte und Erfurt. Woran denken Sie?
Oh ja, damals die Relegationsspielgeschichte mit dem FC Schönberg. Wir hatten das Hinspiel gegen Erfurt mit 1:0 gewonnenen, lagen dann in Erfurt mit 1:3 zurück. Wir brauchten aufgrund der Auswärtstorregelung nur noch einen Treffer und in der Schlussminute hatte ich diesen dann auch auf dem Kopf, habe aber leider nur die Latte getroffen. Im direkten Gegenzug kriegen wir dann das 1:4. Es war natürlich ein sehr bitterer Moment. Aber auch auf die Partie konnten wir stolz sein, schließlich haben wir alles gegeben und trotz der langen Unterzahl ein gutes Spiel abgeliefert.

Als Abonnement-Landespokalsieger durften Sie regelmäßig im DFB-Pokal antreten, unter anderem gegen Bayern München.. Wie gerne hätten Sie dem Oliver Kahn einen eingeschenkt?
Ohne Frage hätte ich damals gern ein Tor gemacht, was jedoch leider nicht geklappt hat. Aber man hat damals wirklich gemerkt, dass Oliver Kahn ein Weltklasse-Torhüter war. Seine Präsenz auf dem Feld war schon sehr zu spüren. Rückblickend war das Spiel gegen die Bayern einer von vielen Höhepunkten in meiner Karriere.

Ein Jahr später gab es wieder ein besonderes Pokalspiel gegen Stuttgart. Da hat es mit einem Tor für Sie geklappt. Erzählen Sie mal.
Wir waren in der ersten Halbzeit klar besser als der VfB Stuttgart und haben schnell 2:2 geführt. In der zweiten Halbzeit ging uns dann die Luft aus und wir verloren in den Schlussminuten mit 2:4. Wir waren aber auch stehend k.o. Wir waren ja damals Amateure und haben von Beginn an alles gegeben und das war vielleicht ein Fehler, denn dadurch hat es am Ende einfach an der Kraft gefehlt. Zudem wurde der VfB von Felix Magath trainiert, also konnte man davon ausgehen, dass sie konditionell fit waren.

Blickt man auf Ihre Schönberger Zeit zurück: Viele denkwürdige Spiele, ein dramatisches Relegationsspiel in Erfurt und sagenhafte Tore. Hatte der Wechsel nach dem verpassten Aufstieg, ausgerechnet zu Erfurt, nicht einen Beigeschmack?
Ich hatte in Schönberg eine wunderbare Zeit. Ich konnte berufliche Grundlagen legen und konnte in einer guten Mannschaft viele Erfolge feiern. Für mich war der Wechsel nach Erfurt wie der Abschluss eines Kreises, der mit dem Nicht-Aufstieg mit Schönberg endete und mit Erfurt in der damals drittklassigen Regionalliga einen neuen Anfang nahm.

Mit Erfurt stiegen sie auf und spielten 2. Liga. Sitzt man lieber in der 2. Liga auf der Bank oder spielt man lieber Stamm in der 3. Liga?
Eine schwierige Frage. Auf der einen Seite besitzt man als Spieler den Anspruch, so hoch wie nur möglich zu spielen. Jedoch spielt man natürlich auch sehr gerne immer von Beginn an und will als Stürmer seine Tore machen. Ich persönlich würde mich dann aber für die 2. Liga entscheiden, mit dem Risiko auf der Bank zu landen. Man muss halt alles geben und versuchen sich reinzubeißen.

Viele Tore ebneten Ihren Weg über Lübeck und Emden nach Rostock. Ging mit der Unterschrift bei Hansa ein Traum in Erfüllung? Schließlich kommen Sie ja aus der Region.
Natürlich ist es etwas ganz Besonderes, beim wichtigsten und größten Verein der Region zu spielen. Gerade  mein relativ hohes Alter zu dem Zeitpunkt, ich glaube ich war 32, hat das Kapitel Hansa noch aufregender gemacht. Schade ist es, dass diese Zeit von einigen Verletzungen begleitet wurde.

Über das erste Jahr vereinbaren wir mal Stillschweigen: Das nächste Jahr begann dafür furios: Erstes Spiel, Startelf, ein Tor und eine Vorlage. Warum ging es nicht so weiter`?
Warum das nicht so weiter ging, kann ich nicht beurteilen. Ich denke, da müssen Sie Peter Vollmann befragen. Aber auch von der Bank aus, war der Aufstieg etwas ganz besonderes. Vor allem, weil wir die Schande aus dem Vorjahr korrigieren konnten. Aufstiege waren für mich das größte, Abstiege sind da das krasse Gegenteil und sehr schmerzhaft. Ich persönlich bin der Meinung, dass dieser Aufstieg vor allem durch unser hohes Gemeinschaftsgefühl begünstigt wurde. Klar, wir hatten tolle Einzelspieler. Aber wir waren einfach eine starke Einheit, die zusammengehalten hat. Auf und neben dem Platz.

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Sind Sie noch ab und an im Stadion?
Zuletzt war ich im Juni bei der A-Jugend im Stadion. Ich trainiere ja eine Nachwuchsmannschaft und bin daher am Wochenende immer gut ausgefüllt. Natürlich verfolge ich den FC Hansa über die Medien und werde bestimmt irgendwann wieder zu Hansa gehen.

Als Fußballprofi in den höchsten Ligen führt man ein Leben in Saus und Braus. Als Profi in unteren Ligen sieht es nicht so rosig aus. Welche Rolle spielten Zukunftsängste in Ihrem Fußballerleben?
Die sind natürlich zweifellos da. Wichtig ist es, davor nicht die Augen zu verschließen und sich nicht allzu sehr vom Traumberuf Fußballprofi vernebeln zu lassen. Trifft man entsprechende Vorkehrungen, wie zum Beispiel ich mit dem abgeschlossenen Abitur und der abgeschlossenen Ausbildung, dann findet man relativ leicht den Sprung zurück in den Alltag.

Wo wir bei der Zukunft sind: Was steht jetzt bei Ihnen an?
Ich arbeite wieder im kaufmännischen Bereich und trainiere eine Jugendmannschaft in Elmenhorst. Da mein Sohn dort spielt, bin ich dort sehr schnell involviert worden.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.