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Darum geht es beim HSV aufwärts

Inzwischen gehört es ja zum guten Ton, sich verbal am HSV zu vergreifen. Und man muss konstatieren: Er hat tatsächlich auch viel dafür getan. Allerdings zeigt ein Blick zurück auf die ersten 270 Saisonminuten: Es geht aufwärts.

Foto: Torsten Helmke


Das mag zwar im Hinblick auf eine 0:5-Niederlage, mit der der HSV in die Saison gestartet ist, eigenartig klingen – es stimmt aber. Die Pleite resultiert aus der Begegnung gegen den FC Bayern. Und so bitter es klingt: Zurzeit besitzt der Kader des HSV einfach nicht die Qualität, um mit dem des ebenfalls noch nach der Form suchenden FCB mitzuhalten.

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Und was anderes als eine Niederlage in etwa dieser drastischen Höhe soll bitte dabei herauskommen, wenn – bei allem Respekt – Bundesligadebütanten wie Gideon Jung und Michael Gregoritsch, die irgendwann einmal die Stützen des HSV werden könnten, es aber längst noch nicht sind, Weltmeistern wie Xabi Alonso, Thomas Müller etc. gegenüberstehen?

Der HSV hat sich in diesem Spiel für seine Verhältnisse und mit seinen Möglichkeiten gut verkauft. Dass er im letzten Spieldrittel eingebrochen ist: geschenkt. Und das Ergebnis relativiert sich sogar, wenn man es beispielsweise mit dem 0:3 vergleicht, mit dem Bayer Leverkusen – ein Team, dass anders als der HSV um die Champions-League-Plätze mitspielt und auch dank eines komplett anderen finanziellen Backgrounds ganz andere Ansprüche an sich selbst stellen muss – wieder an den Rhein geschickt wurde.

Wie gegen die Bayern geriet der HSV auch gegen die neu aufgestellten Schwaben aus Stuttgart nach einer knappen halben Stunde in Rückstand. Diesmal jedoch besann er sich auf seine Qualitäten, die er schon zu Ende der vorigen Saison einschließlich der Relegationsspiele so häufig zeigte: Er bewies Moral und die Fähigkeit, Rückschläge wegstecken zu können. Begünstigt durch eine Hinausstellung eines Stuttgarters drehten die Hamburger die Partie nach dem zwischenzeitlichen 1:2 in ein 3:2. Der letzte Treffer entstand dank einer sehr sehenswerten Vorlage Pierre-Michel Lasoggas, der, wenn man es so will, sinnbildlich für den womöglichen Wandel des HSV steht. Vor wenigen Monaten war der Stürmer übergewichtig, fußballerisch limitiert und lebte von seinem Torjägerruf, den er sich in der Vergangenheit, in einer einzigen Saison, aufgebaut hatte. Inzwischen hat sich Lasoggas Gewicht seiner Statur deutlich angeglichen, und auch im spielerischen hat er Fortschritte gemacht, sodass die Hoffnung wieder geschürt werden darf, dass er an seine einst erfolgreichen Zeiten anknüpft.


Wie Lasogga legte auch der gesamte HSV spielerisch zu, wie in der Partie beim 1. FC Köln gut zu erkennen war. Es war kein hochklassiges Fußballspiel. Das aber war auch nicht zu erwarten. Doch Hamburg gefiel mit Ansätzen von One-Touch-Spiel und war Köln in vielen Statistiken überlegen. 52% Ballbesitz, 54% gewonnene Zweikämpfe, 17:6 Torschüsse, 8:3 Ecken – die Zahlen waren ansprechend und lassen für die Zukunft hoffen. Die entscheidende Statistik sprach leider gegen den HSV: Das Spiel ging bekanntermaßen mit 2:1 für Köln aus. Fans und Kritiker waren sich aber größtenteils einig, dass zumindest der Siegtreffer, der durch eine zweifelhafte Schiedsrichterentscheidung, die einen Strafstoß und eine Rote Karte für Emir Spahic nach sich zog, eher schmeichelhaft zustande kam. Ein Punkt wäre verdient gewesen.

Fazit: Der Saisonstart des HSV ist nicht gelungen, aber der Verein befindet sich zumindest im Soll. Drei Punkte nach drei Spielen sind angesichts der Tatsache, dass das Duell bei den Bayern bereits Geschichte ist und nicht noch vor der Brust liegt, in Ordnung.

In Ordnung – so lässt sich wohl auch am besten die bisherige Bewertung der Neueinkäufe beschreiben. Die Rothosen verpflichteten mit Albin Ekdal, Michael Gregoritsch, Sven Schipplock, Emir Spahic, Gotoku Sakai, Andreas Hirzel, Batuhan Altintas und kurzfristig Aaron Hunt jede Menge frisches Blut.

Zu Altintas lässt sich freilich noch nicht viel sagen – er ist noch nicht spielberechtigt. Unverhofft kam allerdings Andreas Hirzel zu seinem ersten Bundesligaeinsatz. Weil Jaroslav Drobny nach seiner Schultereckgelenkssprengung noch nicht fit war, rutschte der 22-jährige Schweizer als Ersatztorwart an den bisherigen drei Spieltagen in den Kader. In Köln verletzte sich René Adler und musste schon in der ersten Spielhälfte vom Platz. Hirzel machte seine Sache gut und war an beiden Gegentreffern machtlos.

Albin Ekdal hat gezeigt, dass er die erhoffte Verstärkung für das Mittelfeld werden kann. In der Serie A, in der der Schwede zuletzt für Cagliari Calcio spielte, wird deutlich langsamer gespielt als in der Bundesliga. Das sah man seinem Spiel an. Allerdings – und auch das war schon deutlich zu erkennen – weiß er gut mit dem Ball umzugehen. Ekdal kommt auf bisher 241 Einsatzminuten in drei Spielen, in denen er im Schnitt 50 Ballkontakte hatte. Er soll, wenn Marcelo Diaz fit ist, gemeinsam mit dem Chilenen die Doppelsechs bilden.

Michael Gregoritsch hat sogar noch ein paar mehr Minuten absolviert als Ekdal: 258. Anders als der Schwede wird er auf dem rechten Flügel eingesetzt. Gregoritsch ist schnell und hat einen schussgewaltigen linken Fuß – ist aber noch unerfahren. Dass Bruno Labbadia ihn nach ein paar schwächeren Dribblings nicht gleich wieder auf die Bank setzt, gibt Hoffnung. Nur, wenn er regelmäßig spielt und auch Fehler machen darf, kann er sich zur erhofften Verstärkung weiterentwickeln.

Eine Verstärkung, die Sven Schipplock (225 Minuten) derzeit schon ist. Auch wenn die Spielweise des ehemaligen Hoffenheimers etwas hüftsteif wirkt: Er ist durchsetzungsstark und mannschaftsdienlich. Eine Zweikampfquote von fast 40 Prozent gewonnen Duellen ist für einen Stürmer ein sehr guter Wert. Hinzu kommt, dass Schipplock in drei Spielen schon fünf Torschussvorlagen gab – eine sehenswerte davon führte zum Treffer Lewis Holtbys in Köln. Berechtigterweise hat Schipplock seinen Konkurrenten Pierre-Michel Lasogga bislang auf die Bank verbannt.

Die meisten Einsatzminuten (259) aller Neuen verzeichnete bislang Emir Spahic – und das trotz seines Platzverweises, den er sich in der 79. Minute in Köln eingehandelt hatte. Ich bin noch unsicher, ob ich mich darüber freuen soll, dass Spahic da ist oder nicht. Es ist immer gut, einen Innenverteidiger der Marke „Furchteinflößend“ in seinen Reihen zu wissen. Ich mag diese Kanten, bei denen die gegnerischen Stürmer wissen, dass es gleich wehtun wird. Deshalb habe ich nicht verstanden, warum der HSV nicht an Slobodan Rajkovic festgehalten hat. Nun ist Spahic da, dem der Ruf vorauseilt, ein Hitzkopf zu sein, aber auch eine gute Spieleröffnung zu haben. Ich hoffe, Letzteres wird öfter zu sehen sein.

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Gotoku Sakai, den Labbadia einst als Stuttgart-Trainer aus Japan holte, ist noch immer nicht richtig angekommen. Der vielgepriesene Verteidiger, rechts wie links einsetzbar, schaut seit dem DFB-Pokal-Aus gegen den Viertligisten aus Jena nur zu. Dennoch ist auch bei ihm davon auszugehen, dass er der Mannschaft weiterhelfen wird. Seine Konkurrenten Dennis Diekmeier und Matthias Ostrzolek wissen: Leisten sie sich zu viele Schnitzer, steht ein guter Ersatz parat – das fehlte beispielsweise in der vergangenen Saison sehr.

Genau wie ein kreativer Spielmacher. Rafael van der Vaart in allen Ehren, aber: Dessen Zenit war längst überschritten. Kurz vor knapp gelang es dem HSV noch, einen Spieler zu verpflichten, der mehr als Ersatz für den Niederländer sein könnte. Aaron Hunt hat die Rothosen jahrelang geärgert, nun soll er sie zumindest ins gesicherte Mittelfeld führen. Das gelingt allerdings nur, wenn er fit bleibt. Zuletzt laborierte Hunt an Bänderrissen und Überdehnungen. Dennoch gaben die Ärzte beim Medizincheck grünes Licht für den Transfer vom VfL Wolfsburg, wo Hunt unabhängig von den Verletzungen nie Stammspieler war. Beim HSV ist er gesetzt.

Meine Meinung: Die bisher absolvierten Spiele (auch Teile der Begegnung mit den Bayern) haben gezeigt: Es wird schwerer als in den vergangenen zwei Jahren, gegen den HSV zu gewinnen. Integrieren sich die Neuen in nächster Zeit und bleibt Hamburg mal für einen längeren Zeitraum frei von Komödien, bekommen wir dieses Jahr „nur“ 34 Spiele zu sehen.

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Sascha Rebiger