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Hansa-Kompakt // Rostocks Shaqiri?

Stephan Andrist trainiert in Rostock zur Probe. Das ist nicht das, was viele Hansa-Fans lesen wollten. Doch der Move könnte schlauer sein, als viele denken.

1. Wie Andrist Hansa helfen könnte

Letztens bin ich schweißgebadet in der Mittagspause aufgewacht. Ich hatte einen furchtbaren Tagtraum. Martin Pieckenhagen saß Ende August auf dem Rostocker PK-Podest und erklärte, dass es neue Impulse für die Mannschaft bräuchte. Dass es so nicht weitergehen könne. Dass seine Appelle an die Mannschaft nicht gewirkt hätten. Dass Entscheidungen manchmal schmerzen würden, es aber einen starken Mann brauche, der sie trifft. Er, so schloss er ab, wolle keine Person sein, die sich in Alibis flüchtet.

Ja, in meinem Tagtraum wurde Jens Härtel entlassen.

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So schlimm wird hoffentlich nicht kommen. Personelle Verstärkung ist ja jetzt da. Oder: Zumindest auf dem Weg. Stephan Andrist trainiert in Hansa zur Probe. Und Andrist, das wissen die meisten, war in Rostock ein guter Außenstürmer. In lichten Momenten sogar ein Knipser. 

Nun überwiegt in Rostock gerne der Pessimismus. Wir Hanseaten tun uns nach acht Jahren Dritte Liga schwer mit dem Hakuna Matata. Andrist, schreiben manche, sei zu alt. Andere sagen: Bei Aalen hat Andrist nicht überzeugt. Und wieder andere meinen richtig: Er wird ja mit dem Alter nicht mehr schneller, der Andrist. Ich bekomme WhatsApp-Nachrichten mit dem Inhalt: “Andrist. Ernsthaft?”

Ein Zweitliga-Trainer, den ich sehr schätze, schrieb mir auf Nachfrage etwas Ähnliches: “Habe den Jungen lange nicht mehr gesehen. Früher war er ein starker Außenspieler. Könnte mir vorstellen, dass er satt ist.”

Ich sehe es anders. Stephan Andrist könnte eine gute Wahl sein, womöglich sogar genau die richtige. Es hängt nur ganz davon ab, für was Martin Pieckenhagen und Jens Härtel ihn einplanen. 

Die richtige Kaderplanung ist eine Kunst. 18 Stammspieler im Kader zu haben, das ist für das Gefüge und die Stimmung in einem Team nicht zielführend. Es braucht die richtige Mischung aus Führungsspielern, Stammkräften, Perspektivspielern und guten Einwechslern, die ihre Rolle einnehmen, ohne zu murren.  

Die Bedeutung von guten Wechselspielern wird mir im Fußball häufig unterschätzt. Im Basketball sind sie viel beliebter. Sixth-Man heißen sie da. Und es gibt in der NBA sogar einen Award für den besten Ersatzmann.

Ein guter Wechselspieler ist nicht nur schnell im Spiel und auch nach 70 Minuten auf der Bank voll motiviert, sondern hat auch eine Wirkung auf das Rumgebolze, die ein Trainer halbwegs vorausahnen kann. Ein Bülow zum Beispiel ist einer zum Runterkühlen, ein Bor-Stab in einem Atomreaktor. Ein Andrist hingegen wäre Rostocks Xherdan Shaqiri.

Ein klassischer Spieler für Konter. Oder aber ein Außenbahn-Läufer, der das Spiel breit macht und so das gegnerische Zentrum entknotet. Stephan Andrist besitzt die Inselbegabungen, die einer Jokerrolle entgegenkommen. Ein Mann wie Andrist hätte man in Haching doch gerne gebracht. 

Selbst wenn der Schweizer nicht mehr zündet, der Turbo in Wiesbaden ausgebaut wurde: Nach 70 Minuten ist er wahrscheinlich immer noch viel zu schnell für müde gelaufene Gegenspieler. Es gibt einige gute Gründe, um sich Andrist anzusehen. Vielleicht sogar, um ihn für ein Jahr zu verpflichten.

Problematisch wird es nur, wenn Andrist DER Neuzugang ist, der Biankadi ersetzen soll. Dann hat der FC Hansa gewiss ein Problem. Und das sitzt nicht auf der Trainerbank. 

PS: Auch bei Dylan George stimmt das Bauchgefühl. Twente Enschede hat eine gute Fußballschule.  

2. Warum es nie ein gutes Zeichen ist, wenn die Bild zu viel weiß

Ich bin kein sonderlich großer Fan der BILD-Zeitung. Sie rangiert in meinem Beliebtheitsranking zwischen den New England Patriots, einer Harnröhrenentzündung und Donald Trump. 

Respekt muss man vor der Rostocker Enklave der Boulevardzeitung trotzdem haben. Die gute Netzwerkarbeit, die die Kollegen leisten, ist imponierend. Gefühlt läuft in diesem Sommer jede relevante Hansa-Schlagzeile über die BILD. Und diese exklusiven Infos verkaufen Zeitungen.

Das Problem: Was gut für den Absatz am Kiosk ist, wirkt auf den Verein manchmal kontraproduktiv. Dringen Namen von Spielern, die Hansa angeblich verpflichten will, vor der Vertragsunterschrift an die Presse, schwächt das die Verhandlungsposition des Vereins. Gerade wenn die Fans auf einen Neuzugang lechzen, ihn herbeisehnen. Berater und Spieler können größere Forderungen stellen, da sich ein Sportdirektor jetzt keine Abfuhr mehr leisten kann. Bayern erlebt das gerade mit Leroy Sane. Wenn jeder weiß, dass du diesen Spieler unbedingt haben musst und es eigentlich keine Alternative für dich gibt, wird das Geschäft noch sehr viel teurer. Marktwirtschaft eben.

Fast noch schlimmer: Wenn Namen in der Zeitung stehen, die Hansa angeblich holen wollte. Das mag zwar Ambitionen unterstreichen und ein Alibi verschaffen(haben es ja versucht), wirkt aber auf andere Spieler nicht unbedingt lukrativ. Nicht nur, weil jeder das Gefühl hat, nur die 23. Wahl zu sein. Sondern auch, weil man die Hintergründe, warum manche nicht zu Hansa wollten, noch etwas länger durchdenkt.

Beim FC Hansa sind die kommenden Wochen deshalb auch aus medialer Sicht spannend. Verpflichtet Hansa vielleicht einen Spieler, der noch gar nicht durch die Medien geisterte? Dann ist der FC Hansa ein Meister der Blendgranaten.

Wird es am Ende doch Maximilian Oesterhelweg, muss der Verein ein paar Informationslecks zügig stopfen.

3. Was wird aus diesem Blog?

Wir haben eine gute und eine sehr gute Nachricht.

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Die gute Nachricht: Ab 15. August unterstützt ein regionaler Werbepartner unseren Hansa-Blog (nein, nicht Rostocker Pils). Es gibt also ein bisschen Werbung innerhalb unserer Formate. Wir versprechen: Es bleibt monatlich immer bei einem Partner. Wir übertreiben es nicht. 

Die sehr gute Nachricht: Wir können dadurch die Intensität unserer Berichterstattung steigern. Ab sofort gibt es neben der alternativen Spielanalyse am Sonntagabend zwei weitere Beiträge pro Woche. 

Am Sonntag dann die große Abwehranalyse als Vorbericht zum Pokalspiel. 

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.