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BTB-Check: Wie ist Basketball in Rostock?

Für die Rostock Basketballer läuft es als Aufsteiger in die 2. Bundesliga Pro B (dritte Liga) wie geschnitten Brot. Ein Grund mehr für einen Besuch in Rostock-Reutershagen. BTB-Autor Hannes Hilbrecht war letzte Woche vor Ort und dabei am Ende so begeistert, dass er gar nicht mehr wegwollte. Ein Report.

Mit dem Arm anlehnen wird das heute nichts. Zumindest nicht auf diesem Platz. Block Rot, Reihe sieben, Platz eins. Die Abgrenzung direkt daneben, ein metallenes Gitter, das sich als ziemlich wackelig erweist, ist alles andere als einladend für den Unterarm. Also keine idealen Rahmenbedingungen für einen Fanneuling,der zum ersten Mal ein Basketballspiel in Rostock besucht

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Der Basketballsport in der Hansestadt ist zunächst einmal ganz gut versteckt. Dort gelegen, wo viele kahlstehende Bäume mit ihrem Fallgut einen orangenen Teppich ausbreiten, durch ihre Äste und Zweige einen Blick auf die unweit gelegenen DKB-Arena gewähren. Zumindest die Flutlichtmasten, die alten blauen Reliquien aus deutlich besseren Zeiten, kann man von der OSPA-Arena, der Heimstätte der Rostock Seawolves, in die Wolkensuppe emporragend beobachten. Das Fußballstadion ist nur ein paar hundert Meter entfernt, man befindet sich demnach Westen der Stadt.

Doch um Fußball geht es im Wohnzimmer der Seawolves niemanden. Was mir noch viel mehr auffällt: Das grelle Orange und Kinder. Und noch mehr Jugendliche Aufgeregt tummeln sie sich im Foyer der Halle, später gondelt man kaum an einer Sitzreihe vorbei, ohne mindestens einen Knirps gesehen zu haben.

Das mag überraschend sein. Doch ist es naheliegend, schließlich bekommt man in den nächsten gut zwei Stunden genau das geboten, was für junge Fans den meisten Spaß bringt. Krach darf man machen, mindestens alle 24 Sekunden „Defense“ schreien, dann folgend „Seawolves“ genauso laut brüllen. Dabei klatschen, trommeln, toben. Und dann kann man fast im Sekundentakt jubeln oder sich ärgern. Langeweile gibt es nicht, auch als die Gäste aus Bochum, ein anerkanntes Staffelmitglied mit Ambitionen, mit einem Dreier-Regen davoneilt.

Der Basketballsport fasziniert.

Ist spannend und unterhaltend. Kein langes Ballgeschiebe, kein Ringkampf um Torschüsse. Kein Buhruf, keine Jonglage von Schimpfwörtern in Richtung Gegner oder Schiedsrichter. Die werden bei der Vorstellung übrigens beklatscht, bekommen verhaltenen Applaus.

Stattdessen heißt es heute „immer weiter“ mit dem unterstützenden Krach. Obwohl die eigene Mannschaft zu Beginn ziemlich wirsch spielt. Sich dem Nachnamen ihres renommierten Trainers Sebastian Wild vollends verschreibt, völlig wild verteidigt und um sich schmeißt. Einfach keinen schönen Basketball spielt.

Gerne würde ich meinen Nachbarn, einen Familienvater nebst Frau und Kind, fragen, ob er nicht auch der Meinung sei, dass am Perimeter, sprich an der Dreipunktelinie, zu wenig Bewegung im Rostocker Spiel sei. Ich lasse es aber. Zu sehr starrt der Mann begeistert auf die Platte, die frappierend an den Schulsport erinnert. Mit ihren omnipotenten Linien, den Raumtrennern an der Decke, die man wie Jalousien herunterfahren kann, um eine Halle für drei Sportgruppen gleichzeitig zu teilen.

Ansprechen kann man niemanden, alle wirken in einem tranceähnlichen Zustand auf den Sport fokussiert. Zeit zum Beobachten. Am Spielfeldrand sitzen junge Mütter, die immer wieder ihre kleinen Kindern einfangen müssen, die Richtung Spielfeld krabbeln. Von der ersten Reihe bis zum Feld, dass sind vielleicht eineinhalb, zwei Meter.

Dabei schärft sich das Profil der Rostocker Basketballer, die mittlerweile in ihrer Liga die Tabelle anführen, mit jeder Minute noch stärker zum Familienklub. Das umtriebige Maskottchen „Wolfi“, das die Kinder in den Auszeiten fesselt, das sogenannte Schlumpfenrennen. Zwei Kindern laufen da um die Wette, müssen in die Basketballmontur schlüpfen, einen Ball greifen, ihn dann noch im Korb unterbringen. Die Zuschauer klatschen in stehenden Ovationen, der Hallensprecher wirbt davor und danach für den Stand der Eiswerkstatt, während anderorts gerne Bratwurst und Pils in der Manier eines Marktschreiers angepriesen werden.

Basketball macht Spaß in Rostock. Besonders wenn man die EBC-Jungs dann auch noch richtig guten Basketball spielen sieht. Die mit der Zeit wachsen, herankommen, weniger foulen und sich bei eigenen Ballbesitz nicht mehr so schnell in ihrer Hektik verlieren. Sie holen auf, nicht besonders schnell, aber in kontinuierlicher Leidenschaft. Fünf Punkte sind es nur noch, als die Halbzeit naht.

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Das macht es mir schwer. Ich hatte mir, als ich spontan loszog, fest vorgenommen, zur Halbzeit zu gehen. Nicht aus fehlendem Interesse, sondern der Liebe wegen. Seit acht Jahren fiebere ich mit den Seattle Seahawks in der NFL, habe seit zwei Jahren kaum eine Sekunde verpasst. Heute, so will es der Spielplan, spielen sie um 18 Uhr. Und es ist ein wichtiges Spiel, ein fast schon vorentscheidendes Duell. Ich gehe. Hadernd.

Irgendwann ploppt die Nachricht „Verlängerung“ aufs Smartphone. Ein paar Minuten später folgt das „Sieg“. 81-77. Die Seahawks hingegen spielen lange schwach, leidenschaftslos und desillusioniert. Es riecht nach einer erneuten Niederlage. In Charlotte, wo die Carolina Panthers um einiges besser sind. Aber auch auf Rostocker Linoleum, wo man sich darüber ärgert, vielleicht die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Am Ende gewannen die Seahawks trotzdem. In letzter Minute. Gewonnen hat aber vor allem der EBC. nicht nur auf der Platte, sondern im Gesamtpaket.

Basketball in Rostock – ein sympathischer Ausflug. Auch auf Platz 1, Reihe sieben, im roten Mittelblock, neben dem wackeligen Gitter. Ich komme wieder.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.