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TSG-Manager Bornemann: „Die Vision lebt weiter“

Oliver Bornemann, seines Zeichens Sportlicher Leiter des Regionalliga-Meisters aus Neustrelitz, gibt im großen Exklusiv-Interview mit BLOG-TRIFFT-BALL einen Einblick in die Entscheidungsfindung über den neuen Trainer und blickt aufs kommende Spieljahr voraus.

Herr Bornemann, schön dass Sie sich direkt nach der Pressekonferenz Zeit nehmen. Es gab ja eine besondere Nachricht: Torsten Gütschow wird neuer Trainer. Ihre absolute Wunschlösung?
Ja, das kann man so sagen. Wir kennen uns seit Jahren und besitzen dadurch ein vertrauliches Verhältnis. In Heeslingen, der letzten Station von Herrn Gütschow,  hat er hervorragende Arbeit geleistet und eine sehr interessante Mannschaft entwickelt. Im letzten Jahr konnte er aufgrund einer langwierigen Fußverletzung, deren Behandlung unter anderem mit drei Operationen einherging, nicht seine Aufgabe als Trainer wahrnehmen. Umso selbstbewusster und erfolgshungriger tritt er deshalb die Arbeit mit unserer jungen Mannschaft an.

Als amtierender Regionalligameister muss man bestimmt nicht allzu viel Überzeugungsarbeit leisten.
Ich würde das nicht nur mit dem sportlichen Vorjahr der TSG begründen, sondern auch mit der vertrauensvollen Basis, die wir in Neustrelitz generiert haben. Dementsprechend waren es von Beginn an sehr gute und transparente Gespräche, die zu einer schnellen Einigung führten.

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Am Ende ging zumindest öffentlich alles recht fix. Der lang diskutierte Abschied von Thomas Brdaric stellte sich ein, die Verkündigung des Nachfolgers ließ nicht lange auf sich warten. Seit wann wussten Sie, dass Herr Brdaric endgültig gehen wird?
Das wusste ich seit letzter Woche. Da teilte uns Herr Brdaric mit, dass ein unterschriftreifes Angebot aus Wolfsburg vorliegen würde. Wir haben uns dann im Rahmen eines längeren Gespräches dazu entschieden, den weiteren Karriere-Weg von Thomas Brdaric nicht mit zusätzlichen Steinen zu säumen.

Ging das so einfach? Schließlich hatte sich die Stimmung bei den Fans, die zu Beginn dem kolportierten Brdaric-Abschied mit Verständnis gegenüberstanden, aufgrund des Wechselhickhacks in zunehmendes Missfallen gedreht.
Ich denke einfach, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Thomas Brdaric und der TSG Neustrelitz einer beidseitigen, gewinnbringenden Situation  glich. Unser Ex-Trainer hat gemeinsam mit der Mannschaft die erfolgsreichste Saison der Vereinsgeschichte gestaltet. Hat einen Klub im zweiten Regionalliga-Jahr zur Meisterschaft geführt. Thomas Brdaric hat in einer Saison sein Soll mehr als erfüllt, gar übertroffen. Ihm selber wurde dadurch die Möglichkeit eingeräumt, sich einer neuen sportlichen Herausforderung zu stellen. Wir als TSG Neustrelitz wollen als Ausbildungsverein firmieren. Das gilt nicht nur für die Spieler, sondern auch für die Trainerposition. Von daher dürfen wir uns doch eher darüber freuen, dass einer Person, dank der Arbeit bei der TSG Neustrelitz, neue Perspektiven geöffnet werden.

Wer sich mit Ihnen beiden beschäftigt hat, der wird gesehen haben, dass sie beide nicht nur erfolgreich arbeiteten, sondern auch durch eine Freundschaft verbunden sind. Hat diese in den letzten Wochen Schaden genommen?
Nein. Eine Freundschaft ist bei mir ja nicht von einem Arbeitsverhältnis abhängig. Thomas Brdaric und ich schätzen uns seit zehn Jahren, haben im letzten Jahr höchsterfolgreich zusammengearbeitet. Natürlich ist es schade, dass diese Arbeit keine Fortsetzung fand. Aber das ändert ja noch lange nichts an einer zwischenmenschlichen Beziehung. Ich persönlich, habe mich für den Menschen Thomas Brdaric sehr gefreut. Ich denke jeder wird erahnen können, dass die Arbeit bei einem großen Klub wie dem VfL Wolfsburg ganz andere Perspektiven eröffnet.

Der Abschied von Thomas Brdaric war ja lange nicht der einzige Abschied. Mit Tony Fuchs und Velimir Jovanovic gehen wichtige Spieler. Wie gehen Sie damit persönlich um?
Die Situation ähnelt doch der von Thomas Brdaric. Zwei Spieler, die in den letzten Jahren alles für den Klub gegeben haben, bekommen die Chance, bei großen Vereinen zu spielen. Es ist sicherlich schade für unsere TSG, aber dennoch sind sowohl Velimir Jovanovic als auch Tony Fuchs Charaktere, denen man einen solchen sportlichen und wirtschaftlichen Sprung gönnt. Wir hätten beide gerne gehalten, das steht ja außer Frage. Für uns als Ausbildungsverein, der Spieler entwickeln und fördern möchte, ist es letztendlich bei allem sportlichen Verlust ein positives Zeichen, dass unsere Arbeit registriert wird.

Herr Bornemann, über Abschiede haben wir denke ich genug gesprochen. Sprechen wir lieber über Aktualitäten und Zukünftiges. Warum ist Herr Gütschow ein Mann, der nach Neustrelitz gehört.
Herr Gütschow ist ein Mensch, der von seiner Art her zur TSG und nach Neustrelitz passt. Er wird gemeinsam mit seiner Familie von Niedersachsen nach Neustrelitz ziehen, damit er hier heimisch werden kann. Das spricht schon einmal für eine enorme Identifikation mit der Aufgabe in Neustrelitz. Die fachlichen Komponenten bewies unser neuer Trainer zu genüge in seiner beruflichen Vita. Abgerundet wird dieses zusätzlich durch die passende Chemie zwischen den  Vereinsverantwortlichen und dem Trainer. Um gemeinsam konstruktiv zu arbeiten, bedarf es einfach eines wechselseitigen Vertrauensverhältnisses. Dieses ist auch aufgrund der Bodenständigkeit von Torsten Gütschow absolut gegeben.

Auch bei den Spielerverpflichtungen hat sich einiges getan. Bleiben Sie ihrer Philosophie treu und setzen Sie auf junge, günstige aber vor allem talentierte Spieler, oder gibt es einen Königstransfer in diesem Sommer?
Ich kann es zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass etwas in dieser Richtung passieren wird. Das Transferfenster ist noch lange auf  und mit Sicherheit gibt es einige Gedankengänge, die in der Zukunft unter gewissen Umständen etwas konkreter werden könnten.

Ich spreche es deshalb an, weil so ein „Königstransfer“ als Initialzündung fungieren kann. Im letzten Jahr gelang diese ja mit einer sehr populären Trainer-Verpflichtung.
Dazu muss man aber direkt sagen, dass die Möglichkeiten bei der TSG im finanziellen Rahmen  begrenzt sind. Aus dem „Vollen“ können wir im Gegenteil zu anderen Vereinen nicht schöpfen. Das bedeutet für uns, dass wir anstelle des Geldes andere Argumenten finden müssen. Chancen erläutern und Perspektiven aufzeigen. Das findet bei jungen Spielern natürlich deutlich mehr Anklang als bei einem Profi, der in seinen letzten Karrierejahren verstärkt auf finanzielle Belange schauen muss.

Anders gefragt: Benötigt die TSG überhaupt einen Star?
Das ist ein wichtiger Punkt. Ich denke, dass wir im letzten Jahr vor allem über den mannschaftlichen Erfolg kamen. Die Spieler haben sich gegenseitig zu höheren Leistungen gepuscht und sich so gemeinsam auf ein anderes Level gehoben. Das letzte Jahr hat doch eindrucksvoll bewiesen, dass es mit vielen kleinen Sternchen sehr gut funktioniert kann.

Als der Aufstieg in die Dritte Liga noch zum Greifen nah war, wurde eifrig der Stadionausbau vorangetrieben. Wird dieser Weg fortgesetzt oder geht das erst, wenn klar ist, dass es für die TSG erneut um den Aufstieg geht.
Fakt ist: Das mit der Verbesserung der Infrastruktur im Vereinswesen geht nur im Dreiklang aus Verein, Stadt und Land. Daran wollen wir mit Sicherheit arbeiten, da unser ehrwürdiges Parkstadion mit einiger Bestimmtheit einer Weiterentwicklung bedarf. Zum anderen ist es nun mal so: Wir starten einen Neuanfang und wollen durch intensives Engagement den sportlichen Erfolg wiederholt generieren. Dann ist auch völlig klar, dass eine punktstarke Mannschaft  Entwicklungen im Verein katalysieren kann.

Herr Bornemann, Sie erzählten mir einmal, dass Sie vor einigen Jahren die Vision verkündeten, die TSG in den bezahlten Fußball zu führen. Lebt die Vision weiter?
Die Vision lebt natürlich weiter in mir. Ich verfolge meine Ziele in der Regel so lange, bis ich sie erreicht habe. Allerdings hängt das ja nicht nur von mir, sondern auch vom Verein in seiner Gesamtheit ab. Dennoch kann ich durchaus sagen, dass ich zuversichtlich in die Zukunft blicke.

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Zum Abschluss: Welches Ziel haben Sie den Jungs am Trainingsauftakt verkündet?
Dass wir uns in der Liga weiter festsetzen und etablieren wollen. Über eine Wiederholung der Meisterschaft müssen wir nicht reden. Da sehe ich Magdeburg und Jena klar favorisiert. Ganz vielleicht gibt es aber wieder einen lachenden Dritten.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.