Flensburg ist viel schöner als Rio
Wenn ein junger Fußballer sein Heimatland verlässt um nach Deutschland zu wechseln, gehören im Regelfall Millionensummen und eine ganze Armada Spielerberater dazu. Bei „Ilidio“ war das anders.
Von Lars Christophersen
Als das FIFA-Exekutivkomitee am 30. Oktober 2007 in Zürich bekannt gab, dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien stattfindet, gibt es mitten in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro einen 15-jährige Fußballer, der davon träumt an dieser WM teilzunehmen. Sein Name: » Ilidio Pastor Santos, kurz: Ilidio.
„Jeder Junge in Brasilien träumt doch davon für die Nationalmannschaft zu spielen“, erzählt Ilidio, dessen großer WM-Traum inzwischen der Realität gewichen ist. Und die heißt Regionalliga Nord.
Denn im Herbst 2013 hat er sein Zelt im beschaulichen Flensburg aufgeschlagen, gut 10.000 Kilometer entfernt von der fußballverrückten Heimat. Dabei, so berichtet er seinem Dolmetscher Dr. Thomas Kühn, war er dort auf dem Sprung in den Profikader von Fluminense, kickte dort mit Superstar Fred und anderen Fußballern, deren Marktwerte mittlerweile im siebenstelligen Bereich angekommen sind.
„Doch bei mir lief alles anders“, blickt der heute 21-Jährige bedrückt zurück.
Eine Wadenverletzung im Herbst 2011 bremst ihn über mehere Monate aus und so rücken die Verantwortlichen des braslilianischen Erstligisten relativ schnell vom Offensivtalent ab. Es folgt die für ihn bittere Vertragsauflösung bei Fluminense und der Beginn des Karrierefalls.
Dabei lief es jahrelang doch so super. Doch plötzllich schlug es auf ihn ein: Schlechte Berater wecken falsche Hoffnungen und verbauen den Karriereweg. Noch dazu starb sein Vater plötzlich. „Dies ließ mich in eine tiefe persönliche Krise fallen und ich wollte ganz mit dem Fußballspielen aufhören. Doch meine Familie hat mir in der schweren Zeit immer zur Seite gestanden.“
Im März 2012 startet er beim Zweitligisten Portuguesa neu, will wieder zurück in die Spur. Doch auch dort wird er nicht glücklich und es folgt abermals eine Vertragsauflösung. Das Ende aller Träume droht.
Fortan übernimmt Ilidos Schwester, sie arbeitet als Anwältin in Rio, das Management des kleinen Mittelstürmers. Und sie knüpft den Kontakt nach Deutschland. Über ihren Mann (arbeitete als Lehrer an der Unesco-Schule in Flensburg) führen die Wege zum Regionalligisten Weiche Flensburg und zu ETSV-Manager Henning Natusch.
Am 6. Juli 2013 startet das Abenteuer Deutschland für Ilidio – mit Hürden.
„Brasilianer dürfen in Deutschland nur in der 1. und 2. Bundesliga spielen. Es gibt komplizierte Gesetze innerhalb des Ausländerrechtes. Zum Glück haben wir nach langem Tauziehen Ende Oktober endlich einen vernünftigen Weg gefunden, damit Ilidio in Weiche Fußballspielen und leben kann“, sagt Natusch.
Eine Bedingung ist eng mit dem täglichen Sprachkurs verknüpft. Vier Stunden, Montag bis Freitag, muss der Brasilianer Deutsch lernen. Mittlerweile versteht der in der Manschaft beliebte Südamerikaner die Anweisungen des Trainers und sieht wieder positiv in die Zukunft. Vor allem freut er sich auf den Schnee. „So etwas kenne ich nicht. In Brasilien sind immer 40 Grad, da ist es hier angenehmer und ich fühle mich sehr wohl.“Kaum noch erwarten kann er das anstehende Hallenmasters in Kiel vor über 10.000 Zuschauern. Spätestens dort will er allen zeigen, dass sein Traum vom Profifußball wieder Fahrt aufgenommen hat.