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Rechtestreit im Unterhaus: Wer darf filmen?

Der Bayrische Fussball-Verband geht gegen Medien vor, die Bewegtbilder von Amateurspielen im Internet anbieten. Damit wühlt er einen Konflikt neu auf, den Portale wie Hartplatzhelden bereits vor Jahren erfolgreich vor Gericht ausgefochten haben. Wir haben uns im norddeutschen Fußball umgehört, was der richtige Weg für den Amateurfußball ist.

Feine Zwirne, schnelle Schnitte, Heatmaps. Die Bundeliga bei Sky ist ein perfekt inszeniertes Medienprodukt. So weit sich diese Sphären von den Amateurplätzen dieses Landes entfernt anfühlen, so nah könnten sie doch zukünftig zusammenrücken. Das Internet hat den Bolzer entdeckt. Nachdem im Oktober 2010 der Bundegerichtshof eine Klage des Württembergischen Fussballverbands zurückwies, die dem Online-Portal Hartplatzhelden das Bereitstellen von Spielszenen aus dem Amateurbereich verbieten sollte, wuchsen Portale wie fupa.net oder Elbkick.tv, die eine Sportschau für Amateurfußballer und deren Fans auf die Beine stellen. Der Bayrische Fussball-Verband gibt nun den Partyschreck und tritt kräftig auf die Bremse.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Der BFV betreibt mit bfv.tv ein eigenes Onlineportal und ist wenig erfreut über andere Anbieter. Laut dem Mediendienst kress.de zwinge er Medien aller Größenordnungen, die ihr Bildmaterial online zeigen wollen, wahlweise zur quellenfreien Abgabe der Bilder an den BFV oder zur Entrichtung einer Lizenzgebühr zwischen 500 und 1000 Euro pro Spiel. Eine Summe bei der gerade kleine Portale nicht mehr kostendeckend arbeiten können. Doch nicht nur Medien wären betroffen, sondern auch Hobbyfilmer, Fans und YouTuber, die an bayrischen Fußballplätzen Videos aufnehmen und online stellen wollen. Die Vereine würden angehalten, ihr Hausrecht durchzusetzen und im Sinne des Verbandes rigoros durchzugreifen. Andernfalls drohten ihnen Repressalien durch den Verband. Dürfen die das?

→ „Juristisch sehr hemdsärmelig“ nennt Oliver Fritsch, Gründer der Hartplatzhelden und Redakteur bei Zeit Online, den bayrischen Vorstoß. „Der Verband tritt medial als Mitbewerber auf. Als solcher nutzt er seine Kartellstellung, um andere Medien kleinzukriegen“, findet Fritsch klare Worte, und ergänzt: „Man spricht hier von einem Missbrauch marktbeherrschender Stellung“. Die treibende Kraft beim BFV ist Präsident Rainer Koch, der auch schon im Streitfall zwischen Hartplatzhelden und dem württembergischen Verband als Widersacher von Fritsch entscheidend mitwirkte. Als „nicht kooperativ, sondern von oben herab“ bezeichnet der Journalist das Verhalten des Verbandes und bezweifelt, dass es im Sinne der vertretenen Vereine geschehe und ein Signal für andere Verbände sein könnte.

Beim Portal Elbkick.tv gibt man sich ebenfalls wenig beunruhigt, was die Reaktion der Verbände angeht. Das gelte für den Hamburger Verband, aber auch die entsprechenden Verbände der Ableger Spreekick.tv und Rheinkick.tv, richtet das Portal auf Nachfrage aus. Beim Streit in Bayern sieht Geschäftsführer Axel Möring demnach andere Dimensionen gegeben, einen „Kampf der Giganten, wenn der BFV und fupa.net aufeinandertreffen“. Bei den Verbänden registriere er ein Verständnis für das „brutale Geschäft“ der Berichterstattung vom Amateurfußball und hofft statt einer Verhärtung der Fronten auf eine stärkere Kooperation.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Ein Ansatz, den auch viele Vereine in Norddeutschland unterstützen, wie Gerald Kayser, Marketingbeauftragter des Lüneburger SK, berichtet: „Im norddeutschen Fußball setzt man auf Zusammenarbeit, Kommunikation und Transparenz. Daher gehen die Vereine den Weg auch geschlossen mit“. Die Einnahmen dürften nicht nur in den oberen Spielklassen hängen bleiben, sondern auch den unteren Ligen zugute kommen, so die Forderung des Regionalligisten. Den Schlüssel sieht Kayser in der Kooperation, damit Verbände, Vereine und Medien „für den Fußball zusammenarbeiten“.

Norddeutsche Verbände scheinen vom Vorstoß des BFV nicht sehr beeindruckt, da sie bereits ihre eigenen Wege des Umgangs mit dem Thema suchen. Während der Hamburger Fußball Verband es weitgehend den Vereinen überlässt, wie sie mit Berichterstattung umgehen, ist der Schleswig-Holsteinische Fußballverband bereits sehr aktiv. Der stellvertretende Geschäftsführer Dr. Tim Cassel möchte „die Chancen, die sich durch die neuen Medien auftun, im besten Interesse für den Fußball“ nutzen. So können zum einen Vereine des SHFV gegen eine geringe Gebühr die Berichterstattung selbst übernehmen, zum anderen gehe der Verband auf Medien gezielt zu. „Es zeigt sich, dass die Ware Amateurfußball eine sehr gute ist“, beurteilt Cassel die Chancen des medialen Interesses für die Clubs „daher muss auch der Gegenwert für die Vereine stimmen“.

Ob der bayrische Weg nach dem Hartplatzhelden-Urteil mittlerweile durchsetzbar ist, müssen Gerichte entscheiden. Unklar ist ebenfalls, ob der Verband wirklich im Interesse seiner Mitglieder handelt oder vor allem durch den Antrieb einzelner Kräfte. Sicher ist, dass im Amateurfußball durch den medialen Fortschritt eine Einnahmequelle erschlossen wurde, die dem Fußball in den unteren Klassen eine große Chance bietet. Verbände, Vereine und Medien müssen nun sehen, dass sie gemeinsam Wege der Kooperation finden. Am Wasserloch sollte schließlich genug Platz für alle sein.

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Tim Pommerenke