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Der Mecklenburger, der mit Klinsmann kann.

In Grevesmühlen geboren, in Schönberg aufgewachsen, darf sich Heiko Oldörp (der schicke Kerl in der Bildmitte) seit sieben Jahren MV-Export nennen. Der Journalist, der die US-amerikanische Sport-Korrespondenz der DPA in Boston vertritt und als „freischaffender“ Journalist für Spiegel & Co unterwegs ist, berichtet aus Brasilien über das US-Team. Wir sprachen mit dem früheren Torwart des FC Schönberg 95 vor dem Duell um den Gruppensieg.

 

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Hallo Heiko, für Dich naht ja ein ganz besonderes Spiel. Wo liegen morgen Deine Sympathien?
Die sind momentan noch sehr geteilt. Grundsätzlich bin ich für Deutschland, aber in meinen USA-Jahren habe ich schon eine gewisse Beziehung zum Land aufgebaut. Dazu kommt, dass meine Frau US-Amerikanerin ist und unser Sohn ebenfalls in den Staaten geboren ist. Deshalb ist es sicherlich nicht verwegen, wenn ich sage, dass ich beide Mannschaften unterstütze.

Du hast demzufolge aufregende Tage erlebt. Wie fällt Dein Fazit nach fast zwei WM-Wochen aus?
Sehr unterschiedlich. Auf der deutschen Seite läuft ja derzeit alles mehr oder weniger geplant. Wirklich aufgeregt bin ich, was das angeht, immer noch nicht. Eben weil man ja als Fan der Deutschen Nationalmannschaft von Erfolgen verwöhnt ist und die Weltmeisterschaft gefühlsmäßig erst im Viertelfinale anfängt. Bei den USA ist es etwas anders. Da geht es bereits jetzt um sehr viel. Dazu gefällt mir die Art, mit der die Amerikaner bisher auftreten. Da steckt ein Willen dahinter, der beeindruckend ist.

Du begleitest die US-Boys seit einigen Jahren? Hast Du so eine Leistung erwartet?
Im Vorfeld war zu erahnen, dass die Mannschaft körperlich einiges an Pensum aufgebaut hat. Wie viel das letztlich wert ist, erkennt man jedoch erst unter Wettbewerbsbedingungen. Ich muss zugeben, selbst vor dem Spiel gegen Ghana war ich mir nicht sicher – weil ich nicht wusste, in welcher Form Ghana ist. Der 2:1-Sieg war unglaublich wichtig – der Last-Minute-Ausgleich der Portugiesen zum 2:2 dann natürlich ganz bitter.

Durch Deine Anwesenheit bei den Trainingseinheiten und Pressekonferenzen kannst Du Dir natürlich einen guten Überblick verschaffen. Was beeindruckt Dich im Lager der Klinsmänner am meisten?
Das Selbstbewusstsein, das viele Akteure trotz ihrer Unerfahrenheit ausstrahlen. Da steckt eine gute Stimmung in der Mannschaft und viel jugendlicher Elan. Zudem merkt man den Einfluss eines Jürgen Klinsmann, der wohl einige richtige Entscheidungen getroffen hat. Und dann ist die Truppe für mich natürlich interessant, weil sie einen deutschen Touch hat. Trainer, Sonderberater Berti Vogts, Scout Matthias Hamann, fünf Spieler und selbst der Myoreflex-Therapeut – alles „Made in Germany.“ Andi Herzog als Co-Trainer nicht zu vergessen – auch wenn der natürlich Ösi ist.

Was meinst Du mit richtigen Entscheidungen? Etwa die Streichung vom vermeintlichen Starspieler Landon Donovan?
Unter anderem. Der Fall Donovan ist ja sowieso ein besonderer. Den kennen in Amerika auch die Baseball-, Basketball-, Football und Eishockeyfreunde. Als die Meldung herauskam, dass Donovan nicht im finalen Aufgebot steht, entwickelte sich eine große Diskussion. Der „Soccer“ war auf einmal in den sozialen Medien und auf den Networks als großes Thema präsent. Die „Nicht-Nominierung“ Donovans spricht jedoch für die Konsequenz, die Jürgen Klinsmann vorlebt. Wer nicht fit ist und nicht hundertprozentig helfen kann, bleibt halt Zuhause. Ob die Entscheidung nun auch endgültig richtig ist, hängt natürlich vom weiteren Verlauf ab.

Wie erlebst Du Klinsmann persönlich. Hast Du die Chance, auch einmal allein mit ihm zu sprechen?
Im Vorfeld gab es durchaus die eine oder andere Situation, in der es zu einem Einzelgespräch gekommen ist. Da hat er nicht nur Fragen beantwortet, sondern auch einfach angefangen zu erzählen. Jetzt in Brasilien sieht es anders aus. Vor dem Deutschland-Spiel gab es jedoch einen Bonus: da hat Klinsmann die ersten 15 Minuten der Pressekonferenz Englisch gesprochen und die zweiten 15 Minuten dann Deutsch. Bei 54 amerikanischen Pressevertretern und sechs Deutschen ergab sich natürlich ein gewisses Privileg.

Du hast bereits Deine familiäre Vernetzung in den Staaten angesprochen. Wie ist dort das Soccer-Fieber zu registrieren? Immerhin sollen ja beim Spiel gegen Portugal über zwanzig Millionen zugeschaut haben.
Zumindest in meiner Familie ist der Fußball angekommen. Als ich meine Frau 2005 in Sevilla kennenlernte, liefen gerade die Relegationsspiele zur WM. Ich hatte ihr erzählt, dass 2006 die WM bei uns in Deutschland sein wird. Sie meinte nur, „cool, wo war sie denn in diesem Jahr?“. Nachdem ich über den Atlantik gezogen war, hat sich das doch deutlich verbessert. Mittlerweile kennt sie nicht nur die Aufstellung ihrer US-Boys, sondern auch die der Unseren auswendig. Vor vier Jahren hat sie stolz ein deutsches Podolski-Trikot bei der WM in Südafrika getragen. Morgen drückt sie aber natürlich den USA die Daumen.

Wie sieht es mit dem Rest aus?
Da wartet noch ein wenig Arbeit. Als die Familie meiner Frau beim letzten Vorbereitungsspiel gegen Nigeria im Stadion war, fielen sie mit einer charmanten Art der Nicht-Kenntnis auf. Meine Schwägerin war überrascht, dass man sich für eine WM qualifizieren muss. Und dann natürlich die typischen Frage, wie lange ein Fußballspiel überhaupt dauert. Höhepunkt war natürlich, als ich leere Plätze vorfand, als ich in der Halbzeitpause nach ihnen sehen wollte. Sie waren alle aufgebrochen um sich mit Snacks und Drinks zu versorgen. Sie wussten halt noch nicht, dass es in der Halbzeit eines Fußballspiels gerne mal länger dauern kann.

 Oldörp als Keeper im Schönberg-Test gegen Werder Bremen, 1995, Andi Herzog im Hintergrund

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Den wichtigsten Oldörp hast Du aber noch außen vor gelassen. Wen sympathisiert Dein kleiner Sohn bei seinem ersten WM-Turnier?
Er besitzt die Trikots seiner beiden Nationen, tendiert aber mehr zu den USA. Er singt sehr oft den US-Schlachtruf „I believe that we will win.“ Und ich bin mir ziemlich sicher, dass morgen das USA-Trikot an der Kleiderordnung steht. Aber ich sehe es moderat: Deutschland braucht Ryans ganze Sympathien erst ab dem Viertelfinale.

Kommen wir noch ein wenig zu Deiner Zeit in Sao Paulo. Es wurde ja viel über die Kriminalität in brasilianischen Metropolen berichtet. Deshalb nun die Frage: Ist es als Ausländer in Brasilien oder in den ländlichen Tiefen Mecklenburg-Vorpommerns gefährlicher?
Im Grunde hat man ja das im Vorhinein gelesen, was auch vier Jahre zuvor über Südafrika geschrieben wurde. Mir ist noch nichts passiert und ich glaube, wenn man sich vorsichtig verhält und dunkle Straßen in den späten Abendstunden meidet, ist es um die Sicherheit ganz gut bestellt. Wenn ich abends unterwegs bin, nutze ich generell das Taxi. Allgemein wurde aber davon abgeraten, diese Probleme nur in Sao Paolo und in Brasilien zu suchen. Ich denke, dass diese überall zu finden sind. In Deutschland wurde zur WM 2006 ja auch von so genannten „no go areas“ für Ausländer gesprochen.

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Welchen Eindruck macht die 12-Millionen-Stadt Sao Paulo auf einen, der in Schönberg aufgewachsen ist?
Ich muss zugeben, dass ich noch nicht allzu viel gesehen habe. Die USA trainiert mitten in der Stadt und da gehen dann für den Weg zum Trainingsgelände aufgrund des Dauerstaus schon mal einige Stunden drauf. Ich habe mir einige Spiele – unter anderem die Partie Brasilien – Mexiko im hiesigen Kneipenviertel, Vila Madalena angeschaut. Das ist quasi Reeperbahn hoch zehn – nur ohne Prostituierte. Wahnsinn, was da los war. Ansonsten fallen schon einige Obdachlose unter Brücken auf oder auch eher sehr provisorisch errichtete Hütten. Da kannst du dir kaum vorstellen, dass Menschen da drin leben. Andererseits kannte ich sowas schon von meiner Reise vor einigen Jahren aus Argentinien, Chile und Südafrika.

Apropos. Geht’s für dich eigentlich nach Hause, wenn die Amerikaner die Segel streichen müssen?
Nein, der Rückflug ist und bleibt nach dem Finalspieltag gebucht. Richtig ist aber, dass unabhängig vom Abschneiden der USA meine DPA-Tätigkeit in Sao Paulo endet. Heißt: Bezahlte Hotels, Tagespauschalen und gestellte Flüge sind dann erst einmal passe. Dann bin ich als Freiberufler unterwegs und bin quasi auf eigene Kosten selbstständig. Immerhin besitze ich durch meine Akkreditierung die Eintrittskarte zu jedem Spiel und vielleicht sehe ich mir dann die deutsche Mannschaft bei einem möglichen Viertelfinale im Maracana-Stadion in Rio einfach mal nur als Fan und eben nicht als Journalist an.

Damit hast Du ja schon getippt, dass die Deutschen definitiv weiterkommen. Schaffen es auch die Amerikaner?
Ich hoffe es sehr. Wenn, bin ich mir aber sicher, dass es beide Teams ohne irgendwelche Absprachen schaffen werden.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.