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Steven Ruprecht: „Henn ist großartig“

Er ist wieder da. Zumindest für ein paar Tage, um sich beim FC Hansa fitzuhalten. Denn nach seinem Abgang sucht Steven Ruprecht noch einen Verein. Warum er nach einer starken Rückrunde noch vereinslos ist, welche Gedanken er sich macht und was er vom neuen FC Hansa hält – im Gespräch mit Hannes Hilbrecht liefert der 28-Jährige viele starke Antworten.

Steven, warum ging es bei Dir und dem FC Hansa nicht weiter? Im Internet kursiert einiges. Von zu hohen Gehaltswünschen, fehlender Vereinsidentifikation bis hin zu Zweitligaplänen. Was stimmt?
An der Identifikation zum Verein hat es bei den geplatzten Vertragsverhandlungen nicht gelegen. In den schwierigen Wochen, die Verein und ich gemeinsam durchgestanden haben, bin ich mit dem Klub zusammengewachsen; sie haben mich menschlich geprägt. Und ich muss auch ganz ehrlich sagen: Der Verein und die Stadt fehlen mir. Deshalb habe ich mir bisher jedes Hansa-Spiel angesehen und war auch vor meiner kurzweiligen Rückkehr ins Mannschaftstraining so oft wie möglich an der Ostsee.

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Trotz der Begeisterung für Stadt und Verein hat es nicht geklappt?
Der Verein und ich konnten uns bei den Verhandlungen nicht einigen. Das gehört zum Profigeschäft – leider – dazu.

Des Geldes wegen?
Bei aller Fußballromantik darf man nicht vergessen, dass wir Fußballprofis nur über eine begrenzte Zeit unseren Beruf ausüben können. Außerdem geht es um meine Familie, die ich versorgen möchte. Da muss das ganze Paket stimmen. Da ich mit 28 nicht mehr allzu viele Verträge unterschreiben werde, muss ich Angebote unter mehreren Aspekten betrachten.

Nun kam deine Verletzung dazu. Wie hat sich das ausgewirkt?
Ich erhielt unmittelbar vor der Verletzung ein sehr gutes Angebot aus der Dritten Liga. Es hat alles gepasst. Ohne Verletzung hätte ich diesen Vertrag unterschrieben, sobald der Klassenhalt mit Hansa sicher gewesen wäre. Notfalls auch nach der Saison.

Trug dieses – durch die Verletzung – geplatzte Angebot dazu bei, dass Du dich mit Hansa nicht einigen konntest?
Es hat mir Möglichkeiten aufgezeigt. Wobei immer die Bereitschaft bestand, bei Hansa zu verlängern.

Ging es beim von dir angesprochenen Verein um Dynamo Dresden?
Nein, es handelte sich um einen anderen Verein.

Dennoch gab es Gerüchte über ein Dresden-Engagement.
Die Medienberichte kamen in den Dresdner Medien komischerweise erst auf, als die Sache zwischen mir und Dynamo längst vom Tisch war.

Wie fielen die Reaktionen der Hansa-Fans nach deinem Abgang aus? Durch deine Frau liegt einer deiner Lebensmittelpunkte weiter in MV.
So und so. Was natürlich nervt, ist, wenn Fans dich in deiner Privatsphäre auf seltsame Weise anquatschen. Als ich in Rostock auf dem Marteria-Konzert war, erkannten mich ein paar Fans und fingen dann an, „Scheiß Dynamo“ zu singen. Da konnte ich nur den Kopf schütteln.

Wie war Dein allgemeiner Kontakt zu den Fans?
Es war sehr gemischt. Gerade als es bei uns überhaupt nicht lief, war ich für viele der Sündenbock. Was mir gut gefallen hat: Die Anhänger haben in der Rückrunde eine tolle Reaktion gezeigt und mir die Chance gegeben, mich mit guten Leistungen in ihre Sympathien zurückzuspielen.

Woran hast Du das erkannt?
Ich weiß noch, dass ich beim ersten Rückrundenspiel in Wiesbaden sehr viel Feuer bekommen habe. Beim Einschießen setzte ich den Ball total daneben, die Anhänger im Gästeblock klatschten und johlten schadenfreudig. Als ich den Ball holte, gab es Beschimpfungen. Ein paar Monate später hatte sich das ganze geändert, da gab es viel Zuspruch und Respekt. Sogar ein paar Gesänge, die sehr gut taten.

Nun trainierst Du wieder beim FC Hansa, um nach deiner Reha in Schwung zu kommen. Muss ein Spieler eigentlich dafür bezahlen?
Nein. Uwe Klein hat mir einfach einen großen Gefallen getan. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Wie bist Du nach deiner Verletzung wieder in Tritt gekommen?
Es war schwierig. Ich habe gemerkt, dass ich ganz schön pumpen musste. Ein hartes Profitraining ist eben nochmal ein ganz anderes Arbeiten. An die Intensität kommt man im individuellen Aufbau einfach nicht heran.

Wie verändert sich eigentlich die Ernährung, wenn man verletzt ist und zwangsläufig nicht zu viel Energie benötigt?
Ich muss schon darauf achten, sonst nehme ich sehr schnell zu. Ich hatte in der Vergangenheit ein paar Gewichtsprobleme, wenn ich verletzt war. Was daran lag, dass ich früher als Kind und Jugendlicher alles essen konnte, aber nie dick wurde. Als Profi war das plötzlich anders. Deshalb musste ich daraus die Lehren ziehen, um das Problem zu vermeiden. Das ist mir ganz gut gelungen.

Und wie geht’s deiner Schulter?
Es wird besser.

Nun hast du als Trainingsgast einen guten Eindruck für die Hansa-Mannschaft bekommen. Wie bewertest Du deine alten Teamkollegen?
Der erste Anzug ist verdammt stark. Gerade in der Offensive haben sie Spieler, die für Drittligaverhältnisse richtig viel Qualität besitzen. Doch nicht nur Stammkräfte gefallen mir, auch die jüngeren Spieler, die danach kommen, haben mich überzeugt.

Du kennst die Mannschaft aus den Vorjahren: Ist es das beste Hansa-Team der letzten drei Saisons?
Schwer zu sagen. Auch Andreas Bergmann und Uwe Vester hatten einen guten Job gemacht und eine sehr talentierte Mannschaft zusammengestellt. Insgesamt würde ich die aktuelle Truppe aufgrund des großen Talents vorne sehen. Zudem passt sie – nach meinen Eindrücken – menschlich sehr gut zusammen.

Wo siehst du Probleme?
Es wird entscheidend sein, dass die Truppe von Verletzungen verschont bleibt. Und dass die Balance im Team gehalten wird, wenn es auch mal personelle Härtefälle gibt. Zwangsläufig wird es immer Spieler geben, die es verdient haben, auf dem Platz zu stehen, die dann aber draußen sitzen müssen, weil andere besser sind. Darauf reagieren Mannschaften sehr unterschiedlich.

Und eine Saisonprognose?
Bleiben Verletzungssorgen aus, spielt Hansa oben mit.

Für dich als ehemaligen Abwehrchef: Wie bewertest Du deinen Nachfolger Matthias Henn?
Ein großartiger Typ! Wir waren letzte Woche gemeinsam mit Ahlschwede in der Stadt um zusammen zu essen. Das hat sehr viel Spaß gemacht.

Und Deine fußballerische Einschätzung?
Noch viel besser. Er ist ein bärenstarker Spieler. Er strahlt Ruhe aus, ist überhaupt nicht hektisch und spielt ganz souverän seinen Stiefel runter, ist jemand, der seine Teamkollegen besser macht und dazu eine Führungsfigur. Ich war schon nach seinem ersten Spiel gegen Werder II beeindruckt, nun bin ich es noch mehr. Und habe mich ein bisschen geärgert, dass ich doch nicht geblieben bin. (lacht)

Warum?
Ich kann mir einfach gut vorstellen, dass es zwischen ihm und mir gepasst hätte. Nach dem Lautern-Spiel kam auch ein Rostocker Journalist zu mir und meinte, dass er bereits den gleichen Gedanken gehabt hätte. Aber ganz allgemein muss ich sagen: Die Hansa-Abwehr steht gut und kann sicherlich eine gute Saison absolvieren. Wenn alle Jungs fit bleiben.

Nun muss es für Dich anderorts passen. Wie sieht dein Markt aus?
Ich bin nicht unzufrieden. Es ist zwar ruhiger geworden, aber es gibt das Interesse und der Markt für mich ist vorhanden.

Bis wann soll es klappen?
Ich bin zwar nicht auf das Transferfenster angewiesen, doch liegt es ganz klar in meinem Interesse, bis zum 31. August bei einem neuen Verein zu sein. Einfach, weil ich loslegen will und ich nicht zu spät dazu stoßen möchte. Vorausgesetzt: Ich bin bis dahin komplett beschwerdefrei.

Wieso nicht jetzt sofort?
Zum einen möchte ich bei keinem Verein unterschreiben, solang ich wegen meiner Schulter noch bedenken habe. Außerdem wird zurzeit viel gepokert. Spieler werden noch wechseln, gerade die, die Angebote aus der zweiten Liga haben. Man kann sagen, dass noch die Ruhe vor dem Sturm herrscht. Ich freue mich auf den Sturm.

Keine Selbstzweifel?
Null. Warum auch?

Naja, eine gute Rückrunde gespielt, dann verletzt, nun vereinslos. Das kann nach hinten losgehen.
Ich bin ein selbstbewusster Typ und denke positiv.

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Du könntest Dich trotzdem verpokert haben.
Dass kann immer passieren. Genauso gut kann ich auch alles richtig gemacht haben.

Wo soll es denn hingehen und wie wählerisch kannst Du überhaupt sein?
Es gab lukrative Angebote von hochambitionierten Viertligisten und Vereinen aus dem Ausland, die eine Führungsrolle und ein ruhiges Umfeld boten. Aber ich möchte Drittliga spielen, es noch einmal allen beweisen.

Und der Bequemlichkeitsfaktor spielt welche Rolle?
Natürlich müssen auch ein paar andere Dinge passen. Aber sicher ist: Ich werde nicht den bequemsten Weg gehen. Auch wenn ich mich dafür in ein bereits zusammengewachsenes Team hineinkämpfen muss.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.