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Nach dem Bundesliga-Abschied: „Anfangs waren wir traurig“

Lange Jahre gehörten die Fußbälle aus dem Hause „Derbystar“ zu den Hauptdarstellern in der Bundesliga. Seitdem vor fünf Jahren der Einheitsball von „Adidas“ eingeführt wurde, ist es ruhiger um das Traditionsunternehmen geworden. Geschäftsführer Joachim Böhmer erklärt, wie es dem Ballhersteller heute geht.

Herr Böhmer, vor fünf Jahren wurde in der DFL der „Einheitsball“ eingeführt. Ihr Ball aus dem Hause Derbystar ist es damals nicht geworden. Wie ist es Ihrem Unternehmen seitdem ergangen?

In den letzten fünf Jahren konnten wir einen positiven Trend vermelden und verkaufen mehr Bälle als zu Bundesligazeiten.

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Was hatten Sie stattdessen erwartet?
Es gab mit Sicherheit die Befürchtungen, dass unsere Umsätze einbrechen könnten, da uns nun ja seit fünf Jahren die werbewirksame Bühne in der Bundesliga fehlt. Und es ist ja nicht nur die Präsenz in der Bundesliga, sondern auch die Platzierungen in TV- und Zeitungsberichten, die uns durch die Einheitsballregelung verloren gegangen sind.

 

Warum läuft es mit den Derbystar-Bällen denn weiterhin so prima?
Wir haben uns einfach über die Jahre den Ruf erarbeitet, qualitativ zur absoluten Spitze zu gehören. Dazu kommt: Auch viele andere Ballhersteller wurden aus der Bundesliga gedrängt, müssen nun ebenfalls ohne diese Bühne auskommen. Und früher war es nun einmal so, dass Sportartikelhändler ein riesiges Ballsortiment in ihren Läden ausgestellt haben, weil es zig verschiedene Bälle gab, mit denen in der Bundesliga gespielt wurde. Heute findet man meistens nur noch die Adidas-Fabrikate und die qualitativ besonders hochwertigen Bälle in den Läden. Unsere gehören eben in genau dieses Segment.

 

Was macht einen Derbystar aus?
Wir lassen sie noch per Hand nähen, nicht wie die Konkurrenz, die eine Vielzahl ihrer Bälle mit größeren Feldern verschweißt. Für uns ist das ein echtes Qualitätsmerkmal und unsere Kunden bestätigen das. Durch diese Herstellungsweise sehen unsere Bälle noch wie richtige Fußbälle aus und fühlen sich auch so an. Bei manch anderen hat man ja das Gefühl, dass das nur noch Plastikkugeln wären. Um es einmal vorsichtig zu formulieren.

 

Haben Sie sich damals eigentlich auf die Ausstattung des Spielballs beworben?
Ja, wir haben mitgeboten. Auch so weit, dass nur noch Adidas und wir in der Verlosung waren. Dann konnten wir finanziell nicht mehr mithalten. Im Endeffekt sind vor allem kommerzielle Aspekte entscheidend. Es ging nicht darum, den bestmöglichen Ball zu liefern, sondern das meiste Geld zu bieten.

 

In der Tat sagen einige Trainer und Spieler aus den unteren Ligen, dass Derbystar-Bälle eine besonders hohe Qualität versprechen würden.
Mit unseren Bällen kann man vielleicht nicht so weit schießen wie mit den meisten Exemplaren der Konkurrenz, aber unser Eindruck ist, dass unsere Produkte ehrlicher sind. Heißt: Das Flugverhalten ist verlässlicher. Flatterbälle, wie sie in der Bundesliga immer wieder vorkommen, gibt es bei Schüssen mit unseren Bällen viel seltener. Und mir persönlich ist das auch wichtig. Ich möchte nämlich als Fußballfan nicht, dass ein Spiel durch einen abenteuerlich fliegenden Ball entschieden wird.

 

Befürworter sagen, dass  dadurch mehr Tore fallen würden.
Ist es die Aufgabe des Balls, dafür zu sorgen, dass möglichst viele Tore fallen? Ich glaube nicht. Für mich ist dass der falsche Ansatz.

 

Sie sagen trotzdem unter dem Strich: Auch ohne Bundesligapräsenz läuft es. Warum wäre Ihnen eine Bundesligaplatzierung dennoch wichtig?
Die Angst, dass unser Markenname vergessen wird, spielt trotz der aktuellen Verkaufszahlen eine wesentliche Rolle. Wir leben momentan viel von unserem lange aufgebauten Image bei den Kunden. Die „Derbystar“ kennen und wissen, was sie an unseren Produkten haben.

 

Ist es eine emotionale Geschichte?
Auf alle Fälle. Anfangs waren wir sehr traurig und auch ein bisschen wütend, dass wir nicht mehr in der Bundesliga zu sehen waren. Dass die Mannschaften, die wir lange ausgerüstet hatten, auf einmal mit Adidas-Bällen spielten. In der Sportschau kam und kommt Wehmut auf.

 

Wäre es nicht denkbar, dass man 1. und 2. Liga splitten könnte, den Ball-Ausstatter unabhängig ausschreibt?
Mit dem Gedanken haben wir uns beschäftigt. Aber ich sehe das nicht kommen. Auch weil es ja nicht ganz unvernünftig ist, auf einen Einheitsball zu setzen. Die Unterschiede zwischen den Bällen sind einfach so gravierend geworden, dass es fast unmöglich  ist, sich als Spieler auf jedes Spielgerät individuell einzustellen. Dass die Vereine den Einheitsball wollten, kann ich nachvollziehen. Und dass zwischen der 1. und 2. Liga keine Unterschiede gemacht werden sollten, wo doch die Teams zwischen den Ligen pendeln, finde ich auch okay. Unsere Sorge ist eher, dass die 3. Liga bald einen festen Ausrüster bekommt.

 

Gibt es noch die die Hoffnung auf eine Rückkehr in den Bundesligafußball?
Man sagt ja, die Hoffnung stürbe zuletzt. Ich kann mir auch vorstellen, dass Adidas die Liga nicht für immer mit Bällen ausrüsten wird. Die Sache ist bloß die: Es wird im Fall der Fälle wieder auf das gebotene Geld ankommen, nicht auf das eigentliche Produkt. Von daher sehe ich für uns keine wirkliche Chance.

 

Um ein bisschen in Erinnerungen zu schwelgen: Wie lief so eine Vereinsausrüstung eigentlich ab?
Das hatte sich über die Jahre stark verändert. Zu Beginn, noch tief in den Siebzigerjahren, bezahlten die Vereine die Bälle zum Sonderpreis. Später wurden die Bälle gesponsert und irgendwann war es dann soweit, dass die Vereine dafür bezahlt wurden, mit unseren Bällen zu spielen. Je nach dem, wie erfolgreich ein Team war, richteten sich danach die Kosten für das ausrüstende Unternehmen.

 

Bester Werbeträger für Derbystar war ja lange Zeit Werder Bremen. Wie viele Bälle wurden pro Saison für so einen Verein kalkuliert?
Alleine für die Profimannschaft von Werder Bremen waren es im Spielbetrieb um die 150 Bälle. Dazu kam dann noch die Ausrüstung für die 2. Mannschaft und den kompletten Nachwuchs. Auf insgesamt um die 300, vielleicht auch 400 Bälle kommt man bestimmt.

 

Wo das jetzt alles wegfällt – wie arbeitet man im Marketing-Bereich weiter?
Wir versuchen uns in der Breite besser aufzustellen. Wir rüsten zum Beispiel Fußballschulen aus, damit die Kinder mit Bällen von Derbystar groß werden. Wir sie somit an unsere Marke von klein auf an binden. Dazu schielen vier verstärkt auf die Regional- und Oberligen, um zumindest in den lokalen Medien abgebildet zu werden. Eine Zeit lang statteten wir zudem Fußballhallen aus. Aber das fahren wir gerade ein wenig zurück.

 

Ist es dann ein glücklicher Zufall, wenn ein Team wie Arminia Bielefeld, das mit Ihrem Fabrikat spielt, ins Halbfinale des DFB-Pokals vorstößt?
Da im DFB-Pokal bis zum Halbfinale mit den Bällen der Heimspielmannschaft gespielt wird, ist das für uns tatsächlich eine interessante Konstellation. Dass die Arminia so weit vorstoßen konnte, war demnach besonders gut für das Unternehmen. Ganz zufällig kommt das aber wiederum nicht zustande. Es ist schon unser Anliegen, Amateurteams, die im DFB-Pokal vor Fernsehpublikum spielen, mit unseren Bällen auszurüsten. Dann freuen wir uns umso mehr, wenn dem Kleinen die Überraschung gegen den Großen gelingt und unsere Bälle auch in der nächsten Runde präsentiert werden.

 

Früher hatte Derbystar eine ganz weiße Pille als Vorzeigestück. Die meisten Bälle sind heute quietschbunt. Selbst schwarz-weiß gilt als out. Bei Ihnen findet man mittlerweile viel Farbe im Sortiment.
Auch wenn unser komplett weißer Ball einen hohen Wiedererkennungswert hatte – genau aus diesem Grund hatten wir Marketingprobleme. Die Sache ist ja die: Wir haben an diesen weißen Ball sehr getüftelt. Neue Materialien und Strukturen ausprobiert, ihn verbessert und stetig weiterentwickelt. Weil er eben ganz weiß war und das immer blieb, haben die wenigsten von unseren Fortschritten Kenntnis genommen. Es war halt schwer zu vermitteln, dass auch dieser optisch gleichbleibende Ball auf seine Art neu und besser war. Neuentwicklungen zu vermarkten ist  demnach deutlich einfacher, wenn der Kunde sie bereits am Äußeren des Produkts nachvollziehen kann. Deshalb sind unsere Bälle mittlerweile mit Farbmotiven versehen.

 

Dennoch wird der Klassiker nicht eingemottet?
Auf keinen Fall! Wir wollen uns diese ganz weiße Linie unbedingt behalten. Wer produziert denn heutzutage noch diese einfachen, aber schicken Bälle? Ich schaue mir gerade ein Bild in meinem Büro an. „Diego“ setzt auf dem Motiv mit dem weißen Derbystar zum Fallrückzieher an, es ist eine tolle Aufnahme. Das klare Weiß des Balls, ohne Schnickschnack auf dem frischgemähten Rasen – für mich sieht das nicht nur schön, sondern auch richtig edel aus. Dazu kommt: Das Flugverhalten dieses Balls ist einfach perfekt.

 

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Nun sehe ich in Ihrem Sortiment den weißen Derbystar für 120 Euro, einen anderen, identisch aussehenden, für 80 Euro. Was macht den teuren Ball so viel wertvoller?
Gegenfrage: Warum ist ein Audi A6 teurer als ein A4? Die Produkte sind nun einmal hochwertiger, weil bessere Materialien noch besser verarbeitet werden. Viele Dinge kann man außen nicht erkennen, aber gerade das Innenleben eines Balles entscheidet über die letztendliche Qualität.

 

Würde man mir als Laie beide Bälle zurollen, würde ich den Unterschied feststellen?
Ja. Definitiv. Man spürt, welcher Ball besser und somit auch teurer ist.

 

Wie viele Bälle produziert Ihr Unternehmen derzeit?
Im vergangenen Jahr haben wir eine Millionen Bälle produziert. Das ist schon eine ganze Menge.

 

Wie schauen Sie in die Zukunft, was das Herstellen und Vertreiben von Fußbällen betrifft?
Gemischt. Auf der einen Seite gibt es immer wieder Erfolge. Wie rüsten einen Großteil der ersten niederländischen Liga und die komplette zweite Spielklasse mit unseren Bällen aus. Dass ein Verein wie der PSV Eindhoven zuletzt auf unser Fabrikat wechselte, ist eine tolle Sache. Auf der anderen Seite wird die Konkurrenz genauso wie der Preisdruck immer größer. Früher konnte man einen Ball nach seinen Vorstellungen entwerfen und dann langsam den Vertrieb organisieren. Heute muss schon während der Ball-Entwicklung feststehen, wie man ihn verkauft. Alles ist schnelllebiger geworden. Und der Preis steht längst über der Qualität.
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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.