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„Es ist Wahnsinn im Sonnenaufgang mit 150 Leuten zu laufen“

Bis nach Kenia legen wir die Leitungen, um uns mit Läufern über den HASPA Marathon zu unterhalten. „Das soll auch gar nicht so lange dauern“, empfingen wir Arne Gabius, der in einer Telefonzelle Nahe Iten saß. Am Ende lagen 30 Minuten Gesprächszeit auf der Anzeige. 

Foto: Arne Gabius

 

Arne, in deinem Jahresplan finden wir keinen Eintrag zum HASPA-Marathon. Du wirst doch nicht das Highlight der Hansestadt vergessen haben?
Ganz sicher nicht, ganz im Gegenteil: Ich freue mich riesig auf das Wochenende und den Lauf in Hamburg. Ich werde aber lediglich in der Staffel starten.

→ Zum LIVE-BLOG: Noch 10 Tage bis zum Haspa Marathon

Warum „nur“ die Staffel?
Ich plane keinen Extra-Marathon 2015, weil mein Fokus auf der WM in Peking im August und Olympia 2016 in Rio liegt. Eine Marathon-Distanz käme daher jetzt nicht infrage. Aber ganz auslassen kann ich den HASPA-Marathon natürlich nicht. Der Renndirektor Frank Thaleiser überlegt derzeit noch, in welche Gruppe er mich steckt, aber laufen werde ich definitiv.

Sportlich gibt es demnach keinen Anreiz.
Darum geht es auch nicht. Dennoch genießt der Marathon in Hamburg hohen internationalen Stellenwert. Es geht dabei gar nicht darum, dass es für mich sportlichen Reiz haben muss. Ich möchte trotz dessen bei diesem Mega-Event dabei sein. Ich bin ja gebürtiger Hamburger und habe einen Großteil meines Lebens in Hamburg verbracht. Das Marathon-Wochenende war immer etwas Besonderes für die ganze Familie. Wir sind immer in die City-Nord gewandert und haben die Leute angefeuert. Außerdem war ich mal als DRK-Helfer vor Ort, habe den Marathon also aus verschiedensten Perspektiven miterlebt. Als Zuschauer, Tempomacher, DRK-Helfer, Staffelmitglied, und irgendwann vielleicht auch mal als Top-Läufer. Das Event ist einfach grandios. Die Stadt ist auf den Beinen und es ist toll, wie die Läufer die Stadt erobern. Kein Auto fährt – das ist klasse.

Wenn es dann in der Staffel zur Sache geht: Gibt es einen Streckenteil, den du unbedingt laufen willst?
Ich habe in den Neunzigern einmal Tempo gemacht und bin die ersten zehn Kilometer in der Spitze mitgelaufen. Ich erinnere mich noch daran, als ich als Erster auf der Reeperbahn entlang lief und von tausenden Läufern verfolgt wurde. Das war schon super. Aber auch wenn man hinunter kommt zu den Landungsbrücken – dieses Bild vom Hafen, das in jeder Zeitung steht – das ist ein toller Moment zu laufen.

Zurzeit befindest du dich in Iten in Kenia. Sind die Kenianer bereit für Hamburg?
Die Favoriten kommen ja eher aus Äthiopien. Wobei: Die Bedingungen sind super hier, die Kenianer dürften topfit ankommen und haben keine Ausreden. Und es ist immer wieder lustig, wenn man in der Gruppe läuft und vor einem ein Finisher-Trikot vom Hamburger Marathon schlabbert.

Nun bist du drei Wochen in Kenia. Wird es langsam langweilig in der afrikanischen Pampa?
Nein. Man braucht schon drei Wochen, weil man sich alleine fünf bis sieben Tage akklimatisieren muss für die Höhe. Das kann man sich manchmal gar nicht vorstellen. Vielleicht war schon mal jemand in der Schweiz in St. Moritz, was auf 1800 Meter liegt – da wird die Luft schon dünn. Hier sind es 2400 Meter.

Wie sieht dein Trainingsplan aus?
Ich schaue morgens gegen 6 Uhr aus dem Fenster und gucke, ob es geregnet hat. Wenn es regnet, lege ich mich wieder hin, weil Laufen auf den roten Sandwegen dann unmöglich ist. Regnet es nicht, dann gehe ich 6.30 Uhr im Sonnenaufgang raus und treffe Laufgruppen, die 50-150 Mann stark sind. Montag, Mittwoch und Freitag sind die Lauftage. Dann gibt es festgelegte Strecken und es ist schon Wahnsinn im Sonnenaufgang mit 150 Leuten zu laufen. Es ist teilweise unglaublich, wie viele Leute hier trainieren. Da ist es kein Wunder, dass die Afrikaner so viele Talente haben. Das ist wie in Brasilien mit den Fußballern.

Woher weißt du, welche Laufgruppe für dich geeignet ist?
Letztlich weiß man nie, wer überhaupt kommt. Es kam auch schon vor, dass wir nur zehn Mann waren und dann haben wir uns blöd angeguckt. Im Normalfall sind jedoch immer gute Athleten dabei, die dann auch den Ton angeben. Hälst du dich nicht an deren Plan, gibt es richtig Streit. Es kam da auch mal zu Handgreiflichkeiten. Wer anders laufen will als sie, der muss alleine laufen.

Als Deutscher alleine in Kenia …
Ja, ich habe das tatsächlich kürzlich gemacht. Ich bin aber auch schon mehr als 20 Mal hier gewesen. Neulich bin ich 30 Kilometer alleine gelaufen, weil ich wusste, dass das niemand mit mir macht. Ich habe mir dann Geld mitgenommen, bin die Strecke gelaufen, bis ich nicht mehr weiter wusste und bin dann mit einem Kleinbus zurückgefahren.

Bist du als einziger Deutscher vor Ort?
Kürzlich ist einer hierher gefahren, der auch Hamburg läuft. Sonst ist jetzt wohl keiner mehr hier, ich habe aber auch eine andere Saisonplanung. Wobei es ganz schön ist keine Deutschen um sich zu haben und in Ruhe trainieren zu können. Die Erholung ist dann ja das A und O. Hart trainieren kann jeder, aber sich erholen, dass macht den Unterschied.

Was bewirkt das Höhentraining genau?
Der Körper gewöhnt sich grundsätzlich an alles. Jeder Laie wird allerdings am Anfang sein blaues Wunder erleben. Kürzlich war ein Pilot hier, der in Nairobi Aufenthalt hatte. Er kam nach Iten. Ich unterhielt mich mit ihm und meinte, dass ich am Morgen einen 4-Minuten-Schnitt pro Kilometer gelaufen bin, und er sagte: „Da hätte ich ja auch mitmachen können.“ Am nächsten Tag war er dann gelaufen und hätte fast einen Zusammenbruch gehabt. Die Beine waren schwer, die Lunge brannte, er war so langsam, dass die Kinder ihn abhängten.

Was passiert im Körper?
Man merkt, wie schwer die Beine werden. Man läuft los und nichts geht. Das ist, als wärst du einen Marathon gelaufen und willst dann zum Auto joggen. Da geht nichts mehr. Das kann man sich kaum vorstellen. Hier ist so wenig Sauerstoff in der Luft, dementsprechend kann das Blut kaum Sauerstoff zu den Muskeln transportieren und die Muskeln arbeiten sofort am Maximum und der Körper sagt:

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

„Junge, atme mal schneller.“ Dann brennt die Lunge und schon bist du platt.

→ Nun fragten wir Sabrina Mockenhaupt nach einem Tipp für Amateure. Diejenigen, die es nicht nach Kenia geschafft haben zur Vorbereitung, was kannst du denen sagen?
Es sind nun nicht mal mehr zwei Wochen. Der letzte lange Lauf sollte am vergangenen Wochenende also über die Bühne gegangen sein. Fehler entstehen jetzt, wenn man sich jetzt nicht die nötige Erholung gönnt. Jetzt ist der Punkt, wo man nichts mehr aufholen kann. Demnach lohnt sich Panik nicht. Was jetzt nicht sitzt, kommt auch nicht mehr. Das Training ist abgeschlossen. Vielmehr sollte nun die Vorfreude kommen, vielleicht nochmal ein Läufchen machen und ans Marathon-Wochenenende denken.

Zum Abschied: Ein Tipp für den Marathon bitte.
Vier Tage vor dem Marathon sollte man reichlich Kohlenhydrate essen und die Speicher auffüllen. Beim Marathon rate ich: Nicht zu schnell angehen! Eine alte Marathon-Weisheit lautet: Minuten, die man am Anfang gewinnt, verliert man am Ende. Wenn man einbricht bei Kilometer 30 und gehen muss, weil man meinte, als einer der ersten auf der Reeperbahn zu sein, dann wird es ein langes, zähes Finale.

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Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.