Bornemann-Rückzug: Der Lotse verlässt die Brücke
Oli Bornemann zieht sich aus der sportlichen Direktive in Neustrelitz zurück. Als Vorstandsmitglied bleibt er jedoch an Bord. BLOG-TRIFFT-BALL sprach mit dem langjährigen Erfolgsmanager über seine Beweggründe. Das Resultat: Ein Abschied, der sich bereits seit längerem abzeichnete.
Foto: Artikel-Foto: Bornemann/Brdaric
Es ist eine der berühmtesten politischen Karikaturen: Die von Otto Von Bismarck, dem großen Konservativen des 19. Jahrhunderts, und dem Verlassen des (Regierungs)-Schiffes. Der Spiegel übertrug diese Hommage fast ein Jahrhundert später auf Helmut Schmidt und widmete diesem nach seiner Abwahl 1982 die Titelseite samt der Überschrift: „Der Lotse geht von Bord“.
Natürlich wäre es vermessen, einen Sportlichen Leiter eines Regionalligisten mit politischen Größen der deutschen Geschichte zu vergleichen, doch, wenn auch im sehr beschaubaren Rahmen, kann man auch Oliver Bornemann, dem nun Ex-Manager der TSG Neustrelitz, mit so einer symbolischen Ehrung bedenken. Dem Lotsen, der die TSG Neustrelitz von einem grauen Oberligisten zum Regionalliga-Meister formte.
Vorgestern aber, nach all den positiven Schlagenzeilen der letzten Jahre, platzte die Bombe in Form von einer Presserklärung. Oliver Bornemann überlässt den Posten der sportlichen Direktive dem Trainerteam um Torsten Gütschow, hieß es dort inmitten eines ausführlichen Schreibens. Eine Nachricht, die über die Neustrelitzer Stadtgrenzen hinweg schnell Verbreitung fand.
„Er fühle sich gut“, erzählt Bornemann BLOG-TRIFFT-BALL am Donnerstagmorgen. Die Anspannung, die sich im Vorfeld der Entscheidung doch sammelte, ist von den Schultern gewichen. Die Worte machen deutlich, dass es keine impulsive Reaktion Bornemann gewesen ist. Als einen „langen Prozess“ skizziert er seine Entschlussfindung.
Einen Entschluss, der aus der Neustrelitzer Entwicklung abzuleiten ist. Während sich die TSG sportlich in größter Eile bewegte, von Erfolg zu Erfolg spurtete, den FC Hansa-Rostock im Landespokal nachhaltig demontierte und die letztjährige Regionalliga-Saison in einer dominierenden Gestalt absolvierte, blieb das Neustrelitzer Umfeld stets zurück. Lange Zeit überschatteten die Gebärden rund um die Stadionproblematik die überraschende wie überragende Entwicklung auf dem Platz. Es war eine Kontroverse zwischen strahlend grünen Rasen und den Leistungen der Mannschaft auf der einen, die porösen Tribünen und andere Nebenerscheinungen auf der anderen Seite. Nicht umsonst wurde Thomas Brdaric nicht müde, die schlechten Rahmenbedingungen anzusprechen. Von abgeschlossenen Anlagen und städtischen Rasenmäher auf dem Platz zu Trainingszeiten klagte.
Nicht-Entwicklungen, die auch Bornemanns Abschied nährten, wie er sagt: „Die Vision, wie ich sie habe, ist derzeit nicht realisierbar. Aber das ist völlig in Ordnung, die TSG Neustrelitz steht nämlich trotzdem gut da.“ Mit einem Hauch von Stolz in der Stimme ergänzt der Mecklenburger Unternehmer mit niedersächsischen Wurzeln: „Wir haben die Vision von der 3. Liga vielleicht nicht verwirklicht, aber wir haben eindrucksvoll bewiesen, das sie machbar ist.“
Auffällig ist, wie stoisch Bornemann im „Wir“ verweilt. Lobpreisungen auf das eigene Haupt will er nicht hören, verweist stattdessen auf seine Trainer Rastislav Hodul und Thomas Brdaric, denen er ebenso wie den Spielern große Aktien am Erfolg ausstellt: „Wir haben alle im Team gearbeitet, unser Bestes für die TSG gegeben und gemeinsame Erfolge gefeiert. Da wäre es nicht fair, wenn man unsere positiven Erlebnisse mit nur wenigen Schultern begründen müsste.“
Dabei lehnte Bornemann, wie BLOG-TRIFFT-BALL auch aus anderen Quellen berichtet wird, einen Rücktritt im Sommer ab. Ein Zeichen sollte es sein, nachdem zahlreiche Spieler und auch der Star-Trainer den Verein verlassen hatten. Obwohl das Gefühl zu dem Zeitpunkt schon längst Richtung Abschied tendierte, wie er heute berichtet: „Ich wollte dem Verein nicht alleine lassen, nicht in dieser Situation, die ja mit dem verpassten Aufstieg schon schwer genug wog“, erzählt Bornemann mit sich befreiender Stimme. Zum Anfang des Gespräches klang sie noch bemüht auf Lockerheit besinnt, irgendwie anders, als sie sonst zu vernehmen ist.
Eine einstellende Lockerheit, die der im Umkreis von Neustrelitz lebende Hotelier mit zweierlei Dingen begründet. Zum einen das Vertrauen in Torsten Gütschow und seinem Trainer-Kollegen Marco Weißhaupt, denen er trotz diverser Meinungsunterschiede innerhalb der Spiel-Konzeption alle Qualitäten bescheinigt: „Wir haben einen guten Trainer auf der Bank und ich bin mir trotz des durchwachsenen Saisonstarts sicher, dass die TSG keine größeren Probleme haben wird“, so Bornemann.
Zum anderen aber blickt der 39-Jährige lächelnd auf ein Wort, dass er in letzter Zeit nicht allzu oft in den Mund nahm. Freizeit. Nach Jahren auf der Autobahn oder im Mannschaftsbus bei Auswärtsreisen der Mannschaft, einem fast hauptberuflichen Pensum in seinem Ehrenamt bei der TSG, freut sich der Wahl-Mecklenburger vorerst auf einige ruhige Wochenenden: „Es war schon ein aufregender, aber auch ein anstrengender Ritt. Jetzt freue ich mich auf die eine oder andere zusätzliche Stunde ohne sportlichen oder beruflichen Geschäftstermin.“
Viel entspannter wird der Blick auf die TSG trotzdem nicht, auch wenn sein häufig eingenommener Platz an der Seitenlinie künftig leer bleiben wird: „Die Spiele werden wie auch in den letzten Jahren mit großer Leidenschaft verfolgt werden. Nur weil ich mich zunächst auf ein Amt im Präsidium konzentriere, bedeutet das ja nicht, dass mein TSG-Wappen im Herzen verbleichen würde“, lässt er wissen, ohne an Pathos zu sparen.
Einen Abschied aus Neustrelitz, um seinen Traum von großen Fußballgeschäft anderorts wahrzunehmen, steht derzeit ebenso wenig zu Debatte, wie Bornemann mit sich in Falten legender Stirn bekennt: „Ich bin in mein Amt von den Vereinsmitgliedern gewählt worden. Und dieses werde ich auch bis auf weiteres bekleiden.“
Was die sportliche Zukunft nach der Zeit in Neustrelitz bringt, weiß niemand, erzählt der gut ins Fußballgeschäft vernetzte Geschäftsmann. Seine Vision, irgendwann einmal einem Profiverein zu führen, die lebt aber weiterhin, wie er mit nur gänzlich vom Schwermut befreiter Stimme erläutert. „Dieses Ziel ist nach wie vor da. Ich habe ja Pläne, um sie erfüllen zu können. Und wer mich kennt, der weiß, dass ich mich dafür nicht ins gemacht Nest setzen muss.“
Einmal aber weicht Bornermann einer Frage aus. Will sie nicht klar beantworten, schwadroniert ein bisschen um die eigentlich gewünschte Aussage herum. Er windet sich mit einem Lächeln heraus.
Es ist die beste Beschreibung für die letzten drei Jahre in Neustrelitz. Die Frage nach dem schönsten Moment in Neustrelitz, sie scheint ihn tatsächlich nach all den Erfolgen zu überfordern.