
Kiel vs Hansa: Beide Vereine können gewinnen
Viel wurde im Vorfeld geredet, sogar gestritten, ohne wirklich über den wesentlichen Teil des Geschäftes gesprochen zu haben. Der Fußball kam im Vorfeld für nicht wenige zu kurz, schließlich wurde lange Zeit hauptsächlich über die Kartenvergabe der Kieler diskutiert. Die selbst beim Leitmagazin „Zeit“ verstärkte Aufmerksamkeit generierte.
Foto: calcio-culinaria.de
Jetzt, und das ist das wahrlich Erfreuliche, wird wieder hauptsächlich über den sportlichen Aspekt debattiert. Vielleicht auch, weil die Spieltags-Konstellation im Rahmen der englischen Woche für beide Seiten Vorteile bringt. Bei der KSV Holstein, aufgrund der Tatsache, das im Spieltags-Trubel endlich wieder über das runde Leder und nicht über Formalitäten in der heiklen Kartenvergabe gestritten wird. Dass das Thema doch deutlich abgekühlt ist, obwohl sich die „Blau-Weiß-Rote Hilfe“ der Hansa-Fanszene jetzt auch noch einmal schriftlich in das Thema einschaltete.
Beim FC Hansa muss man ebenfalls nur ansatzweise ins Detail gehen, um die positiven Gegebenheiten des Gastspiels in Kiel erkennen zu können. Ein Blick auf das heutige Vormittagstraining reichte bereits, schließlich sparte sich die Mannschaft die Hotelübernachtung im Vorfeld, trainierte stattdessen noch am Spieltag gemächlich auf heimischen Boden und bereitete sich samt Mittagessen komplett in Rostock auf die Partie vor. Nach Kiel sind es schließlich nur zweieinhalb Stündchen auf der Autobahn.
Ein Umstand, den ein gut gelaunter Peter Vollmann bei der Pressekonferenz am Montag in vorfreudiger Stimmung erläuterte: „Das Spiel in Kiel bietet sich unter der Woche doch sehr gut an. Ich bin nicht unglücklich darüber, dass es nicht nach Unterhaching geht.“ Und mit einem Lächeln im Gepäck ergänzte: „So schlimm sind die gut zwei Stunden Busfahrt nicht. Zwischendurch gibt’s nochmal Nudeln.“
Es herrscht also eine gute Stimmung bei den Rostockern, die mit den vier Punkten nach schweren Konfrontationen mit potenziellen Aufstiegskandidaten zufrieden sein können. Die zwar am Samstag noch leicht enttäuscht waren, dass der Heimfluch (im Jahr 2014 noch ohne Heimsieg) nicht gebannt werden konnte. Am Ende jedoch mehr glücklich darüber waren, dass der Ausgleich in der unmittelbaren Schlussphase eine immerhin engagierte Leistung mit Zählbarem würdigte. Steven Ruprecht bekannte beim Montagstermin mit BLOG-TRIFFT-BALL rekapitulierend auf die letzte Spielzeit: „Wir waren froh, dass wir uns den Ausgleich erkämpfen konnten. Im letzten Jahr wäre so ein Spiel noch verloren gegangen, wohlmöglich noch mit einem bitteren Konter.“
Ähnlich positiv sprach man am Montag auch in Kiel. Was wenig überraschte, schließlich hatten die Schleswig-Holsteiner siebzig, teils überragende Minuten in Dortmund abgebrannt. Siebzig Minuten, die trotz Überlegenheit und Chancen-Reichtum nicht ausreichten, um den ersten Saisonsieg feiern zu können. Aber genug waren, um einen frühen 0:2-Rückstand in ein Remis zu kleiden.
Überschwänglich ob des famosen Comebacks war nach dem Spiel jedoch kein einziger Kieler, es dominierte eher die zarte Enttäuschung über den verpassten Sieg. Das Zustandekommen des Remis war zum besagten Zeitpunkt noch eher zweitrangig. Ganz zu Freude von Karsten Neitzel, der bei BLOG-TRIFFT-BALL belobigte: „Was möchte ein Trainer denn mehr, als eine Mannschaft, die sich auch nach einer guten und zu weiten Teilen sehr akzeptablen Vorstellung nicht richtig zufrieden gibt, sondern mehr möchte.“
Ein bisschen Zufriedenheit, vielleicht auch eher Erleichterung, stellte sich nach der Heimfahrt Richtung Kiel aber auch bei den Fördekickern ein. Das 2:2, die offensive Kreativität und auch der Tor-Hammer von Marc Heider schafften Selbstbewusstsein, kaschierten die ersten aufkeimenden Zweifel, die im Rahmen der faden Nullnummer gegen Unterhaching entstanden waren. Karsten Neitzel bestätigt bei BLOG-TRIFFT-BALL: „Ich denke, wir konnten auch viel Positives aus dem Spiel in Dortmund mitnehmen. Jetzt freuen wir uns auf das Spiel, dass sicherlich den einen oder anderen Fan mehr anlockt, als es vielleicht eine andere Partie tun würde.“
Ein Spiel, das von beiden Seiten als äußerst ausgeglichen bewertet wird. Beide Teams starteten ähnlich, lieferten einmal Spektakel und einmal eine engagierte, aber nicht wirklich glückliche Leistung. Spielten gegen Gegner, die bisher durchaus auf einem ähnlichen Niveau antraten. Immerhin kamen Unterhaching und Dortmund gut aus den Startlöchern und waren nicht formal schwächer, als es die Rostocker „Schwergewichte“ aus Erfurt und Münster waren.
So überrascht es wenig, dass beide Trainer den Spielverlauf als eng skizzieren. „Es wird ein Clinch auf Augenhöhe. Ein Duell, das uns hoffentlich viele Torraumszenen beschert – im gegnerischen Strafraum, versteht sich.“, vermutet und hofft beispielsweise Chef-Storch Neitzel.
Rostock-Steuermann Vollmann, der sein ganz persönliches Auftaktprogramm gegen seine Ex-Vereine aus Münster, Kiel und Wiesbaden (am Sonntag) mit drei Siegen gestalten möchte, prognostiziert ähnlich wie sein Kieler-Pendant eine „50/50 Partie“.
Die „50/50“ spielen dabei jedoch nicht nur für den eigentlichen Ausgang des Spiels, sondern auch für die mutmaßliche Bewertung des Saisonstarts eine Rolle. Auch wenn der noch frühe Saisonzeitpunkt kaum zuverlässige Schlüsse zulässt, ist das Ostseeduell ein wichtiger Stimmungstest. Fakt ist: Eine Mannschaft wird nach dem Spiel den Saisonstart definitiv mehr kritisch als positiv bewerten. Selbst ein erneutes Remis könnte in Kiel erste Negativbekundungen erzeugen, schließlich schlummern die Erinnerungen an die von Remis und knappen Niederlagen gesäumte Vorsaison in den Köpfen des Kieler Anhangs. Ein Sieg dagegen würde die ersten beiden Resultate mit Optimismus anstreichen.
Etwas mehr Komfort besitzt die Situation des FC Hansa. Auch ein Remis, selbstredend abhängig von Leistung und Spielverlauf, könnte für die positive Stimmung nach dem Fußballfest von Münster nicht abträglich sein. Ein Erfolg, der gleichbedeutend mit sieben Punkten aus den ersten drei Spielen wäre, würde dagegen den Mecklenburger Auftakt zum Traumstart stilisieren.
Holstein gegen Hansa ist aber nicht nur ein Stimmungstest in sportlicher Sicht, sondern auch im wörtlichen Sinn ein atmosphärisches Duell. Die seichte Ausgangslage, die durch die Vorgeschichte mittlerweile den Derby-Zustand erreicht hat, wird auch zum Duell auf den Rängen. Welche Fans am Ende mehr Leidenschaft mit Gesängen auf den Rasen transportieren und das gefühlte Heimrecht erobern, ist ebenso offen, wie das sportliche Ergebnis am Ende.
Wird es lautstark und friedlich, bleiben Nebengeräusche aus, können hier sogar beide Vereine gewinnen.
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