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Marie Becker auf dem Sprung nach Amerika

Lothar Matthäus, Franz Beckenbauer, Frank Lampard, Marie Becker (Foto), Franziska Jaser und Lena Petermann haben eins gemeinsam, sie sind zum Fußball spielen in die USA gewechselt. Doch während die genannten männlichen Stars dies am Ende ihrer Karriere taten, stehen die drei Damen weit am Anfang ihrer Laufbahn. Alle drei stehen im deutschen Kader für die am 5. August beginnende U20-Frauenweltmeisterschaft in Kanada.

Foto: Patrick Nawe

Während Lena Petermann bereits seit einigen Jahren für die University of Central Florida auf Torejagd geht, wagen die Verteidigerinnen Marie Becker und Franziska Jaser den Sprung über den Teich erst nach der WM. Ein klares Zeichen dafür, dass anders als bei den Männern, der Wechsel in die USA keine Entscheidung gegen die sportliche Karriere sein muss.

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Der Wechsel gibt mir die Möglichkeit ein erstklassiges Studium mit sehr guten Voraussetzungen für den Start ins Berufsleben mit Fußball auf hohem Niveau zu kombinieren“, sagt die 19-jährige Becker, die ihre Schuhe bisher für Holstein Kiel schnürte und ab August an der Harvard University studiert. Eben diese Kombination aus Studium und Fußball macht auch für die Verbandssportlehrerin des Niedersächsischen Fußballverbandes Jana Menzel den Reiz eines Wechsels in die USA aus. „Gerade wenn man ein Stipendium erhält bietet sich den Spielerinnen natürlich eine große Chance“, sagt Menzel, die auch in ihrer Spielerkarriere erlebte wie Teamkameradinnen den Schritt über den großen Teich wagten.

Nicht immer mit Erfolg. „Ob ein Wechsel erfolgreich ist, kommt sicherlich auf die Spielerin selbst an und was sie sich davon verspricht“, so Menzel. „Gerade für die persönliche Entwicklung kann es natürlich sinnvoll sein, man muss aber auch genau gucken wo man hin wechselt, wie dort trainiert wird und ob der Trainer auf einen setzt“. Während in Amerika auch auf Nationalmannschaftsniveau häufig Kick-and-Rush, also mit langen hohen Bällen, gespielt und sehr viel Wert auf Athletik gelegt wird, ist der deutsche Frauenfußball für sein technisch anspruchsvolles Spiel bekannt. Ein Nachteil bei der Anpassung und Rückkehr nach Deutschland, aber eben auch einer der Gründe, warum deutsche Talente in den USA so begehrt sind. „Sie sind technisch und taktisch gut ausgebildet und bringen die College Teams sportlich oft weiter“, sagt Philipp Liedgens, der die Firma Sport-Scholarships.com leitet. „Außerdem sprechen sie meist gut Englisch und bringen die nötige schulische Ausbildung mit.“

Die Agentur vermittelt deutsche Talente an US-Universitäten, regelt die Formalitäten und kümmert sich um die Spielerinnen, wenn es Probleme gibt. „Die meisten Spielerinnen sind sehr zufrieden in Amerika, obwohl es natürlich sportlich nicht immer klappt“, so Liedgens und verweist vor allem auf die persönliche Entwicklung die viele Spielerinnen während der Zeit in den USA machen.

Auf die persönliche Entwicklung setzt auch Marie Becker: „ Ich denke, ich werde eine Menge über Land und Leute lernen, aber auch viel über mich selbst. Zum Beispiel meinen Alltag effizient und vor allem alleine zu organisieren“. Im Idealfall läuft es dann so wie bei Petermann und man findet sowohl sportlich also auch persönlich sein Glück.

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Denn bei allen Vorteilen, für die Nationalmannschaftskarriere ist der Wechsel oft erstmal nicht förderlich. „Die Tür ist auf keinen Fall zu, aber man ist natürlich erstmal aus dem Fokus, vor allem, wenn man zuvor nicht im engeren Kreis war. Einfach schon, weil die Nationaltrainerinnen keine Chance haben dich spielen zu sehen“, so Menzel. „Das Beispiel Lena Petermann zeigt aber auch, dass man nicht automatisch keine Chancen mehr hat. Gerade wenn man sich durchsetzt und in die US-amerikanische Profiliga wechselt, ist man natürlich sofort wieder auf dem Radar.“

Gedanken, die sich auch Marie Becker machte. „Klar überlegt man, was das sportlich bedeutet, aber bei mir war das ausschlaggebende Kriterium eindeutig die berufliche Perspektive. Eine mittelmäßige US-Uni wäre mir im Hinblick auf einen späteren Beruf in Deutschland zu riskant gewesen, aber in Harvard sollen die Studienvoraussetzungen einmalig sein und so ist es für mich eine große Chance“, so die Verteidigerin.

Auch die Nationaltrainerin habe sich sehr für sie gefreut, denn schließlich ist man sich im deutschen Frauenfußball bewusst, dass die berufliche Ausbildung ebenso wichtig ist wie die fußballerische. „Ich würde deshalb auch per se keiner Spielerin von einem Wechsel abraten. Man muss sich nur bewusst sein was man will, sowohl auf sportlicher als auch auf beruflicher Ebene“, sagt Menzel.

Rebecca Winkels

Rebecca Winkels ist ständig unterwegs zwischen verschiedenen Städten, Freundeskreisen und Aufträgen. Von Hause aus Wissenschaftsjournalistin hat die Leidenschaft für den Fußball, das Schreiben und das Filmen sie zu BTB geführt. Dem Lebensziel alle Kontinente zu besuchen kommt sie mit großen Schritten näher (ab April fehlen nur noch die Arktis und Südamerika).