Dreier-Talk: Wie weit sind die Hamburg Towers?
Die Basketballer der Hamburg Towers machten zuletzt den Spitzenreiter aus Jena platt. Als Quittung für die Darbietung analysieren wir die aktuelle Phase der Wilhelmsburger.
Foto: hammoniaview.de
7 Heimsiege in Serie, den Spitzenreiter Jena aktuell recht souverän bezwungen: Was will uns diese Towers-Saison sagen?
Andreas Grieß: Nun, souverän wurde es hinten raus, zunächst war man fast zwei komplette Viertel im Rückstand. Und Vechta ist Derby. Ich denke, man sollte die beiden Erfolge gegen die Spitzenteams nicht zu hoch hängen. Gleichwohl zeigen sie, wozu die Towers in der Lage sind: Sie können jedes Team der Liga schlagen. Spannend wird es zu sehen, was die Towers in Vechta auf die Beine stellen. Ich denke die Kernbotschaft aus der zweiten Saison ist bislang, dass sich die Towers weiterentwickelt haben. Vor der Saison war ich kritisch, ob dies gelingen würde.
Jonas Giesenhagen: Jeder Gegner ist in der heimischen Inselparkhalle schlagbar. Es gibt, anders als im Vorjahr, keinen ganz großen Aufstiegsfavoriten. Am Ende der Saison sollte es für die Playoffs deutlich reichen. Die aktuelle Heimserie zeigt, wie wichtig ein Abschneiden unter den ersten vier Plätzen wäre. Die Towers hätten dann in der ersten Playoff-Runde Heimrecht in ihrer Festung Inselpark.
Lars Mahrendorf: Zuhause viel hui, auswärts ein wenig pfui – die Towers sind eines der heimstärksten Teams der Liga. Die einzige Heimniederlage war durch einen Buzzerbeater gegen die MLP Academics Heidelberg. Auswärts fehlt noch die Konstanz, vielleicht auch die Erfahrung. Die Tendenz mit Platz fünf spricht auf jeden Fall für eine Weiterentwicklung gegenüber der Premierensaison. Das Umfeld sollte immer im Hinterkopf behalten, dass die Towers erst in der zweiten Spielzeit sind.
Wo werden die Towers am Ende der Saison landen?
Andreas Grieß: Wenn nichts Verrücktes mehr passiert, werden sie wohl einen der mittleren Play-Off-Plätze erreichen. Von dort aus traue ich ihnen, wenn alle Spieler fit bleiben, auch zu, in die zweite Play-Off-Runde einzuziehen. Dann ginge es theoretisch schon um den Aufstieg, aber da wird wohl Schluss sein. Gegen Jena oder Vechta können die Towers, wie wir gesehen haben, zwar Spiele gewinnen, dass sie die Serie für sich entscheiden, glaube ich aber nicht. Das nimmt dann, wenn es so kommt, aber immerhin den Verantwortlichen den Druck, bei einem sportlichen Aufstieg bereits die Frage beantworten zu müssen, ob der Aufstieg auch wirtschaftlich drin ist.
Jonas Giesenhagen: Am Ende der Regular-Season werden die Hamburger ohne wenn und aber in den Playoffs landen. Der Kader ist breiter als im Vorjahr, Schwächephasen können besser kompensiert werden. Mit einem möglichen Heimvorteil im Rücken ist in den Playoffs dann vieles möglich. Im zweiten Vereinsjahr ist der Aufstieg noch nicht das konkrete Ziel, aber auch nicht ausgeschlossen.
Lars Mahrendorf: Ich traue den Towers zu, alle weiteren Heimspiele zu gewinnen. Mit Kirchheim kommt nur ein Team in die Inselparkhalle, welches in der Tabelle noch vor Hamburg steht. Auswärts wird es da deutlich schwieriger. In Essen, Hanau und Rhöndorf erwarte ich aber schon Siege. Das wäre am Ende eine Bilanz von 19:11, die reichte letztes Jahr für Platz 4. Mit dem Heimvorteil geht dann auch die erste Playoffrunde an die Towers. Nach vier Spielen im Halbfinale ist dann Schluss nach einer tollen zweiten Saison.
Wie überzeugend sind die Entscheidungen von Trainer Hamed Attarbashi?
Andreas Grieß: Das ist etwas schwierig zu sagen, da man dieses Team bislang nur als Attarbashi-Team kennt. Auffällig ist aber, dass es zumindest von außen so wirkt, als ob die Chemie zwischen Trainerteam, Managment und Mannschaft stimmt. Ich kann mich nur an eine Situation in der vergangenen Saison erinnern, wo es erkennbar mal Dissens auf dem Feld gab. Für ein sehr neues Team ist das große Ganze wichtiger als der ein oder andere Wechsel oder eine richtig getimte Auszeit. Und in diesen Kategorien denkt offenbar auch Attarbashi, etwa wenn es darum geht, verletzte oder junge Spieler langsam ans Team ranzuführen.
Jonas Giesenhagen: Wer Hamed Attarbashi kritisiert, hat das Konzept der Hamburg Towers nicht verstanden. Wie kein zweiter Trainer verkörpert Attarbashi die Towers-Philosophie. Der Ex-Bremerhavener war von Anfang an dabei und direkt am Aufbau der Profimannschaft beteiligt. Er kennt die Geschicke und Strukturen des Vereins und handelt zu einhundert Prozent nach dem sportlichen Konzept. Natürlich kann ein Trainer auf dem Court nicht immer nur richtige Entscheidungen treffen. Die aktuelle Entwicklung zeigt aber, dass aus den Fehlern zu Saisonbeginn gelernt wurde.
Lars Mahrendorf: In einem so abwechslungsreichen und schnellen Spiel wie Basketball macht ein Trainer zwangsläufig auch Fehler. Mir fallen aber aktuell keine Entscheidungen ein, bei denen Coach Hamed entscheidend daneben gelegen hat. Bei der Niederlage gegen Heidelberg sollte das Team vorher foulen, hat es aber nicht gemacht. Da kannst du als Trainer nur von außen zuschauen. Zu den Auswärtsspielen kann ich nicht viel sagen, da fehlen mir viele bewegte Bilder. Die Verletzungsmisere machte kontinuierliche Arbeit für einen Trainer natürlich auch nicht immer einfach. Generell denke ich aber, dass Hamed Attarbashi der richtige Trainer für die Towers ist.
Wer ist der MVP der Hamburg Towers?
Andreas Grieß: Die naheliegende Antwort ist hier sicher Bazou Koné, der einige herausragende Spiele gemacht hat. Aber eigentlich ist es gerade die Stärke der Towers, keinen klassischen MVP zu haben. Oft sind Einsatzzeit, Punkte und Rebounds auf viele Schultern relativ gleichmäßig verteilt. Das macht das Team in dieser Saison so stark und für die Gegner schwer zu berechnen. Und wie die Heimstatistik zeigt ist „der sechste Mann“, die Inselpark-Halle, durchaus auch ein MVP-Kandidat – das sagen oft sogar die gegnerischen Spieler.
Jonas Giesenhagen: Spieler der Saison ist zweifelsohne Bazou Koné. Nach Verletzungspech in der Vorsaison ist der gute Freund von NBA-Profi Dennis Schröder im zweiten Vereinsjahr richtig durchgestartet. Seine gute Wurfquote liegt bei über 50 Prozent, seine Versuche werden immer sicherer. Zwar wirken einige Aktionen hin und wieder noch etwas überhastet, mit seinen wichtigen Punkten und durchschnittlich vier Assists pro Spiel ist er in dieser Saison aber wichtigster Mann bei den Towers. Kone hat ein gesundes Selbstbewusstsein und probiert im Spiel viel aus. Die Towers müssen versuchen ihn langfristig zu binden und die kurzfristige Perspektive BBL bieten.
Lars Mahrendorf: Bis Anfang Dezember ganz klar Bazoumana Koné. Der junge deutsche Aufbauspieler ist endlich gesund und hat einen großen Schritt in seiner Entwicklung gemacht. Damit belohnt er sich für die harte Arbeit im letzten Sommer. Aber Aussetzer wie den gegen Jena darf er sich als Führungsspieler in Zukunft nicht mehr erlauben. Neben Koné wird Jonathon Williams in den letzten Wochen auch immer stärker. Er hat mich wirklich überrascht. Für einen ProB-Spieler hat er sich sehr gut entwickelt. Noch ist aber Koné der Towers-MVP.
Die Schwachstelle der Hamburg Towers sind die großen Positionen. Richtig?
Andreas Grieß: Nicht zwingend. In vielen Spielen war es schlichtweg die Wurfquote. Lange Zeit waren es vor allem die Nerven. Selbst bei einem hohen Vorsprung wurde es dann noch einmal eng. Das scheinen die Towers mittlerweile besser im Griff zu haben.
Jonas Giesenhagen: Zunächst muss klar sein, dass es Werfer, verglichen mit der Center-Position, wie Sand am Meer gibt. Einen soliden Center zu finden ist für eine ProA-Mannschaft nicht leicht. Im ersten Jahr hatte man mit Michi Wenzl einen Fels in der Brandung, der gegen athletische Spieler aber häufig das Nachsehen hatte. Vor der Saison musste man sich auf der Position verstärken, hatte allerdings viel Pech. Die Gespräche mit U-Nationalspieler Marcel Keßen waren konkret, wurden aber abgebrochen nachdem Pascal Roller den Verein verließ. Der junge Hagener hätte bestens zur Vereinsphilosophie gepasst und wäre eine langfristige Verstärkung gewesen. Mit der Verpflichtung von Stefan Schmidt konnte man sich auf der Center-Position aber dennoch klar verbessern. Der erstligaerfahrene 207-cm-Hüne hat eingeschlagen. Die vermeintliche Schwachstelle machen die Towers in dieser Saison mit ihrem guten Defensivverständnis wett. Spieler wie Terry Thomas oder Will Barnes, die keine gute Defensive spielten, wurden durch Spieler ersetzt, die als Mannschaft besser mit nach hinten arbeiten als noch in der Vorsaison.
Lars Mahrendorf: Klingt komisch, ist aber wirklich so. Trotz der „Twin-Towers“ Stefan Schmidt und Micheal Wenzl ist die Centerposition ein wenig die Schwachstelle. 11,7 Punkte und 10,9 Rebounds für die beiden großen Deutschen zusammen sind eher enttäuschend. Die Gründe sind allerdings auch vielfältig. „Mike“ Wenzl hatte viel mit Verletzungen und Krankheit zu kämpfen, Schmidt spielt seine erste Saison in der ProA und in Hamburg. Irgendwas passt noch nicht, schwer zu sagen, was. Dazu kommt noch Kapitän Robert Ferguson, der statistisch auch nicht überragt. Die Frage ist aber, ob die Towers überhaupt auf bessere Werte von den „großen“ Positionen angewiesen sind. Erfolgreich sind sie aktuell auch ohne.