Der Kieler Irrweg
„Ihr müsst leider draußen bleiben.“, heißt es zurzeit häufiger an den Kieler Vorverkaufsstellen. Gemeint sind sowohl Kieler Fußballfreunde, die von außerhalb des gewohnten Einzugsgebiets anreisen und alle Fans der Hansa-Kogge. Das ist ein schlechtes Zeichen für den Fußball. Ein sehr schlechtes.
Der Fußball kann uns alle verbinden, uns einen. Er führt Menschen bei seinen Spielen zusammen, egal aus welchen Gehaltsklassen und Regionen sie kommen.
Wenn am 3. Spieltag der diesjährigen Drittliga-Saison Holstein Kiel und Hansa Rostock aufeinandertreffen, wird der Fußball nicht seine famose Kraft ausschöpfen können. Weil vorab sondiert wird, wer das Spiel in welchen Bereichen besuchen darf.
Traurig, dass es so weit kommen musste. Traurig, dass viele Fußballfreunde das Spiel nicht im Stadion erleben können, obwohl ausreichend Platz sein könnte. Bei einem Spiel, dass es in Deutschland momentan nur zwischen Teams im höherklassigen Fußball geben kann: Ein echtes Ostseeduell.
Die Strategie der KSV Holstein, hauptsächlich verkörpert von Wolfgang Schwenke, ist mutig. Mutig ist aber nicht immer gleichbedeutend mit richtig. Denn der Kieler Weg ist die falsche Option, zumindest nach meiner Ansicht.
Er eskaliert mehr, als er deeskaliert. Er stellt jeden Hansa-Fan, auch die abertausenden friedlichen und rein fußballbegeisterten Schlachtenbummler, unter Generalverdacht. Sieht in jedem Fan einen potenziellen Gewalttäter. Das ist frustrierend. Ja, auch wenn es nicht gewollt sein mag, gar diskriminierend.
Bei aller Emotionalität, die mittlerweile in dieser Debatte in rauen Tönen mitschwingt, muss aber eines betont werden. In Kiel, so überzeugte ich mich mehrfach persönlich, sind die Verantwortlichen anständig.
Ein Wolfgang Schwenke ist ein sorgsamer Mann, jemand, der nicht nur auf die eigene Karte spielt. Der darauf verzichtet, die große Nachfrage nach Gästetickets mit überteuerten Tickets zu bremsen und auf diesem sogar Wege in bare Münze umzuwandeln. Der die Rostocker den gleichen Preis zahlen lässt, wie ihn die Kieler Anhänger in den gleichen Kategorien abdrücken. Der keinen Preisaufschlag für den ramponierten Gästeimbiss aus dem Vorjahr auf die Karten schlägt. Der Rostocker und Kieler auf diesem Wege gleichstellt, nicht nach Heim und Auswärts unterscheidet. Das nennt man Gleichberechtigung, das Gegenteil zur Diskriminierung.
Das Problem der Kieler Handhabe ist dabei kein primäres, sondern eher ein sekundäres. Es sind die Reaktionen auf Missstände, die deutschlandweit für Probleme sorgen. Nicht nur in Rostock und Dresden, sondern bei fast jedem höherklassigen Vereinen in Deutschland. Bei Vereinen, die aufgrund ihrer Tradition vielleicht von einigen Anhängern etwas mehr geliebt werden. Und Liebe, das beschwören Psychologen seit geraumer Zeit, ist bekanntlich das nächste Gefühl zu Hass. Wohin Hass führen kann, wissen wir letztendlich alle.
Es ist gut möglich, dass bald noch mehr Vereine die Maßnahme der KSV Holstein dauerhaft ergreifen, sofern sich etwas nicht grundsätzlich endet. Das wäre schrecklich. Furchtbar für den gesamten Fußball. Es soll doch das Spiel bleiben, wozu jeder Fußballbegeisterte einen Zugang findet.
Bei aller Kritik, bei all dem was mich an der Kieler Strategie stört – dass es zumindest eine Verständnisgrundlage gibt, ist für mich nur schwer bestreitbar.
Es gibt nur eine Möglichkeit, damit es bald wieder ein volles Holstein-Stadion zum Ostseeduell geben kann: Ein friedliches Fußballfest, dass von beiden Seiten leidenschaftlich bestritten wird. Das ohne emotionale Trotzreaktionen stattfindet. Ein Spiel, das die Kieler Verantwortlichen Lügen straft. Beschweren würde sich darüber keiner.
Vor allem nicht Wolfgang Schwenke.