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Gansauge: „Keiner spielt gegen den Trainer“

Thomas Gansauge lebt in Chicago, mit der Hansa-Kogge ist er dennoch eng verbandelt. Als erprobter Abstiegskämpfer stellte er nun seine Expertise zur Verfügung.

Herr Gansauge, dem FC Hansa droht der sportliche Tod. Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie sehr trifft Sie das noch?
Ich würde sagen 8 von 10.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Sie waren im November kurz in Deutschland. Beim FC Hansa vorbei geschaut?
Leider habe ich es nicht nach Rostock und zu Hansa geschafft. Ich war nur ein paar Tage in Hamburg um meine A Lizenz zu verlängern. Danach habe ich kurz meine Eltern auf Rügen besucht und auf dem Rückweg einen Kaffee bei Timo Lange getrunken. Das war es auch schon. Der Aufenthalt war mit fünf Tagen einfach zu kurz.

Gerne frage man ja die Ehemaligen, woran es gelegen hat und ob die Rettung noch gelingt. Wir wissen ja schon mehr und fragen keck: Warum wird es Hansa am Saisonende gepackt haben?
Weil die Spieler den Ernst der Lage erkannt haben und sich aus dem Keller kämpfen werden.

Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu Ihrem alten Mitspieler und aktuellen Hansa-Assistenztrainer Uwe Ehlers? Sie erwähnten ja einmal, dass sie viel von ihm halten.
Ja, Uwe hat mich bei meinem November-Aufenthalt in Hamburg besucht. Die Mannschaft hatte gerade unglücklich mit 1:0 in Cottbus verloren. Dementsprechend war die Laune etwas getrübt. Ansonsten sehen wir uns immer, wenn ich in Deutschland bin.

Nun neigt der enttäuschte Sportfan in solchen Situationen dazu, zu behaupten, es läge an der Lustlosigkeit der Fußballer.
Das ist mir viel zu einfach. Spieler sind zunächst einmal Profis und werden nach ihrer Leistung bezahlt. Wenn sich die Spieler nicht anstrengen, dann verliert das Team und es gibt keine Punktprämie. Mit dem nächsten Vertrag sieht es dann auch nicht so rosig aus. Ich denke, dass der Abstiegskampf immer mit psychologischen Problemen für die Spieler verbunden ist. Das war in meiner Zeit genauso. Ich kann mich da gut an die Saisons 96/97 und 1998/99 erinnern. Da waren die Beine schwer und das Herz rast. Das passierte nicht, weil ich nicht fit war, sondern weil die Psyche mit ins Spiel gekommen ist. Wir haben es dann als Team geschafft, weil letztendlich alle an das große Ziel geglaubt haben und wir eine Gemeinschaft entwickelten, wo einer für den anderen durchs Feuer gegangen wäre. Die Mannschaften, die diesem Druck am besten standhalten oder ihn ganz abwälzen können, haben die besten Chancen erfolgreich zu bestehen.

Haben Sie schon mal gegen den Trainer gespielt?
Nein, noch nie. Obwohl ich schon bei Mannschaftssitzungen, die sich gegen den Trainer ausgesprochen haben, dabei war. Auf dem Platz spielt man in erster Linie für die Mannschaft und sich selbst.

Gab es dann die Situation: Komm, den Alten sägen wir jetzt ab – oder widerstrebt das den Geist eines Fußballspielers?
In den angesprochenen Mannschaftssitzungen gab es entsprechende Aussagen. Aber auf dem Feld habe ich sowas noch nicht erlebt. Du schneidest dich einfach ins eigene Fleisch, wenn du gegen einen Trainer spielen würdest. Jeder bezahlte Spieler ist ein professioneller Arbeitnehmer, und du hast ja als Spieler keinen Vertrag mit dem Trainer, sondern mit dem Verein.

Nehmen sich Fußballfans allgemein zu viel heraus?
Ich sehe das so. Ein Fußallspiel ist eine Businesstransaktion. Der Zuschauer kauft eine Karte für ein Spiel und der Verein macht es dem Zuschauer für die Dauer des Spiels so angenehm wie möglich. Durch gutes Bier, Würstchen und natürlich durch eine gute Infrastruktur im und um das Stadion herum. Kein Mensch zwingt jemanden, eine Karte zu kaufen. Du kannst auch kein Ergebnis kaufen, so wie es dir gerade gefällt. Der Verein und die Spieler haben sich nicht vor den Zuschauern oder Fans zu verantworten. Dafür gibt es Mitgliederversammlungen und Aufsichtsräte, die gewählt sind. Ich bin der Meinung, dass die Fans der Mannschaft am meisten helfen können, wenn auf und neben dem Platz bedingungslos unterstützt wird. Es kann dich unheimlich motivieren, wenn die Fans dich vorantreiben, aber auch komplett lähmen, wenn die Gesänge in Pfiffe umschlagen. Letztendlich haben Fans uns Spieler dasselbe Ziel, und das heißt, Spiele zu gewinnen.
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Versteht der Fußballfan, mal abgesehen vom fehlenden Spielverständnis, einfach nicht, dass Fußball auch Kopfsache ist?
Ich würde da nicht alle Fans über einen Kamm scheren. Man muss aber wissen, dass es im Abstiegskampf – egal ob erste oder dritte Liga – in erster Linie um die Existenzen der Spieler und der Angestellten des jeweiligen Vereins geht. Das alleine ist eine riesige Last, die auf den Schultern der Spieler liegt. Da rollt dann der einfachste Pass schon einmal ins Aus, die sicher geglaubte Annahme verspringt zum Gegner und deine Beine fühlen sich an wie Blei. Ich habe das 1997 und 1999 im Abstiegskampf live miterlebt. Bei Hansa sind jetzt vor allem die Trainer gefragt, um die Spieler auf das gemeinsame Ziel einzuschwören. Sie müssen die Mannschaft konditionell topfit machen und an das Ehrgefühl der Spieler appellieren. Wer will schon dem Team angehören, welches 2015 in den Amateurbereich abgestiegen ist. Ich wünsche Karsten Baumann und Uwe alles Gute dafür!

Kommen wir zu einer Herzenssache. Sie haben alte Trainingsklamotten gespendet. Es kamen schon einmal 60 Euro zusammen, jetzt haben Sie noch Hansa-Soccer-Klamotten nachgelegt. Aber brauchen Sie die Trainingssachen nicht selber für das Benefizspiel am 29. März?
Erst einmal finde ich, dass die Hand in Hand für Hansa Aktion eine ganz tolle Angelegenheit ist. Für mich war es selbstverständlich, meine alten Klamotten zu spenden. Die liegen eh nur bei mir zu Hause rum und so kommt noch etwas Nützliches dabei raus. Ich habe dann gleich noch ein paar von meinen aktuellen Hansa Soccer Klamotten drauf gepackt

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Und der Benefizkick. Hoffen Sie noch auf eine Einladung?
Das ist ein ganz tolles Event, das dort für Hansa auf die Beine gestellt wurde. Es haben ja auch schon namhafte Spieler, Musiker und andere Persönlichkeiten zugesagt. Ich werde versuchen, das Spiel im Internet aufzuzeichnen. Das wird ein Fußball-Leckerbissen!

Und die Einladung?
Ich bin natürlich super enttäuscht, dass keiner der beiden – weder Paule noch Marteria – von meinen fußballerischen Qualitäten so überzeugt war, um mich einzuladen. Aber Spaß beiseite. Ich hätte auch im Falle einer Einladung nicht kommen können, da ich mit meinem U17 Schwaben AC Team vom 27. bis 29. März auf einem College Showcase bin. Das ist ein ganz wichtiges Turnier für meine Spieler, da dort viele Universitätstrainer rekrutieren um ihre Teams zu verstärken.

Wenn Sie dabei gewesen wären: Mit wem würden Sie lieber in den Zweikampf wollen. Stefan Kretzschmar oder Campino?
Ich würde den Zweikampf gegen Campino vorziehen, einfach, weil ich denke, dass ich etwas jünger und somit schneller bin.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.