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Das Kieler Vorbild

Bei der KSV Holstein war vor einer guten Woche noch alles in bester  Ordnung. Den Klassenerhalt aus eigener Kraft bei den starken Darmstädtern eingetütet, dazu den guten Saisonabschluss mit dem Landespokalsieg gegen Weiche Flensburg veredelt. Doch dann platzte der Bornemann-Abschied in die Kieler Hochstimmung. In Kiel geht man dennoch gelassen mit dem Sprachlos-Wechsel um.

Fotos: calcio-culinaria.de

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Der FSV Mainz 05 machte es vor, wie es nicht geht. Als Thomas Tuchel den Klub bereits im Januar über seine Abschiedspläne informierte, schaltete der Verein aufgrund eines ausstehenden Vertragsjahres auf stur. Die Erfolge und das nach Außen hin meist besonnene Auftreten des charismatischen Jungtrainers vermochten an der Sturheit der Mainzer Verantwortlichen nicht viel zu ändern. Der kommende Europa-League Teilnehmer pochte auf das eine Vertragsjahr und stellte sich somit dem möglichen Perspektiven ihres Erfolgstrainers in den Weg. Eben jener Klub hatte Aufstiegstrainer und Tuchel-Vorgänger Jörn Andersen übrigens 2009 vor Saisonbeginn trotz laufenden Vertrages geschasst. Die gängigen Mechanismen im Trainergeschäft sagen die einen, als „bigott“ bewerten die anderen nun das Verhalten der Mainzer Verantwortlichen.

Dass es auch anders geht, bewies in den letzten Tagen die KSV Holstein Kiel. Der Klub von der Förde, der mit einem bravourösen 3:1 beim Neuzweitligisten aus Darmstadt den Klassenerhalt letztlich aus eigener Kraft festzurrte und einige Tage später durch den Elfmeter-Triumph gegen Weiche Flensburg das DFB-Pokal Ticket löste, ging mit dem Abgangswunsch von Andreas Bornemann maximal sportlich um.

Dieser hatte nämlich Geschäftsführer Wolfgang Schwenke zunächst nicht über ein Fürther Angebot informiert, sondern ihn direkt mit seiner Entscheidung für Fürth konfrontiert. Schwenke, der im Führungsduo der Kieler die Rolle des Finanzexperten ausführt, hegt deshalb aber noch lange keinen Groll gegen seinen einstigen Partner: „Wissen Sie, wir haben vor viereinhalb Jahren als Kollegen angefangen und beenden unsere Zusammenarbeit nun als Freunde.“, lässt Schwenke ausrichten.

Dabei verzichteten die Kieler Verantwortlichen in den vereinsführenden Gremien nicht nur auf den Widerstand gegen den Entschluss ihres Sportlichen Leiters, sondern kamen ihm sogar entgegen. So verzichteten die Kieler auf eine mögliche Ablösesumme von Fürther Seite, um den Wechsel ihres langjährigen Erfolgmanagers nicht in Gefahr zu bringen. Der Aufsichtsrat trug dabei die Auflösung des laufenden Bornemann-Kontrakts mit.Geschäftsführer Schwenke erklärt verständnisvoll: „Ich glaube jeder erkennt die Chance, die Andreas Bornemann in Fürth geboten bekommt. Wenn man sich die erfolgreiche Arbeit von ihm anschaut, die er hier in den vergangenen Jahren geleistet hat, dann wäre es noch ein Zeichen von großer Undankbarkeit wenn man ihm dieser Chance berauben würde.“

Worte, die in Anbetracht der tiefen, sehr oft auch emotional geschaufelten Gräben im Fußballgeschäft, vermeintlich nicht zu einem Profiverein passen. Aber in Kiel ist das anders, das lehrten bereits die Vormonate. Trotz sportlicher Krise, die sich kurzeitig sogar auf einem höchstbedrohlichen Abstiegsplatz inszenierte, blieb es im Kieler Umfeld stets ruhig. Zur Schau getragene Machtkämpfe, öffentliche Zerwürfnisse im Vorstand und der oftmals dilettantische Umgang mit kriselnden Trainern waren an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste keine Bestandteile der täglichen Arbeit. Ein Resultat der klaren Rollenverteilung, in der sich beide Parts an ihren Aufgaben orientieren. Einen Geschäftsführer, der den absoluten  Fußballexperten mimen möchte und dadurch Einfluss auf die sportliche Direktive nimmt, findet man bei den Störchen jedenfalls nicht.
Aufgrund dieser Vertrauensbasis, die sich fernab von Skandalen und Nebengeräuschen gebildet hat, überrascht es wenig, dass der aus Kiel scheidende Bornemann auf den fairen Umgang in den Führungsetagen des Drittligisten baute. Wo sich andere Protagonisten durch Instrumentalisierung der Medien  bereits im Vorfeld öffentlich für einen Abschied positionieren, hielte sich der künftige Fürther zum Wohle des Vereins bedeckt.

Obwohl Bornemann trotz der prekären Tabellensituation stets mit den Medien kommunizierte, waren kaum Anzeichen auf eine baldigen Abschied zu vernehmen. Allenfalls interpretativ lassen sich im Nachhinein Indizien erkennen. Zum Beispiel, als der 42-Jährige im Interview mit BLOG-TRIFFT-BALL rückblickend betrachtet sehr ausweichend auf die Frage antwortete, ob er Holstein Kiel auch im Abstiegsfall zur Verfügung stehen würde: „Ich beschäftige mich mit der Option Regionalliga nur in so weit, dass wir für den Worst-Case die Lizenz beantragt haben. Ich selber denke optimistisch nur an das letzte Spiel und den einen Punkt den wir in Darmstadt brauchen, als auch an das Landespokalfinale eine Woche später. Andere Szenarien spielen momentan für mich keine Rolle und nichts anderes erwarte ich auch von der Mannschaft.“

Dass Bornemann zu diesem Zeitpunkt bereits einige Wochen mit Greuther Fürth kommunizierte, ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand. Dass im Hinblick auf die strapaziöse Situation der Kieler nichts nach außen drang, spricht ebenfalls für die verhandelnden Parteien. Wer weiß schließlich, welche Folgen aus einer medialen Aufdeckung entstanden wären.

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Dazu kommt, dass Bornemann trotz seines bekanntgegebenen Wechsel ins Frankenland seine operativen Geschäfte in Kiel noch drei Wochen fortführen wird. Dies soll laut Bornemann „einen sauberen Abgang“ gewährleisten. Was keineswegs selbstverständlich ist, erweist sich für die Kieler als Vorteil im doppelten Sinn. Der Kader für die kommende Saison, der in den nächsten Wochen die notwendigen Nachjustierungen erfahren soll, wird auch von Bornemann federführend mitgestaltet. Das ist nicht nur sportlich gut, sondern verschafft der Kieler Sportvereinigung die nötige Zeit für den die Neubesetzung der vakanten Position.

Ein Alleingang von Schwenke ist dabei nicht zu erwarten. Er, der am Wochenende die Sensations-Meisterschaft seines ehemaligen Klubs vom THW feierte, wird sich bei der Suche mit allen wichtigen Institutionen der sportlichen Direktive auseinandersetzen. Sowohl Cheftrainer Karsten Neitzel , als auch Nachwuchsleistungszentrum-Chef Fabian Müller werden in den Entscheidungsprozess involviert. Schwenke bestätigt: „Es wird eine Teamentscheidung geben. Schließlich muss nicht nur ich mit dem neuen sportlichen Verantwortlichen zusammenarbeiten können, sondern auch meine Mitverantwortlichen.“

Dabei steht jedoch bereits jetzt fest, dass die Kieler an ihrem klaren Rollenkonzept mitsamt der klaren Diffenrenzierung zwischen dem Sport und den Finanzen beibehalten wird. Der loyale Umgang mit dem scheidenden Bornemann und das ruhige, aber dennoch ambitionierte Vereinsumfeld werden mit Sicherheit den einen oder anderen Kandidaten anlocken. So könnte sich die Kieler Strategie im Umgang mit dem abwanderungsgewillten Andreas Bornemann nicht nur als höchstfair gegenüber einem langjährigen Macher im Verein erweisen, sondern gleichzeitig einen Trumpf in der Nachfolgerakquise darstellen.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.