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Der Stiernacken: 465 Wörter über Slobodan Rajkovic

Text: Martin Sonnleitner
Foto: Olaf Damm

Ob Slobodan Rajkovic sich vor dem 100. Nordklassiker zwischen HSV und Werder mit den historischen Besonderheiten dieses Derbys beschäftigt und sich eingehend mit der sogenannten Bremer Texas-Elf aus den 50er Jahren auseinandergesetzt hat, ist nicht überliefert. Obwohl der 25-jährige serbische Innenverteidiger fit ist, körperlich wie mental.

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Rajkovic ist ein Kämpfer, ein Hüne von einem Kerl, der wohl auch über ein gutes Nervenkostüm verfügt. Ansonsten hätte er den heftigen persönlichen Parforceritt in zweieinhalb Jahren Hamburg wohl kaum überstanden.

Wochen der Wahrheit

Doch während die ehemalige Bremer Elf nach einer Zigarettenmarke des damaligen Sponsors benannt wurde, gehörte „Boban“, wie sie Rajkovic rufen, zur Arnesen-Connection. Der ehemalige Sportchef des HSV karrte eine Faust junger, ausrangierter Spieler von seinem vorherigen Klub Chelsea London an. Sie erhielten beim damals schon verschuldeten, aber völlig außer Rand und Band mit Zaster um sich schmeißenden Klub mit der Raute gute Verträge.

Rajkovic unterschrieb bis 2015, kassiert dafür rund zwei Millionen Euro pro Jahr.

Doch der Hochgelobte, sein erster HSV-Coach Michael Oenning sagte über ihn: „Wir brauchen Leute, die sich wehren“, geriet am Volkspark alsbald in die Megakrise. So fiel der 1,91 Meter große und 88 Kilo schwere Paradeathlet mit dem Bauarbeiterkreuz eher durch holziges Spiel auf. Im Herbst 2013 brannten ihm dann gegen den 1. FC Kaiserslautern die Nerven durch und er flog wegen rüden Foulspiels vom Platz. Kurz darauf folgte eine Trainingsprügelei mit seinem Teamkollegen Heung Min Son, Oennings Nachfolger Thorsten Fink schmiss „Boban“ kurzerhand aus dem Kader. Son dagegen durfte im Team bleiben, avancierte zum Star und wurde teuer im Sommer an Leverkusen verkauft.

Rajkovic zeigte seine schlimme Seite, ätzte öffentlich gegen Fink, der ihn dauerhaft zu den HSV-Amateuren verbannte.  „Fink hätte mir seine Entscheidung wie ein Mann mitteilen können und sie nicht wie ein Mädchen über Zeitungen lancieren müssen“, pöbelte er.

Nach einem halben Jahr wurde er rehabilitiert und durfte wieder zu den Profis. Wirklich sein Glück fand Rajkovic dort jedoch nicht, auch der jetzige Sportdirektor Oliver Kreuzer wollte ihn im Sommer verkaufen, was misslang.

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Mirko Slomka hingegen sagte vor dem 3:0-Sieg gegen Dortmund der Vorwoche, der den HSV wieder Morgenluft schnuppern lässt: „Rajkovic macht einen sehr aggressiven Eindruck und ist im Training sehr konzentriert bei der Sache“ und setzte ihn ein.

Der Mann mit dem Stiernacken stand wie eine Bank, ging keinem Zweikampf aus dem Weg, einmal rammte er bei einem Luftkampf sogar Mitspieler und Kontrahenten auf einmal um.

„Boban“ blieb stehen. Mut macht auch, dass er sich traute öffnende Pässe zu spielen. Aus Rajkovic wird kein derwischartiger Filou am Ball, doch auch die Pässe über drei bis zehn Meter müssen selbstbewusst und schnell gespielt werden und vor allem ankommen. Rajkovic wurde somit – Stand jetzt – zum Sinnbild eines wieder in der Spur agierenden HSV.

Martin Sonnleitner

Sonnleitner ist seit 38 Jahren mit dem HSV verbunden, seit zwölf Jahren Rothosen-Reporter. Versucht mit Inbrunst zu trennen zwischen Herzblut und Expertise. Lieblingsspieler: Peter Nogly und Schorsch Volkert. Abstrahiert auch gerne mal den Fußball-Boulevard.