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Geschäftsmänner im Fußball: „Teams voller Ich-AGs“

Oliver Bornemann hat als Unternehmer sein Geld mit Hotels verdient. Seinen Traumjob sieht er aber im Fußball. Wir haben den Geschäftsmann, der den Regionaligisten aus Neustrelitz im Sommer 2014 zur Sensationsmeisterschaft begleitete, zu den Vorteilen von Geschäftsmännern im Fußball befragt.

Herr Bornemann, warum haben Sie derzeit keinen Verein, den sie als Sportdirektor betreuen?
In dieser Branche muss man demütig und geduldig sein. Denn um sich mit einem Verein zu einigen, spielen viele Faktoren eine Rolle. Grundsätzlich gilt: Oliver Bornemann muss zum Verein passen und der Verein zu Oliver Bornemann. Ich denke immer mittel- bis langfristig.

Sie bekommen also Anfragen, die sie ablehnen.
Natürlich bekomme ich diverse Anfragen. Und oftmals resultieren aus diesen Anfragen Telefonate und längere Gespräche mit persönlichen Treffen. Dabei geht es nicht um Ablehnung, sondern um die Findung von Gemeinsamkeiten. Bisher war das wechselseitig „Passende“ noch nicht dabei.

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Welchen Vereins-Typ findet Oliver Bornemann interessant?
Keinen bestimmten Vereinstypen oder eine bestimmte Spielklasse. Die Vision Fußball muss identisch und auch authentisch sein. Ich verfolge und beobachte derzeit sehr intensiv die fünf Regionalligen und die Dritte Liga. Das bildet auch die Grundlage, um sofort wieder und ohne Adaptionsphase ins Geschehen eingreifen zu können. Der Kontakt zu Funktionären, Spielern, Beratern und Medien ist vollexistent und wird täglich gelebt.

Ausbildung bei der Bank, Selbstständigkeit und verschiedene Unternehmungen. Wie kommen Sie zum Fußball?
Jeder Mensch hat seine Passion. Bei mir ist es der Fußball. Ich habe mich seit der Kindheit immer in der Fußballszene aktiv und passiv bewegt. Meine Freunde haben im gehobenen Amateurbereich gekickt und ein Teil hat es sogar in den Profibereich geschafft. Ich war also immer hautnah dabei. So habe ich live miterlebt, wie schwer es im Fußball ist, konstant sein Geld zum Leben zu verdienen. Für mich persönlich war daher klar, dass ich außerhalb der Fußballwelt eine Existenzgrundlage schaffen muss, damit ich meine „sportliche Karriere“ starten und entwickeln kann.

Eine Passion ist noch keine Qualität als Sportlicher Leiter. Wie kamen sie überhaupt dazu, so ambitionierte Pläne anzufassen?
In meiner Heimatstadt Hannover habe ich in den Neunzigerjahren viel mitbekommen. Der Verein stieg zum hundertjährigen Jubiläum in die Regionalliga ab (damalige dritte Liga). Da Freunde und Bekannte daran arbeiteten, „meinen“ Heimatverein wieder aufzurichten, erhielt ich direkte Einblicke. Ich dachte im Stillen: das würde ich auch gerne machen.

Wie haben Sie ihr Netzwerk aufgebaut? Ich meine, Sie haben beruflich vor allem mit Hotels zu tun.
Sie sprechen es doch an: Hotels. Hier treffen sich viele Menschen, um zu übernachten oder zu tagen. Politiker, Musiker, Wirtschaftsgrößen und natürlich auch Persönlichkeiten aus dem Fußball. Man lernt sich kennen und schätzen. So entstehen Kontakte und zum Teil auch langjährige Freundschaften. Das hat mir beim Netzwerken immer geholfen.

Bleibt die Frage: Welche Qualitäten wollen Sie bei ihrem nächsten Verein einbringen?
Eine Symbiose aus sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg. Daraus resultierend eine gesunde Kaderplanung, bei der es nicht ausschließlich um die sportliche Fähigkeit geht, sondern ebenso um Charaktere und den Fußballer als Menschen. Ein Sportdirektor muss heutzutage ebenso ein guter Kaufmann und Verhandlungsführer sein, gepaart mit dem Gen, dass Menschen von der eigenen Vision vom Fußball begeistert. Hinzu kommt akribische Arbeit und ein umfangreiches Netzwerk.

Vereine haben extra Angestellte, die sich um die Finanzen kümmern.
Ein Sportdirektor muss das auch perfekt anwenden können. Er muss innerhalb des Budgets ein Gehaltsgefüge festlegen und seinen Kader im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten richtig zusammenstellen. Er muss bei Vertragsgesprächen aus Vereinssicht möglichst effektiv handeln und trotzdem in die maximale Leistung investieren, damit er für den Verein die bestmögliche sportliche Performance schafft. Darüber hinaus muss der sportliche Bereich Transfererlöse generieren, um den Kader refinanzieren zu können.

Bringt die Lebenserfahrung als Unternehmer dabei Vorteile?
Zum einen Menschenkenntnis und zum anderen unternehmerisches Denken und Handeln. Ich muss Potenziale erkennen genauso wie Schwächen, sportlich wie menschlich. Ein Fußballverein ist in der Regel ein gemeinnütziger Verein mit einem wirtschaftlichen Bereich. Entsprechend muss der Verein gemeinnützig, sportlich und wirtschaftlich auch stringent geführt werden.

Was ist wichtiger: Charakter oder Talent?
Die Mischung macht`s. Das größte Talent nützt doch nichts, wenn es die Entwicklung einer Mannschaft charakterlich einschränkt. Eine Fußballmannschaft ist für mich wie eine Unternehmung, die ein festgelegtes Saisonziel erreichen muss. Und das Besondere an einem Profiteam: Es ist eine Unternehmung voller Ich-AGs. Bis auf sehr wenige Ausnahmen will jeder Kicker und Trainer in erster Linie das Beste für sich individuell erreichen. Es geht um Geld und die sportliche Perspektive. Und das ist auch okay so. Aber sie müssen trotz allem in der Trainingswoche und besonders für die 90 Minuten am Spieltag aus der Ich-AG eine WIR-AG bilden. Eine reale Gemeinschaft. Und das gelingt nur, wenn man die Charaktere im Team achtet. Für diese Balance ist der Sportdirektor mit seinem Trainer verantwortlich.

Das sagen viele Sportlicher Leiter.
Das mag sein. Aber wird das auch so gehandhabt? Ich denke, dass einige Kollegen regelmäßig der Vorstellung erliegen, Spieler und Trainer formen zu können. Sie sehen das Talent, sehen vielleicht die Probleme, aber glauben, unter ihrer Führung wird sich das auflösen. Das sind Wunschträume. Und die können nicht nur viel Geld kosten, sondern auch den sportlichen Erfolg verhindern.

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Was ist die Alternative?
Wenn ich einen Spieler verpflichten will, muss ich als Sportdirektor schon vor der Unterschrift sicher wissen, ob ich ihn führen und weiterentwickeln kann oder nicht. Das habe ich gelernt. Man darf sich nicht der Illusion vom besten hingeben, sondern man muss den wahrscheinlichsten Fall einkalkulieren. Chancen und Risiken müssen klar abgegrenzt sein.

Sie könnten auch die Füße hochlegen und den stressintensiven Fußball als Fan genießen. Warum diese beharrliche Motivation, im Fußball weiter etwas erreichen zu wollen? Suchen Sie den Kick, den sie bei anderen Jobs nicht bekommen?

Ich sprach von meiner Leidenschaft Fußball. Und die ist noch stärker aufgeblüht, als ich in Neustrelitz aktiv und wir erfolgreich waren. Den Erfolg nicht nur zu sehen, sondern für ihn federführend verantwortlich zu sein, übersteigt die Freude als Tribünengast bei weitem. Und es macht mir Spaß, zu sehen, wie sich eine Mannschaft vom 1. Trainingstag an findet. Wie Rädchen, die man selbst zusammengesucht hat, ineinandergreifen. Der Fußball bietet unglaublich schnell Erfolgsmomente und eben so viele Aufgaben. Und das packt den Unternehmergeist und seine Kreativität.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.