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Warum Montag ein guter Tag beim SC Vier- und Marschlande ist

Der SC Vier- und Marschlande auf Rekordjagd. Das Tasmania Berlin Hamburgs nullpunktet mutterseelenalleine Richtung Landesliga. Klar, sind erst acht Spiele gespielt, aber Hoffnung trägt am Deich aktuell die Farbe schwarz. BLOG-TRIFFT-BALL zerrte Trainer Olaf Poschmann zur Analyse auf die Matte. Das Ergebnis: Klartext. So, wie wir es mögen.

Foto: noveski.com

 

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Herr Poschmann, die Lage ist klar. Sie sind punktlos Tabellenletzter.
Ich habe mir die Saison schon ruhiger vorgestellt. Leistungsträger sind gegangen, nun haben wir zwölf neue Spieler, die erst einmal zueinander finden müssen. In der Vorbereitung hat das gut geklappt, jetzt sieht man nichts mehr davon. Wir sind weit entfernt von einem Team und haben eine Menge Arbeit vor uns. Die Präsentation im Spiel spiegelt die der Woche und auch die Stimmung nicht annähernd wieder. Das ärgert mich am meisten.

Acht Niederlage in Serie. Da kriecht die Lust so allmählich Richtung Siedepunkt, oder?
Ein Erfolgserlebnis oder zumindest mal ein Teilerfolg wären schon toll. Aktuell nagt es aber eher an mir, weil alle Spiele negativer als erhofft verlaufen. Ich wusste, dass es nicht einfach wird, aber die Lust ist meine Motivation. Es wird schwer aus der jetzigen Lage heraus zu kommen, da müssen wir uns nichts vormachen. So, wie wir uns derzeit präsentieren, wird es sogar verdammt schwer. Es fehlt nämlich an vielem. Das ist eine große Herausforderung und jedes negative Ergebnis plättet natürlich auch die Mannschaft.

Zwei Tore, 25 Gegentreffer, null Punkte, bei aller Liebe, es geht ja wirklich nicht schlechter.
Die reinen Zahlen sind schon bitter. Und alles andere interessiert keinen. Ende. Aus. Da gibt es nichts zu beschönigen und Argumente interessieren keinen. Die Ergebnisse sind scheiße, alles ist scheiße. Aber wir im Verein sehen ja auch die Trainingseinheiten, sehen unsere Verletzenliste und wie die Mannschaft funktioniert. Leider ist dann aber gerade kein Spiel, sondern meistens nur Training. Der Neutrale bewertet oberflächlich das Wochenend-Ergebnis. Aber das ist zu einfach.

Sie haben intern Erklärungen für alles, folglich ist man entspannt. Richtig?
Ich brauche mir weder in der Truppe, noch innerhalb des Vereins Gedanken machen. Wir stehen hier hundertprozentig zueinander. Wir wissen alle Internas, warum wir da stehen, wo wir stehen und wissen die Situation einzuschätzen. Also ich glaube nicht, dass ich nur noch auf einem Bein sitze. Mein Stuhl hat weiterhin vier Beine.

Es geht also ganz deich-gelassen dem Abstieg entgegen?
Ich will überhaupt nicht, dass hier jemand gelassen ist. Ich will Anspannung. Und zwar immer. Gelassenheit bringt einem keine neuen Ideen. Dass alle ruhig bleiben, tut gut, aber wir haben trotzdem Motivation. Ich gehe da voran. Sowohl im Training als auch vor dem Spiel. Wenn die Jungs auf den Platz kommen, dann steht da alles bereit und sie sehen: Hey, da ist einer, der will.

Wie motivieren Sie sich momentan?
Ich merke ja, wie es unter der Woche läuft. Die Beteiligung ist gut, die Stimmung auch – daraus ziehe ich immer wieder ein gutes Gefühl. Alleine die Realität am Wochenende sieht dann anders aus. Es ist leider immer ein ganz anderes Gesicht, was ich nicht verstehe. Aber ich muss gestehen, dass wir dann am Wochenende auch zurecht mit leeren Händen da stehen.

„Ach leckt mich doch alle am Arsch!“, kommt Ihnen noch nicht in den Sinn?
Klar habe ich diese Gedanken. Aber nicht, um hinzuschmeißen, sondern, warum einige Sachen nicht funktionieren. Wir arbeiten unter der Woche ja nicht, um uns die Zeit zu vertreiben. Man könnte es wohl verstehen, wenn ich die LMAA-Einstellung haben würde, aber dann wäre ich nicht mehr der richtige Mann. Es wird irgendwann funktionieren, davon bin ich überzeugt. Die Ansätze sind ja phasenweise erkennbar, nur die Schritte zurück, die dann wieder folgen, nerven.

Tut es gut, dass Sie beruflich viel unterwegs sind?
Also wenn ich sonntags nach dem Spiel sauer bin, weil von den Vorgaben nur wenig umgesetzt wurde, dann bin ich am Montag schon mal froh die Jungs nicht zu sehen. Da tut der normale Beruf schon gut. Das bringt mich auf andere Gedanken. Aber sobald Luft ist, bin ich gedanklich wieder dabei, wie ich die Jungs in die Spur bekomme.

Was für einen Olaf Poschmann erlebt Ihre Gattin derzeit?
Sie kennt das ja aus dem letzten Jahr. Fußball ist auch zu Hause Thema und sie ist bei jedem Spiel dabei und sieht, wie sich die Truppe präsentiert. Aber ich versuche das eigentlich von zu Hause fern zu halten. Es reicht, dass ich am Platz mies gelaunt bin. Sie bringt mich dann wieder positiv in die Spur. Das macht sie schon gut.

Wie ist die Selbstreflektion der Mannschaft? Geht es nach dem Spiel darum, wie der HSV gespielt hat oder beschäftigen sie sich mit ihrem fabrizierten Mist?
Das ist natürlich auch ein Thema, was man immer wieder ansprechen muss. Die Vorbereitung auf ein Spiel muss eine andere werden. Dieser Fokus fehlt mir bei manchen. Sich auch mal beim Abschlusstraining damit zu beschäftigen, wie man am Wochenende in der Oberliga bestehen kann, das fehlt. Mir wird da manchmal wieder zu schnell zur Tagesordnung übergegangen. Das sind dann schon nur noch 80 Prozent für das Spiel. Und normalerweise reichen bei uns derzeit nicht mal 100 Prozent. Wir schauen aber genau drauf, wer nicht dieselben Ziele hat und werden darauf in Zukunft auch reagieren. Wir brauchen Typen, Arschaufreißer. Kerle, die laufen. Da braucht man nicht mal Talent für. Wer die Zeit nicht erkannt hat und meint, das Spiel am Wochenende wird mal eben aus dem Ärmel geschüttelt, wird Reaktion spüren. Das werde ich der Mannschaft auch ziemlich deutlich sagen.

Würden Sie sagen: „Meine Mannschaft ist oberligatauglich.“
Die Fakten zeigen: Nein.

Aber …
… die Qualität ist ja da. Es ist eben auch Charakterfrage, defensiv zu arbeiten. Das ist eklatant, wie viele Fehler wir da machen. In der Rückwärtsbewegung haben wir arge Defizite, was aber auch ganz normal ist, wenn man nicht bereit ist diese Schweinewege zu machen. Die Jungs kapieren nicht, dass Fußball in zwei Richtungen geht. Das macht alles nicht einfacher.

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Wir nehmen Ihnen die Aufklärungsarbeit mal etwas ab und sagen: Boah, Auftaktprogramm war aber auch schwierig. Dassendorf, Altona, Condor und so.
Das sind Teams, gegen die wir letztes Jahr gepunktet haben – das zählt also nicht. Aber in Süderelbe fing das Dilemma ja schon an. Die ordentliche Vorbereitung wurde sich mit dem Hintern umgehauen und dann kam der Ausblick auf Dassendorf, Altona und Co, wo die Courage schon vor dem Spiel in den Keller kroch. Das zieht sich bis hierhin durch. Aber wir können uns ja nun nicht auf den Boden legen.

Nun geht’s nach Buxtehude. Eine Frage sparen wir uns. Sagen Sie einfach etwas dazu.
Mal schauen, was die nächsten Wochen bringen. Es waren auch vorher schon Möglichkeiten zu punkten da. Aber gegen Buxtehude wird’s wichtig. Das wird richtungsweisend. Trotz aller Wichtigkeit dürfen wir aber nicht verkrampfen. Aktuell sind wir alle vom Kriegen der Kurve überzeugt. Und wie wir das hinbekommen, wissen wir auch.

Unser Kollege Hannes Hilbrecht, bekennender Hansa-Fan, bringt in seinen Texten und Interviews immer die Frage nach dem Wunder von Bochum ’99 unter. Daher abschließend: Wie haben Sie diesen unendlich emotionalen Tag damals erlebt?
Ich habe ihn ehrlich gesagt gar nicht auf dem Zettel. Was war da? Ich weiß von nichts.

Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.