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Bastian Reinhardt: Der Neu-Niendorfer im Interview

In der 1. Bundesliga wurde Bastian Reinhardt über 160 Mal eingesetzt. Nach seiner aktiven Karriere war er auch mal Sportchef und Nachwuchsleiter beim Hamburger SV. Ab sofort gehört der 38-Jährige zum Trainerteam des Oberligisten Niendorfer TSV. Wir sprachen mit Reinhardt über die neue Aufgabe, Problemzonen des HSV und warum der Ex-Arbeitgeber nicht alles falsch macht …

Foto: hammoniaview.de

 

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Herr Reinhardt, Stefan Schnoor fußballte vor geraumer Zeit nochmal bei Germania Schnelsen los. Wie sehr juckt’s bei Ihnen noch? Immerhin sagt man Ihnen nach wie vor eine exzellente Fitness nach.
Ernsthafte Pläne wieder aktiv Fußball zu spielen gibt es nicht. Mein letztes Bundesligaspiel habe ich vor 4 Jahren gemacht, und damit habe ich das Thema abgeschlossen. Nur im allergrößten Notfall würde ich vielleicht nochmal aushelfen. Aber jedes Wochenende auf dem Platz zu stehen, das muss ich nicht mehr haben.

Dafür überraschen Sie mit ihrem Engagement in Niendorf – Liga 5. Wie kam es dazu?
Ich habe mich sehr intensiv mit dem Angebot beschäftigt und bin dann zu dem Entschluss gekommen, dass ich dieses Angebot nicht ablehnen kann. Eine wichtige Rolle hat dabei natürlich Marcus Scholz gespielt, den ich aus vielen gemeinsamen Jahren beim HSV kenne.

Was reizt Sie denn am Oberligisten Niendorfer TSV?
Ich habe zuletzt meine B-Lizenz gemacht und möchte nun Erfahrungen sammeln um den Weg als Trainer weiter verfolgen zu können. Es ist vereinbart, dass ich Trainingseinheiten leiten darf und als Co-Trainer habe ich zudem die zeitlichen Kapazitäten um auch bei anderen Vereinen hospitieren zu können. Zum anderen hat für Niendorf die hervorragende Nachwuchsarbeit und der lokale Bezugspunkt eine wichtige Rolle gespielt. Und ich bin vor kurzem erst Vater geworden und wollte dadurch in jedem Fall in Hamburg bleiben.

Hat Sie die vakante Co-Trainer Position bei Hansa Rostock gereizt? Schließlich sind sie ja gebürtiger Mecklenburger.
Da muss ich ehrlich sagen, dass ich gar nicht wusste dass diese Position frei ist. Sicherlich klingt die Aufgabe interessant, doch glaube ich, dass diese aktuell zu hoch angesiedelt wäre. Was Rostock natürlich besonders interessant macht, ist die Jugendarbeit, die da geleistet wird. Da setzen sie ein Stück weit ja noch immer auf die Strukturen von früher.

Sie durchliefen selber die Kinder-Jugendsportschule in Magdeburg. Befürworten Sie eigentlich die Leistungssportförderung von einst oder war der DDR-Drill übertrieben?
Im Jugendbereich waren sehr gute Strukturen da. Damit meine ich vor allem die Sportschulen. Die Verknüpfung Schule und Ausbildung war nahezu optimal, da Talente sehr früh entdeckt und intensiv gefördert wurden. Und: Da Schule und Sportstätte an einem Ort waren, konnte sich jeder Sportler ideal auf Wettkämpfe vorbereiten. Das hat sich früher oder später immer ausgezahlt.

Sie haben einige Zeit als Jugendkoordinator in Hamburg gearbeitet. Was sagen sie zur dauerhaften Kritik an der Nachwuchsförderung?
Es ist ja beim Hamburger SV nicht neu, das alles und jeder kritisiert wird. Mich hat damals sehr gestört, dass die Kritik am Nachwuchsbereich völlig unangemessen war. Wir haben dort sehr gute Arbeit geleistet. Ich bin ja jeder Zeit offen für Verbesserungsvorschläge, sie sind ja wichtig für die Entwicklungsarbeit, aber Kritik sollte fundiert sein und nicht einfach pauschal in die Debatte geworfen werden. Beim HSV war es so, das Personen sich eingemischt haben, die ich vorher nie im Jugendbereich gesehen habe und die sich nie ein Bild davon gemacht haben.

Was ist denn gut am HSV-Nachwuchs?
In der Zeit wo ich da war, haben alle Trainer einen guten Job gemacht und die vorgegebene Philosophie umgesetzt. Nicht umsonst haben wir bei der aktuellen Zertifizierung der Leistungszentren ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Tah, Son, Öztunali und Beister haben erst kürzlich den Sprung in den Profibereich geschafft. Ihre Namen und einige mehr stehen für Resultate. Insofern finde ich die pauschale Kritik ‚Die Nachwuchsarbeit beim HSV ist schlecht‘ völlig unberechtigt. Es sind dort viele gut ausgebildete Trainer am Werk, die die Jungs täglich voranbringen. Das Problem ist nicht die Nachwuchsarbeit, sondern die Strategie des Vereins im Umgang mit der Jugendarbeit.

Wir halten fest: Talente beim HSV erhalten keine echte Chance.
Deswegen hoffe ich ja auch, dass Jonathan Tah ein Türöffner ist. Es ist toll zu sehen wie er seinen Weg geht und welche Rolle er innerhalb der Mannschaft einnimmt. Das zeigt, dass es sich lohnt auf junge Spieler zu setzen. Gerade wenn das Geld nicht da ist, können sich auch finanziell daraus wirtschaftliche Vorteile für den Verein ergeben.

Sie sprechen die schwierige finanzielle Lage an. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Erst einmal kommt das für mich nicht überraschend. Ich weiß aus meiner Zeit als Vorstandsmitglied wie rot die Zahlen damals schon waren. Allerdings muss ich sagen, dass ich eine seriöse Kritik aus meiner derzeitigen Stellung nicht abgeben kann, da ich momentan nicht mehr involviert bin. Aber nur so viel: Es hilft dem HSV nicht weiter, wenn man sich weiterhin nur noch auf die große Tradition beruft. Es bedarf einer Modernisierung innerhalb des Vereins und es stimmt mich positiv, dass dementsprechende Konzepte da sind.

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Also Daumen hoch für HSVplus?
Ich denke es gibt neben dem HSVplus-Konzept auch einige andere Strategiepapiere die einen ähnlichen Weg gehen. Letztendlich ist aber HSVplus aus meiner Sicht das Beste.

Welche Vorsätze haben Sie für dieses Jahr gefasst?
Ich möchte in Niendorf gute Arbeit leisten und einen guten Einstieg in den Trainerberuf finden. Diesen Weg möchte ich mit aller Konsequenz verfolgen. Für den HSV wünsche ich mir, dass sich der Verein für die notwendige Schritte öffnet. Ich selber sehe die schlechte Hinrunde dabei eher als Chance. Jeder muss spätestens jetzt erkannt haben, das es einer großen Veränderung bedarf.

Und mit Ihrer Verpflichtung beim Niendorfer TSV ist der Aufstieg in die Regionalliga wohl Pflicht, oder?
Der Verein möchte mit vielen jungen Leuten eine gute Rolle in der Hamburger Oberliga spielen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zudem wäre es an der Realität vorbei, wenn plötzlich jemand sagt: Wir müssen jetzt mal aufsteigen. Allen ist klar, dass gerade beim NTSV die Jugendarbeit eine außerordentliche Rolle einnimmt und wir in Zukunft noch mehr darauf bauen wollen. Sollte in ein paar Jahren ein Aufstieg sportlich erreicht werden, und die Umstände sind günstig, dann wird sich aber auch in Niendorf keiner gegen die Regionalliga wehren.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.