Hansa-Kolumne // Bucky „Fucking“ Pfeiffer
Hansa gewinnt wieder, mit 1:0 gegen Würzburg. Trotzdem ist alles ein bisschen blöd. Lukas und Paule sind zurück. Und: Ein Geschenktipp für alle Banausen, die im Hansa-Onlineshop Ladenverbot haben.
Screenshot: magentasport.de
Brazzo Salihamidžić, am Telefon, telefoniert mit Hoeneß:
“Du Uli, bin gerade im Wald. Suche einen Weihnachtsbaum. Finde keinen. Müssen wir dieses Jahr wohl einen ohne Kugeln nehmen.”
Habe ich im Internet gelesen. Ich liebe schlechte Witze über die Bayern. Ich liebe Niederlagen der Bayern. Samstag war ein schöner Tag. Auch weil der FC Hansa mal wieder gewonnen hat. Gegen Würzburg, mit 1:0. Sind ja auch Bayern, die Würzburger, zumindest offiziell.
Was kein Witz ist: Diese Kolumne hat eine Weile pausiert. Warum? Drei Theorien. Sucht euch eine aus:
1. Wir sind Erfolgskolumnistenjapper und kommen mit Niederlagen nicht klar.
2. Wir sind vor vier Wochen bei der Pulliparty von meinem Spezi im Rostocker Kit-Cat-Club (Greif) so ausgerastet, dass ich lange nicht arbeitsfähig war.
3. Einer von uns wurde vom Finanzamt Ribnitz-Guantanamogarten in einem mit Hasseröder gefüllten Planschbecken über Wochen gebierboardet.
Warum hat der FC Hansa gewonnen?
Weil Würzburgs Luca Pfeiffer das merkwürdigste Eigentor seit Ewigkeiten schoss. Der viel zu kurze Freistoß von Omladic hatte den Sexappeal von Donald Trump, war aber trotzdem wahnsinnig gefährlich. Doch Würzburgs Pfeiffer fand anscheinend jemand, der sein Bier halten konnte, und haute sich die Pille ins eigene Dreiangel. Alter! Der schönste Querschläger seit Takuma Satos Autoscooterfahrten in der Formel 1.
Dieses Tor war der Dosenöffner. Würzburg rannte danach blind an und lud Hansa zum Toreschießen ein. Hansa lief vier oder fünfmal alleine auf das Tor: Die Spieler hätten unterwegs noch anhalten und Bölkstoff von Jet holen können. Stattdessen schossen sie den Torwart auf alle erdenkliche Arten an. Schoss mindestens genauso kreativ vorbei. Mal blamabel, mal halbwegs ansehnlich. Am Ende war es ein 1:0, dreckig und trotzdem schön. Und wichtig.
Wie deuten wir den Sieg?
Dass es trotz der Chancenüberlegenheit auch ein Glücksieg war. Hansa hätte bis zur 43 Minute auch zurückliegen können. Die Latte und der King-Kong-Kolke halfen. Der Dosenöffner von Eigentor war ein Geschenk, das sich der FC Hansa erst nachträglich verdiente.
Zuvor hatte vieles nicht gepasst. Seitdem Rostocks Dyson-Mittelfeld-Staubsauger Kai Bülow in der Reparatur ist und Pieckenhagen verzweifelt den Garantiezettel sucht, knatterte mit Tanju Öztürk das Modell Omega-1060 lange wirkungslos durch das Mittelfeld. Gleich mehrmals kam Würzburg ungestört in die Rostocker Hälfte. In der Viererkette traf Nico Rieble die gleichen falschen Entscheidungen wie vor ein paar Wochen. Im Offensivspiel war in Halbzeit eins besonders ein Fakt erschreckend: Die Mannschaft spielte ohne erkennbare Ordnung und Struktur nach vorne. Nik Omladic erhielt den Ball an der Außenlinie und im Umkreis von 20 Metern bot sich niemand an. Teilweise litt der Hansa-Fan das Gefühl, dass zehn Ich-AGs und eine Kolke-Enterprises auf dem Platz stehen.
Das ist das erschreckende am FC Hansa: Mit Vollmann, Omladic, Pepic und Breier sowie mit leichten fußballerischen Abstrichen auch Scherff hatte der FC Hansa feine Fußballer auf dem Feld, die mit Freiraum gut und schnell kombinieren können. Doch sobald es diesen Beinfreiheiten nicht gibt, versickern die Angriffsbemühungen im Morast der gegnerischen Defensiven.
Hansa kann zwar herausragend kontern, doch Hansa kann kaum Tore erzwingen. Die meisten Tore entstanden bisher aus kurzen Ballbesitzphasen von circa zehn Sekunden. Das ist eine gute Qualität gegen Spitzenteams. Gegen schlechtere Gegner, die eher defensiv denken, ist sie aber oft wertlos. Eine Erklärung, warum Hansa gegen Top-Teams, die mitspielen wollen und können, gut dasteht. Aber gegen Außenseiter schlecht performt.
Wer hat besonders gefallen?
Lukas Scherff zum Beispiel. In der Anfangsphase, als Pavel Dotchev ihn zu verheizen drohte, sah man viele Mängel. Scherff war leicht zu verteidigen, weil sein Spiel eindimensional gepolt war. Er konnte kaum Spieler im Dribbling überwinden. Defensiv fehlte ihm das Gefühl in den Raum. Auch gegen Würzburg war es nicht perfekt, aber Scherff ist trotzdem ein anderer Fußballer geworden, der vor allem Mumm mitbringt. Scherff macht es einfach. Schießt. Grätscht. Läuft. Ein Hands-On-Typ, wie man neudeutsch ja sagt. Der FC Hansa könnte mental mehr von dieser “Scherffe” gebrauchen.
Markus Kolke machte wieder Markus Kolke Dinge. Er hielt, hielt und hielt. Es gibt keinen besseren Keeper in Liga 3.
Und dann war doch Mirnes Pepic, der wie Captain Tsubasa durch das Mittelfeld raste. Pepic war am Samstag ein Leader auf dem Feld. Er bot sich an, war überall, schanzte irgendwann wie immer bei Hansa-Siegen an der gegnerischen Eckfahne herum. Er wollte das Tor mehr als jeder andere auf dem Feld. Einmal gab er sogar Korbi Vollmann dafür eine recht deutliche Abfuhr. Pepic spielte mit Mut, den man bei ihm früher häufig vermisste. Gegen Würzburg nutzte fast jede Lücke. Das war gut. Auch ohne Bülow.
Wie stehts um den Trainer?
Ich mag Jens Härtel eigentlich. Aber obwohl Hansa gewonnen hat, ist es ein Sieg, der mehr Zweifel sät als sie zu beseitigen.
Zwei Dinge sind in den vergangenen Wochen besorgniserregend:
Hansa hat eine hochveranlagte Mannschaft mit großen individuellen Potenzialen. Das sah man gegen Würzburg, aber auch in den vergangenen Wochen immer wieder in einzelnen Sequenzen. Die Geschwindigkeit, die in dieser Mannschaft schlummert, ist bewundernswert. Die Ballbehandlung von Pepic, Vollmann und Omladic sucht in der Liga ihres Gleichen. Doch bekommt dieses Team einfache keine Konstanz rein und keine Selbstverständlichkeit.
Jens Härtel wirkt konservativ. Das meine ich nicht politisch. Aber der Trainer coacht sportlich rückwärtsgewandt. Gegen Kaiserslautern machte er alles nochmal, was zu Saisonbeginn eindrucksvoll als “ungenügend” desavouiert wurde. Dreierkette? Mit dem vorhandenen Potenzial: Bullshit. Verhoek als “beckscher” Stoßstürmer? Bullshit. Breier als Außen? Bullshit. Öztürk neben Pepic auf der Sechs. Puuh.
Ohne das Eigentor, ein Geschenk des Himmels, hätte der FC Hansa dieses Spiel wohl nicht gewonnen. Gegen Mannschaften, die personell schlechter besetzt sind, mangelt es dem Team an Werkzeugen, um sich für den Aufwand zu belohnen.
Halte ich Jens Härtel für einen guten Drittliga Coach? Ja, definitiv. Er baut auch aus Rohmaterial eine gute Verteidigung. Er kann eine Mannschaft konkurrenzfähig machen und das schnell. Habe ich momentan das Gefühl, dass er alles aus der Mannschaft rausholt und komplett bereit ist, sich von seinen alten strategischen Konzepten zu lösen? Nein.
Paule und der Nachwuchs:
Das Internet in meinem Heimatnest war noch in den Grundzügen. Seit ca. 45 Minuten bufferte ein Filmchen auf “YouTube” und ich vertrieb mir die Wartezeit mit Hansa-News: Stefan Beinlich kehrte zurück nach Rostock, stand da. Dick und fett im World-Wide-Web.
Ich hatte Paule nie im Hansa-Trikot spielen sehen. Als “Paule” ging, knatterte ich noch die Pampers voll. Aber damals war das Aufbruch. Und das Paule jetzt wiederkommt, freut mich sportlich. Er verantwortete immerhin den letzten Hansa-Aufstieg. Er kennt das Geschäft, war auf dem Feld ein Stratege. Für Hansa und Pieckenhagen ist das vielleicht ein Gewinn.
Was schenkt ihren euren Lieben neben Hansa-Merch zu Weihnachten?
Den Roman “Bucky Fucking Dent” von David Duchovny. In Deutschland wurde der Titel zu “Ein Papagei in Brooklyn” verformt.
Bucky Dent war ein Baseballspieler der New York Yankees. Ein Shortstop, gut in der Defensive, so gefährlich am Schlag wie John Verhoek im Strafraum. 1978 schlug er vier Homeruns in etwa 161 Spielen. Im Entscheidungsspiel gegen die Boston Red Sox verletzte er sich mit der Keule selbst. Und dann? Dann schlug er den entscheidenden Homerun in Boston. Zerstörte sollen der Sox-Fans. Aus dem Nichts. Duchovny hat um dieses Bonmot des US-Sports einen tollen Roman gestrickt. Und der Kolumne diesen Titel geschenkt: „Bucky Fucking Pfeiffer.“ Dem Hansa-Helden aus dem Nichts.