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Eichedes Zapel: „Wir stehen im warmen Regen“

Der SV Eichede war schon einmal besser drauf. Zuletzt gab es 15-mal keinen Sieg. Grund genug für BLOG-TRIFFT-BALL mit Trainer Oliver Zapel auf Spurensuche zu gehen. Dabei sprach BTB mit dem Trainer auch über seine Zukunft im schönsten Fußballdorf Deutschlands.

Foto: hammoniaview.de

 

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Oliver Zapel, warum sind Sie das Schlusslicht der Regionalliga Nord?
Da könnte man sicherlich viel erzählen. Ich mache es aber bewusst kurz: Weil wir 15 Spiele in Folge nicht gewonnen haben.

Wieso bricht man denn nach stabilem Saisonauftakt dermaßen ein?
Ich glaube dafür muss man sich in die Psyche der Mannschaft hineinversetzen. Viele erleben es das erste Mal in ihrem Fußballerleben nicht auf der Sonnenseite zu stehen. Früher waren die Spieler nämlich meist in unteren Spielklassen und dort in den besseren Mannschaften, haben eher 15-mal in Serie gewonnen. Doch auch das Verlieren muss gelernt sein, man muss auch in diesen Phasen sein Selbstbewusstsein wahren, aus den Fehlern lernen und sich auf das Wesentliche fokussieren. Besonders unsere Defensive hat jedoch extrem mit ihrem Nervenkostüm zu kämpfen.

Das erklärt mehr die aktuelle Situation. Wo sehen Sie die Gründe für den Absturz?
Ich glaube dass die Mannschaft zwischenzeitlich übermütig geworden und von unserem ursprünglich geplanten Weg abgekommen ist. Natürlich kann man eine gewisse Hybris nach einem so euphorischen Aufstieg verstehen. Das hilft beim Start in eine höherklassige Liga zunächst auch. Aber dann wird es gefährlich, nach unserem starken Siegen setzte ein Denkfehler ein. Viele Jungs dachten ganz naiv: „Das geht jetzt ewig so weiter.“ Da konnten wir im Vereinen mahnen wir wie wollen. Als dann die von uns erwarteten Rückschläge kamen, war die Fallhöhe für die Akteure natürlich deutlich höher geworden. Und auf der Suche nach dem Fallschirm befinden wir uns immer noch.

Sind es rein mentale Probleme, oder spielen auch andere Faktoren eine Rolle?
Natürlich sind auch andere Komponenten zu beachten. Beispielsweise die Umstellungen im Trainingsbereich. Von 3,4 Trainings auf 5,6 in der Woche, dass haben einige Spiele anfangs sehr gut verkraftet und sich dadurch konditionell erheblich verbessert, bei anderen, die nach und nach den hohen Aufwand nicht mehr stemmen konnten, führte der Weg aber in die entgegengesetzte Richtung. Das hat uns gerade zum Ende der Hinrunde sehr stark erwischt. Auch die damit einhergehenden Verletzungssorgen waren spürbar, dass alleine vier Schambeinentzündungen dabei waren projiziert noch einmal auf die höheren Trainingsbelastungen. Allerdings sind wir in Eichede nicht auf der Suche nach Alibis. Auch ohne die Verletzungsprobleme haben wir realistisch betrachtet nicht die ganz große individuelle Qualität in der Liga, sind im direkten Vergleich mit fast allen Konkurrenten auf vielen Positionen deutlich unterlegen. Wir haben nur eine legitime Chance, wenn wir in Top-Besetzung und kollektiv gut präpariert auflaufen.

Was macht Sie trotz der Serie zuversichtlich auf den Klassenerhalt bezogen?
Zum einen die Einstellung der Mannschaft. Sie versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles. Jeder setzt sich kritisch mit der eigenen Entwicklung auseinander. Auch wenn der Großteil der Truppe aus unterschiedlichen Gründen seit Wochen nur auf drei Trainingseinheiten in der Woche kommt, so wird zumindest diese Zeit hochintensiv genutzt. Des Weiteren ist es ja nun auch wahrlich nicht so, als würden wir enttäuschende Leistungen bringen. Mit Ausnahme des abgeschenkten Spiels in Wolfsburg waren wir jedem Gegner ebenbürtig. Es fehlt der entscheidende Punch. Ein Sieg in unserer aktuellen Situation könnte Wunder bewirken.

Welche Rolle spielen die Transferaktivitäten in ihrem Optimismus?
Zunächst einmal müssen wir ja bekennen, dass wir die Verpflichtungen zu spät vorgenommen haben. Wir haben einige Spieler, die dann auch noch sehr lange mit ihren Entscheidungen gezögert haben, erst am Ende der Transferperiode geholt und damit auf kurzfristige Ausfälle reagiert, deshalb fehlte uns die Zeit um diese Spieler noch vor dem Rückrundenauftakt in die Mannschaft zu integrieren. Dazu gehört übrigens auch, die Spieler in eine gute physische Konstitution zu bringen. Durch den verspäteten Zeitpunkt der Transferaktivitäten muss man diese auch unabhängig vom Spielerpotenzial als Risikoverpflichtung deklarieren. Allerdings, so ist mein ganz persönlicher Eindruck, sind einige Neuerwerbungen kurz davor sich vollständig akklimatisiert zu haben. Dieser Input könnte wichtig für die kommenden Wochen sein.

Der Kader wirkt durch die Neuverpflichtungen sehr aufgebläht. Ist ein professionelles Arbeiten überhaupt möglich?
Es ist ja hinlänglich bekannt, dass wir aus einem großen 45-Mann Kader, der derzeit übrigens aus gerade einmal 32 einsetzbaren Spielern besteht, zwei Mannschaften aufstellen. Das ist für uns aber notwendig, da unsere beiden Mannschaften ja in der 4. und 5. Liga spielen, wir als Dorfverein aber keine großen Ressourcen für ein komplett autarkes zweites Trainer- und Betreuerteam haben. Die 2. Mannschaft in der Schleswig-Holstein Liga ist für uns aber aus mehreren Gründen wichtig. Als erste Adresse für Talente aus der A-Jugend, aber auch als Auffangbecken für die Ersatzspieler aus der 1. Mannschaft. Um auf die Frage zurückzukommen: Natürlich ist es für mich als Cheftrainer in doppelter Funktion aufwendig und bindet wertvolle Ressourcen. Zwei Mannschaften auf diesem Niveau zu managen ist ohne jeden Zweifel eine Mammutaufgabe, da ich ja zudem den Anspruch pflege, jedem Spieler auch eine faire individuelle Betreuung zukommen zu lassen. Wir gehen diesen Weg aber weiter, denn was im letzten Jahr blendend funktionierte und im Doppelaufstieg beider Mannschaften endete, kann ein Jahr später nicht wieder schlecht sein und ad acta gelegt werden.

Markus Weinzierl machte es im Abstiegskampf in Augsburg vor. Er strich die Mannschaft auf einen eingeschworenen Kreis zusammen und hatte Erfolg. Beschäftigen Sie sich mit solch rigiden Maßnahmen?
Nein. Es würde das von uns aufgebaute und zu großen Teilen auch in dieser Saison sehr erfolgreiche Konzept über den Haufen werden.

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Bei einem Abstieg der Ersten müsste aber auch die Zweite runter.
Das ist richtig. Aber schauen Sie doch mal: Wir sind in Eichede ein kleiner, bodenständiger Verein. Nur weil uns auf höchstem Niveau in der Regionalliga gerade eine Hand voll Punkte fehlen, werfen wir nicht unsere Philosophie komplett über den Haufen. Wir ordnen nicht alles den Klassenerhalt unter, wir wollen Strukturen festigen und junge Spieler weiter entwickeln. Für den Verein ist es eines der schönste Vereinsjahre, es macht uns stolz in der Regionalliga antreten zu dürfen. Spiele wie zuletzt gegen den Nachwuchs vom HSV vor über 1000 Fans zeigen doch auch, dass unsere Fans dem Klub treu zur Seite stehen. Wir stehen sozusagen mit unserem zarten Pflänzlein, das gerade erst zu wachsen beginnt, im warmen Regen.

Was würde ein Abstieg perspektivisch für Sie bedeuten?
Wir haben meinen Vertrag in der guten Phase verlängert. An seinem Bestand wird auch ein Abstieg nichts ändern, da es nichts an unseren Grundsätzen verändern würde. Wir wissen doch wie man aufsteigt und wie die  vierte Liga im Rahmen unserer Möglichkeiten zu organisieren ist. Es wäre also unser Ziel schnellstmöglich wieder aufzusteigen und wir sind uns bewusst, dass dieses zwar schwer wird, aber absolut möglich ist. Das heißt nicht dass wir uns jetzt dem Abstieg ergeben werden, denn wir werden weiterhin Woche für Woche um jeden Punkt kämpfen. Es soll aber ausdrücken, dass in Eichede nicht alles zusammenbrechen wird, wenn der bestimmte Fall eintritt. Uns war nämlich schon vor Saisonstart klar, dass der Wiederabstieg ein denkbares Szenario ist.

Heißt zusammengefasst: Sie bleiben auch bei Abstieg in Eichede?
Definitiv.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.