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Tommy Grupe: „Ich achte mehr auf meinen Körper“

Tommy Grupe ist 23 und einer dienstältesten Hanseaten. Seit 16 Jahren spielt er im Verein, zuletzt musste der Jungspund verletzungsbedingt ein Jahr lang ohne Pflichtspieleinsatz ausharren, ehe es zum Comeback kam. Ein Interview.

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Tommy, zu Wochenbeginn schrieb Kevin Pannewitz erneut Schlagzeilen. Er wolle, hieß es, seine professionelle Karriere als Fußballer beenden und fortan als Müllfahrer arbeiten. Das Besondere: Bei deinem bisher einzigen Einsatz in der 2. Bundesliga habt ihr zusammen in der Innenverteidigung gespielt. Wie hast Du die Schlagzeile aufgenommen?
Ich habe sie gelesen, und ich glaube, viele andere aus der Mannschaft haben das auch getan. Es ist eine traurige Geschichte, denn Kevin war ein toller Fußballer mit so großem Talent.

Wenn ein Spieler so schlampig mit seinem Talent umgeht, ist man da nicht als nahezu Gleichaltriger, der sich viel beschwerlicher in die Dritte Liga kämpfen musste, ein bisschen wütend ob der Fahrlässigkeit?
Ich bin überhaupt nicht sauer. Kevin ist ja nicht nur ein feiner Fußballer, sondern auch immer ein feiner Junge gewesen. Immer nett und freundlich. Der allerdings seine Probleme hatte, wie jeder aus den Medien weiß. Er hat aber auch viel verkraften müssen, besonders den Tod seiner Mutter. Das darf man bei der Bewertung seiner Karriere nicht vergessen.

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Tommy, auch Du hast ein hartes Jahr hinter dir. Kreuzbandriss, neun Monate Trainingspause, fast ein ganzes Jahr ohne Pflichtspieleinsatz. Wie hat Dich das verändert?
Ich achte noch mehr auf meinen Körper als ich es vor der Verletzung getan habe. Ich mache mir immer wieder Gedanken, zum Beispiel, ob ich mich wirklich genug gedehnt habe oder ob nicht eine extra Stabilisationseinheit förderlich wäre. Ich glaube, ich bin durch die Verletzung allgemein vorsichtiger geworden, was meine körperliche Verfassung betrifft.

Bist Du reifer geworden?
Das kann man so sagen. Ich habe meinen Beruf mehr schätzen gelernt. Wenn man verletzt ist, nur zuschauen kann und separat vom Team trainieren muss, fällt einem erst auf, wie sehr das Fußballspielen fehlt. Man begreift, welches Privileg man als Fußballprofi genießen darf.

Nun ist ein Kreuzbandriss eine der gravierendsten Sportverletzungen. Viele Spieler, man denke an Holger Badstuber, werden immer wieder von Rückschlägen eingeholt, andere finden nie zurück zu ihrer Leistung. Hattest Du vor deinem Comeback ähnliche Zweifel?
Ich bin sehr optimistisch an die Sache herangegangen. Habe mir gleich zu Beginn gut zugeredet und war mir sicher, dass ich das packen werde.

Wie lief der Rehabilitierungsprozess genau ab?
Das waren ganz viele, kleine Schritte. Sich das erste Mal wieder ohne Krücken bewegen, dann die erste Runde auf der Laufbahn. Waren die ersten Erfolge noch groß und schnell erkennbar, wurde es mit der Zeit zäher. So war ein Ziel, jeden Tag eine Runde mehr durchzuhalten. Erst eine, dann zwei, dann drei Runden, so ging es unermüdlich weiter. Im Kraftraum haben wir zudem immer wieder die gleichen Kraftübungen gemacht. Das nervte irgendwann, weil alles so eintönig war. Aber es war notwendig, um das Comeback zu schaffen und sich richtig darauf vorbereiten zu können. Ich bin Jochen Bülow, dem Vater von Kai Bülow, sehr dankbar, dass er meine Reha in Bad Doberan so engagiert begleitet hat. Gleiches gilt für unsere Physiotherapeuten Frank Scheller und Tobias Hamann, die mir immer Mut gemacht haben.

Während du an deinem Comeback gefeilt hast, sind bei Hansa insgesamt drei Trainer gegangen. Verrückt, oder?
„Verrückt“ ist das richtige Wort. Aber so läuft eben das Fußballgeschäft.

Konnten die Trainer, die während deiner Pause kamen und gingen, überhaupt auf Dich einwirken?
Ich habe mich zwar mit den Trainern, die zwischendurch neu da waren, unterhalten und bewegte mich auch immer in der Nähe der Mannschaft, aber einen richtigen Einfluss konnten sie nicht auf mich ausüben.

Als dein Kreuzband riss, war der F.C. Hansa Rostock noch auf einem guten Weg, erst nach deiner Verletzung ging die Abwärtsspirale richtig los. Wie hast Du das von außen erlebt?
Dass mir komplett die Hände gebunden waren, hat mich sehr gestört. Ich war zwar bei der Mannschaft, richtig Einfluss konnte ich nicht nehmen.

Was mir aufgefallen ist, besonders im Test gegen Werder Bremen – Du scheinst härter zu spielen. Hat das was mit deinen Erfahrungen der letzten Monate zu tun?
Ich bin durch die Reha und die Sommervorbereitung fitter und robuster geworden. Ich fühle mich kräftiger, und das verschafft mir natürlich einen Vorteil im Zweikampf. Deshalb versuche ich noch mehr dazwischen zuhauen, sofern es gefordert ist. Auch zu sehen beim Testspiel gegen Bremen.

Ein ehemaliger Teamkollege sagte mal im Rahmen eines privaten Treffens: „Der Tommy, das ist ein feiner Kicker. Das kann einer werden. Aber erst ist noch zu lieb.“ Würdest Du dem zustimmen?
Über das Lob freue ich mich. Und ja, ich muss noch etwas stärker aus mir herausgehen, lauter werden. Aber das gelingt mir schon ganz gut und ich bin zuversichtlich, dass ich die Entwicklung fortsetzen werde.

Was noch auffällt: Du bist ein sehr fairer Spieler. Vielleicht zu fair?
Man kann auch hart spielen, ohne zu foulen. So ist es ja nicht. Allgemein definiere ich mein Spiel darüber, bei Zweikämpfen möglichst keine Freistöße zu verursachen. Da rutscht gerne einer durch, und wenn das passiert, hat dir das Foulspiel rein gar nichts gebracht, sondern das Gegenteil ist eingetreten.

Muss man als junger „Spieler“ aber nicht das richtige „Foulen“ und „Austeilen“ lernen? Dein Teamkollege Marco Kofler ist ja ein Paradebeispiel dafür, wie gut diese Gangart funktionieren kann.
Jeder Spieler hat seine Spielweise. Die steckt schon in der Spielerpersönlichkeit, ist darin verankert.

Du konkurrierst mit einigen Spielen um die Positionen im defensiven Mittelfeld. Gibt es einen Mitspieler, von dem Du gerne eine Stärke adaptieren würdest?
Ich schaue nur auf mich und darauf, wie ich meinen eigenen Stil verbessern kann und wie ich generell besser werde. Es bringt glaube ich nicht so viel, wenn man sich zu sehr auf andere konzentriert und dabei versäumt, am eigenen Spiel zu feilen. Meine Teamkollegen werden das sicher ähnlich sehen.

Im letzten Test durftest du am längsten von allen zentralen Mittelfeldspielern ran. Ein klares Indiz auf einen Startelfeinsatz zum Saisonauftakt?
Die Spielzeit an sich hat damit relativ wenig zutun. In der ganzen Vorbereitung hat mal der eine, mal der andere etwas länger gespielt. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass es ein klares Zeichen dafür war, dass ich am Samstag beginnen werde.

Was ist dein persönliches Ziel für die Saison?
Ich möchte so viel Spielzeit wie möglich sammeln, meinen Beitrag für eine hoffentlich gelungene Saison leisten. Und ich möchte vor allem auch deshalb spielen, damit ich mich verbessern kann. Dafür werde ich im Training alles geben.

Nun bist du gemeinsam mit Johannes „Pommes“ Brinkies am längsten dabei. Du hast einige Hansa-Teams gesehen und hautnah kennengelernt, es gibt also für dich beste Vergleichsmöglichkeiten. Wo siehst Du die aktuelle Mannschaft im Vergleich zu den Vorjahren?
Das ist noch schwer zu sagen. In der Vorbereitung haben wir viele Dinge gut gemacht, es gibt aber auch noch Bereiche, in denen wir noch an uns arbeiten müssen. Zuversichtlich stimmt, dass wir als Truppe harmonieren. Auch außerhalb der Kabine.

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War das in den Vorjahren anders?
Eigentlich nicht. Ich kann jedenfalls nichts anderes behaupten.

Ich als Schreiberling merke, dass sich mein Blick auf den Verein durch viele Interna verändert hat. Ich bin nicht mehr auf die euphorische Art Fan, wie ich es früher einmal war. Es ist beschwerlicher geworden. Wie geht es dir dabei? Du bist Rostocker, Hansa-Fan, nun schon eine ganze Weile Profi.
Es ist nach wie vor eine besondere Situation. Ich verdiene mein Geld bei dem Verein, für den ich seit 16 Jahren spiele. Das ist doch großartig. Ich schätze das und an meiner Einstellung zu Hansa hat sich nichts geändert. Höchstens, dass ich alles aktiver mitgestalten kann. Da ich ein Teil von Hansa Rostock bin.

Und welche Lektionen hast Du in dieser Zeit begriffen?
Das nichts selbstverständlich ist. Ich sagte es bereits im Hinblick auf meine Verletzung: Jederzeit kann etwas passieren, was dich zurückwirft. Du musst immer an dir arbeiten, besonders bei Rückschlägen. Das habe ich gelernt und verinnerlicht.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.