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Der „Fall Djalo“ – „DFB sollte hier Grenzen setzen“

Wenn der Wechsel eines Fußballknirps von einer deutschlandweiten Nachrichtenwelle begleitet wird, dann muss irgendwas anders sein. Bei einem gewissen Sidnei Djalo ist das nun der Fall. Weil der 13-Jährige in Kürze von Hamburg nach Wolfsburg umzieht, ist einiges los. In den Zeitungen. Im Netz. Im Flurfunk der Strippenzieher. Über den ganzen Lärm, den der ungewöhnliche Wechsel gerade auslöst, rollt sich einmal mehr die wichtige Frage aus: Muss das sein?

Foto: noveski.com

Irgendwann kam auch der Nachrichtenriese Bild.de nicht mehr an einer großen Schlagzeile vorbei, und titelte: „Bayern verliert Kampf um dieses Supertalent.“ Im Bild: Sidnei Djalo, der Wunderknabe vom FC St. Pauli.

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Erst einen Tag zuvor wurde den Verantwortlichen der braun-weißen Hamburger der Wechsel ihres „größten Talents“ (Hamburger Abendblatt) mitgeteilt. Äußerst verwundert wurde die unliebsame Botschaft beim Kiezklub zur Kenntnis genommen.

Nun streiten die Experten und rangeln um die richtigen Schlüsse aus so einem Transfer: Muss so ein Transfer sein? Welche Ziele stecken in der Verpflanzung eines 13-Jährigen? Was sind die Chancen? Wo liegen die Risiken? Ganz viele Fragen reihen sich um den Knirpstransfer von Sidnei Djalo. Dabei ist der Junge, der in Portugal aufwuchs, nicht das erste Talent, das von Hamburg nach Wolfsburg weiterzieht.

Wir haben nun die Szenekenner von Nordtalente.de mit dem „Fall Djalo“ in die Spur geschickt. Herausgekommen ist ein Mix aus Analyse und Meinung:

„Schon langen buhlten mehrere Spitzenvereine um die Gunst des 13-jährigen Sidnei Djalo, der beim FC St. Pauli trotz seines jungen Alters schon in der C-Regionalliga unterwegs ist. Djalo gilt ja nicht erst seit gestern als interessanter Junge mit viel Talent. Auch der HSV fühlte schon vor Ewigkeiten bei ihm vor. RB Lepzig hat es ebenfalls versucht. Es war und ist augenscheinlich: Der Junge kann Fußball spielen, wie es nicht viele in seinem Alter können.

Dass U15-Nationaltrainer Andre Schubert ihn kürzlich notierte, überraschte ebenso wenig. Doch nun rückt erstmal sein Wechsel zum VfL Wolfsburg in den Vordergrund. Bei uns kommt bei diesem Transfer sofort die Erinnerung an Dinge hoch, die schon in der Vergangenheit nicht funktioniert haben.

Der abgebende Verein, der FC St. Pauli, wird von einem Wechsel dringend abgeraten haben. Mag jemand die Gründe dafür im sportlichen Bereich und im Konkurrenzdenken sehen, so liegt er damit komplett daneben. Denn kaum ein anderer Verein hat so viele Erfahrungen mit Spielern gesammelt, die das Elternhaus vorzeitig für eine Fußballkarriere verlassen haben, wie die Kicker vom Millerntor. Weit gefehlt, wer dahinter Kinderarbeit vermutet, nur hatte man im Jahre 2007 ein ähnliches Experiment gewagt und holte den damals 13-jährigen Elvis Oduro Agyemang, einen talentierten Fußballer des Jahrgang 1994 nach Hamburg, der damals für Flensburg unterwegs war und sehr auffällig Fußball spielte.

Elvis war ein toller Junge, aber eben auch mit allen Problemen ausgestattet, die in diesem Alter auftauchten. Ganze Heerscharen von Vertrauenslehrern, Betreuern und Trainern bemühten sich damals darum, dass es dem Jungen nach seinem Wechsel nach seinem Wechsel an die Elbe gut ging. Es war sehr schwer, weil ein Junge in diesem Alter eben auch seine eigenen Ideen umsetzen wollte und Elvis, der nicht einmal im Talentehaus, sondern bei einer mehr als bemühten und absolut geeigneten Gastfamilie untergebracht war, musste sich im Alter von 13 Jahren an die neue Umgebung gewöhnen. Spätestens nach einer schweren Verletzung bei einem großen Turnier in der Nähe von Dortmund und der anschließenden Rehaphase wurde klar, dem Jungen fehlt ganz besonders seine Familie. Zum damaligen Zeitpunkt war man sich beim FC St. Pauli sicher, mit 13 Jahren kann man Jungs beobachten, aber nicht aus dem Elternhaus reißen. Irgenwann drehte sich die Sache um – und der FC St. Pauli musste einige seiner jungen Spieler abgeben, in den genannten Fällen oft an den VfL Wolfsburg.

Francis Amaechi Onwuzo aus dem Jahrgang 1996, wechselte im Alter von 14 Jahren nach Wolfsburg um dann nach nur gut einem Jahr nach Hamburg zurück zu kehren. Es hatte einfach nicht gepasst.

Alexander Laukart, Spieler des Jahrgangs ’98, wechselte mit 13 Jahren vom FC St. Pauli zum VfL Wolfsburg und stand nur ein Jahr später wieder vor der Tür beim Training im Nachwuchsleistungszentrum in Hamburg. Nach einem kurzen Intermezzo in Hamburg versucht er nun sein Glück  seit drei Monaten bei Borussia Dortmund und wird dort hoffentlich seine Zukunft finden. Mittlerweile ist er 16 Jahre alt und vielleicht macht die Entscheidung im diesem Alter mehr Sinn, weil die Gesamtqualität des Kaders in Dortmund dann doch besser ist, als die eines FC St. Pauli.

Viele dieser Versuche sind in den letzten Jahren schief gelaufen und womit will man so einen Wechsel, zumindest vor der U17 auch wirklich begründen. Als Talent beim FC St. Pauli oder beim Hamburger SV ist man in einem zertifzierten Nachwuchsleistungszentrum mit 3 Sternen unterwegs, der VfL Wolfsburg hat ebenfalls 3 Sterne, Bayern München erreicht in diesem Jahr zum ersten Mal 3 Sterne und musste vier Jahre darum kämpfen. Das nur einmal zum Vergleich.

Das bedeutet, die Qualität der Ausbildung ist in den meisten Nachwuchsleistungszentren im Norden nahezu identisch und auch in den Spielklassen kann ein anderer Verein nicht mehr bieten als der Abgebende. Sidnei Djalo wird in Wolfsburg nicht höher spielen als beim FC St. Pauli – und das wird sich auch mit zunehmendem Alter nicht ändern.

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Vereine wie der FC St. Pauli gehen mittlerweile sogar den Weg, ganz junge Fußballer in Hamburg nur noch aus den direkten Stadtteilen aufzunehmen, da es Wahnsinn ist, einen neunjährigen Jungen 3 Mal in der Woche 100 Kilometer im Auto zu bewegen, nur um Fußball zu trainieren oder zu spielen.

Im Fall von Sidnei Djalo wurde die schulische Ausbildung angeführt und man könnte in Wolfsburg den Spagat zwischen Fußball und Schule perfekt kombinieren. Alle Insider werden gelacht haben, denn jeder dieser Vereine, auch die beiden Hamburger, der FC St. Pauli und der Hamburger SV, bieten diese Kombination seit Jahren an. Da gibt es auch in der Qualität kaum bis keine Unterschiede. Ausnahme ist, der Spieler ist älter, wie zum Beispiel ein Levent Öztunali, dem man im vorangeschrittenen Alter schon sehr individuelle Angebote bei seinem Wechsel von Hamburg nach Leverkusen für seine berufliche Fortbildung machen konnte. Am Ende steht die Frage: Wie weit geht der Wahnsinn noch, wo und wann setzt der DFB eine Grenze und schränkt das Verschieben von sehr jungen Spielern ein?

Wir meinen: Mit 13 Jahren braucht man nach wie vor seine Eltern. Der Zuspruch der Familie und die heimische Umgebung ist durch nichts zu ersetzen. Daran und an nichts anderes sollte Eltern denken, die sich mit dem Fortgang ihres Kindes die große Karriere und auch das große Geld versprechen, oder was auch immer.“

Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.