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Andreas Murken im Interview: „Profitieren vom Standort“

Der Rostocker FC rüstete im Sommer groß auf. Unter anderem kam mit Martin Pett ein Spieler, der noch vor einem dreiviertel Jahr beim FC Hansa Rostock in der Dritten Liga sielte. Wir sprachen mit Max Murken, dem Sportlichen Leiter der Rostocker, über die Ambitionen und den Favoritenkreis auf den Oberliga-Aufstieg.


Herr Murken, Sie haben einige prominente Neuverpflichtungen getätigt. Wie war das möglich?
Mit viel Überzeugungsarbeit. Wir haben uns früh um die Spieler bemüht und ihnen die Vorteile unseres Standorts aufgezeigt. Die beruflichen Möglichkeiten, unsere Vereinsinfrastruktur mit Team-Arzt und Physiotherapeuten sowie die allgemeine Lebensqualität in der Stadt und natürlich – nicht zu vergessen – unsere treuen Fans.

In der Verbandsliga verdienen manche Spieler auch ganz gutes Geld für Sechstligaverhältnisse.
Das ist bei unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht drin. Wir haben unseren kleinen Spieleretat im Vergleich zum Vorjahr sogar gekürzt. Umso glücklicher ist es gelaufen, dass wir unser Team trotzdem so umfassend verstärken konnten.

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Und das liegt nur an der Stadt Rostock?
Auf der einen Seite ja. Spieler wie Felix Dojan, Martin Pett, Jesse Borchert und Can Calkavan haben einen hohen Bezug zur Stadt. Für sie war es wichtig, nicht mehr unter der Woche zu den Trainingseinheiten pendeln zu müssen. Zudem konnte der Rostocker FC mit seinem zuletzt eingeschlagenen Weg beeindrucken.

War das aus den Gesprächen herauszuhören?
Felix Dojan, der vom Oberligisten aus Wismar kam, hat selber eingestanden, dass er vor drei Jahren nicht einmal über einen Wechsel zum RFC nachgedacht hätte. Dass so eine Verpflichtung möglich wurde, hat sich der gesamte Verein in den letzten Jahren erarbeitet.

Ist es für den RFC nicht ein toller Erfolg, Spieler zu bekommen, die auch bei finanzstärkeren Vereinen begehrt waren?
Ein Erfolg? Irgendwo schon. Aber auch da sind wir realistisch. Wir profitieren – wie bereits gesagt – von unserem Standort. Und da gehört auch dazu, dass die lokale Konkurrenz aus  Bentwisch und Sievershagen nicht mehr Verbandsligafußball spielt.

Wie liefen die Transfers im Allgemeinen ab? In der Bundesliga kann sich das jeder vorstellen, in der 6. Liga wahrscheinlich nicht.
In dem man Kontakt zu den Spielern sucht und Ihnen die Vorzüge vom RFC offen legt. Bei Felix Dojan mit dem ich schon seit Oktober intensive Gespräche geführt habe, war schlussendlich nicht nur die gute Mannschaft ausschlaggebend, sondern auch der zwischenmenschliche Aspekt. Als wir sein Okay hatten, ging danach vieles einfacher. Es hat eine Signalwirkung erzielt. Auch andere Spieler wussten spätestens dann: Wir haben etwas vor. Denn man darf ja nicht vergessen: Wir hatten schon vor den ersten Verpflichtungen ein starkes Team beisammen.

Und damit beeindruckt man einen Martin Pett?
Bei Martin konnten wir zum einen damit punkten, dass wir für ihn eine berufliche Perspektive abseits des Platzes zeichnen konnten. Dann half uns natürlich auch seine Freundschaft zu Felix Dojan.

Was haben Sie mit den Neuzugängen vor?
Wir wollen uns im Vergleich zum letzten Jahr in der Tabelle verbessern und in der oberen Tabellenhälfte etablieren.

Gehen die Gedanken Richtung Meisterschaft?
Es ist ein Traum, nicht mehr. Die Liga ist so eng besetzt, dass es vermessen wäre, die Meisterschaft als großes Ziel auszuloben.

Denkt der RFC an die Oberliga?
Derzeit nicht.

Wieso nicht?
Zunächst ist das eine finanzielle Geschichte. Die Personalkosten sind da noch nicht einmal der ausschlaggebende Punkt. Es geht vor allem um Organisatorisches wie die Reisen nach Berlin und Brandenburg. Außerdem finden wir die Oberliga nicht sonderlich attraktiv, so, wie sie momentan zusammengesetzt ist.

Was müsste sich Ihrer Ansicht nach ändern?
Eine Oberliga Mecklenburg-Vorpommern wäre sehr attraktiv. Die besten Mannschaften des Bundeslandes direkt unterhalb der Regionalliga, das hätte auch für die Fans einen hohen Reiz, wie man es schon in Hamburg oder Schleswig-Holstein feststellen kann.

Ist das wahrscheinlich oder auch nur ein Traum?
Viele Trainer und Vereinsverantwortliche teilen diese Idee. Deshalb besteht bei uns die Hoffnung, dass das in den nächsten Jahren funktionieren könnte. Daher ist es auch unser Anspruch, in der Verbandsliga oben mitzuspielen. Damit wir, wenn es passieren sollte, auch zu den Teams zählen, die sportlich in einer Oberliga Mecklenburg-Vorpommern mitmischen könnten.

Sprechen wir über Ihre Mannschaft. Sie hat sich stark verändert. Wie zeigt sich das?
Zunächst einmal haben wir 27 Mann im Kader. Damit sollten wir gut durch die Saison kommen. Im letzten Jahr war es aufgrund von Verletzungen so eng geworden, dass wir zeitweise mit unserem ersten Torhüter auf dem Feld spielen mussten und dass die Mitglieder des Trainerteams gleichzeitig als Auswechsler auf dem Spielberichtsbogen standen. Das dürfte nun seltener vorkommen.

Kann es immer noch nicht ausgeschlossen werden?
Es kann immer viel passieren. Außerdem hat sich an unserem Grundsatz, dass der Beruf vorgeht, nichts geändert.

Wie wird es die Verbandsligamannschaft verkraften, wenn wichtige Spieler der letzten Jahre auf einmal auf der Bank sitzen?
Es wird einige Härtefälle geben. Zum Beispiel Jungs, die es vielleicht auf einmal nicht mehr regelmäßig in den Kader schaffen. Aber wir sind optimistisch. Der Team-Spirit ist unverändert großartig.

Half der auch bei den Verpflichtungen der Neuzugänge?
Es hilf vor allem bei der Integration. Die neuen Spieler fühlen sich wohl, gerade die Jungs, die zuletzt höher gespielt haben. Für sie ist die Größe unserer Gemeinschaft in dieser Form eine neue Erfahrung. Auch weil der Leistungsdruck gegenüber den Jahren zuvor nachgelassen hat.

Der Spirit der RFC-Mannschaft kam vielleicht auch dadurch zustande, weil es mit Daniel Muniz dos Santos einen jungen Brasilianer im Team gab, um dessen Bleiberecht der Verein lange kämpften musste. Wie ist dort der Stand?
Daniel hat nach seiner Verletzung noch etwas Rückstand, aber er ist gut angekommen und macht sich gut.

War die Erleichterung groß, als er wieder in Deutschland eingetroffen ist?
Wir hatten fast täglich Kontakt und waren uns seiner Rückkehr relativ sicher. Erleichtert waren wir trotzdem. Es ging nämlich auch um unsere Glaubwürdigkeit.

Glaubwürdigkeit?
Wir konnten Daniel ja lange Zeit nur aufgrund der vielen Spenden in Deutschland halten. Es wäre unglaubwürdig gewesen, wenn das nur sehr kurzfristig geklappt hätte. Der große Einsatz nach wenigen Wochen verpufft wäre.

Wie lautet der weitere Plan?
Es gibt die Regelung für nicht EU-Ausländer, in Bereichen arbeiten zu dürfen, in denen es nicht genug Kräfte aus dem Inland gibt. In einer solchen Einrichtung kann Daniel seinen Freiwilligendienst ausüben, um nach diesem Probejahr eine Ausbildung zu starten. Wenn er es annimmt, hat er eine berufliche Chance in Deutschland und darf vielleicht langfristig bleiben.

Gibt es Zweifel, dass er es vielleicht nicht annehmen könnte?
Er muss sich von seinem Traum, vielleicht doch noch Profi zu werden, verabschieden. Er könnte sicherlich Regionalliga spielen. Aber was nützt ihm das auf Dauer? Der Weg, den wir gemeinsam gesucht haben, ist meines Erachtens der beste für ihn.

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Sehr viel zum RFC, jetzt ganz kurz zur Liga. Wer ist in Ihren Augen der Titelfavorit?
Schwer zu sagen. Es gibt viele Teams, die im Sommer nachgerüstet haben. Ob sie besser geworden sind, wird die Saison zeigen. Ganz oben muss man aber sicherlich Torgelow, Schwerin, Greifswald und Pampow erwarten. Außerdem würde ich Teams wie den Aufsteiger aus Güstrow oder das eigentlich abgestiegene Stralsund nicht abschreiben.

Und der Rostocker FC zählt nicht dazu?
Der möchte ebenso da oben mitmischen.

Bei den Kaderveränderungen und den drei großen Transfers: Wäre nicht schon ein sechster Platz eine Enttäuschung?
Nein. Im Gegenteil. Dann hätten wir uns ja gemäß der Zielstellung verbessert.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.