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Rückblick: Wie Schehr die Rothosen rettete

von Martin Sonnleitner

Ralf Schehr wollt doch nur rechtzeitig wieder Zuhause sein, nach dem Auswärtsspiel bei Fortuna Düsseldorf der Saison 1996/97. Es war der letzte Spieltag gewesen. Bereits in der Vorwoche waren die Rothosen gerettet gewesen, mit Schehr als Interimstrainer. Auf der Pressekonferenz sagte er dann diesen Satz, der ihm bis heute nachhängt: „Ich bin glücklich darüber, dass ich der einzige ungeschlagene Bundesliga-Trainer bleibe.“ Grund: Schehr coachte den HSV genau zweimal, hatte vor dem 33. Spieltag den glücklosen Felix Magath abgelöst.

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Das Heimspiel zuvor gegen den BVB sollte zum Showdown zweier ungleicher Gegner werden: Hier die vor sich hin dümpelnden Hamburger, mit Magath zwar im Vorjahr Fünfter geworden, doch nun vor sich hin siechend. Ein Kader, nicht Fisch nicht Fleisch, ein Trainer, der als Schleifer und Kondtionsbolzer galt, zwischenmenschlich recht ungenießbar, später aber immerhin Meistertrainer in München und Wolfsburg. „Ich musste nicht viel machen, außer für gute Stimmung sorgen“, blickt Schehr heute zurück. Das Team war wie alle Magath-Mannschaften körperlich und taktisch also fit. Dort Schwarz-Gelb nur wenige Tage vor dem größten Triumph der Vereinsgeschichte, dem Champions League-Sieg gegen Juventus Turin.

Doch der HSV vernaschte die Dortmunder, die später trotz der 1:2-Niederlage im Volksparkstadion Zweiter hinter Meister Bayern wurden. Matchwinner war mit zwei Treffern Dirk Weetendorf gewesen, eigentlich eher Ersatzstürmer im Kader. Kurz vor der Pause verwertete er eine Flanke Rodolfo Cardosos auf den zweiten Pfosten per Kopf und ließ dabei Nationalverteidiger Jürgen Kohler als Statisten zurück. Heiko Herrlich konnte für Dortmund ausgleichen (52.), bevor abermals Weetendorf (73.) zum Sieg einschädelte. Schnell hatte dieser den Spitznamen Horst-Uwe weg, was ihm in aller Bescheidenheit nicht so ganz behagte.

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Auch Schehr, der als Trainer von den HSV-Amateuren und als Jugendkoordinator gekommen war, blieb auf dem Teppich. Heute sagt der Trainer der HSV-Frauen: „Es ist eher eine komische Statistik und hat überhaupt keine Bedeutung für mich.“ Dass der HSV die Abstiegsränge verlassen hatte, sei hingegen „keine Kleinigkeit“ gewesen.  Der Jubel war grenzenlos, Weetendorf musste sich nach der Partie vor der damals noch sehr wilden Westkurve von den frenetisch feiernden Fans eine halbe Stunde abfeiern lassen. „In der Kabine gab es zwei Kisten Bier“, lacht Schehr heute über den gelungenen Nichtabstieg.

Der Frage, ob er denn gerne Cheftrainer geblieben wäre – ab der folgenden Saison begann die über vierjährige Ära von Frank Pagelsdorf – weicht Schehr ein wenig aus: „Ich wäre gerne Assistenztrainer von Pagelsdorf geworden, hatte aber nach dem Klassenerhalt eine zu große Lobby.“ Pagelsdorf wollte also nicht.

Zum Geburtstag ist Schehr dann nach dem Düsseldorf-Kick, der 1:1 ausging, auch noch pünktlich gekommen. Schehr: „Wir sind sowieso nach Düsseldorf gefahren, wie andere zur Butterfahrt.“

Martin Sonnleitner

Sonnleitner ist seit 38 Jahren mit dem HSV verbunden, seit zwölf Jahren Rothosen-Reporter. Versucht mit Inbrunst zu trennen zwischen Herzblut und Expertise. Lieblingsspieler: Peter Nogly und Schorsch Volkert. Abstrahiert auch gerne mal den Fußball-Boulevard.