Andreas Bornemann: Darum gibt es keine Kiel-Rückkehr
Im Mai 2014 beendet Andreas Bornemann seine erfolgreiche Zeit als Sportlicher Leiter der Kieler Störche. Der Zweitligist Greuther Fürth hatte es ihm angetan. Nur einen guten Monat später überrascht Bornemann erneut: Er tritt die Sportdirektorstelle in Fürth nicht an, macht einen Rückzieher, schiebt zunächst private Gründe vor. Laut eines → BILD-Artikels vom 29. Januar 2015 soll’s mit Kleeblatt-Boss Helmut Hack nicht gepasst haben. Im Februar 2015 sagt Andreas Bornemann ein Interview mit BLOG-TRIFFT-BALL zu – ganz ohne Rückzieher. Wir sprachen mit Bornemann über den Sinn einer Kiel-Rückkehr, über den Unsinn im Mai 2014, über Neitzels wackeligen Trainerstuhl und stellten natürlich auch diese Frage: War es eine Fehlentscheidung Kiel zu verlassen?
Foto: calcio-culinaria.de
Herr Bornemann, in Kiel sagt man, es sei auch Ihre Saat, die derzeit mit all den Erfolgen geerntet wird. Schließen Sie sich dem an?
Das zu beurteilen, überlasse ich lieber den Leuten, die derzeit vor Ort arbeiten und somit die besseren Bewertungen abgeben können.
Die Wertschätzung registrieren Sie bestimmt dennoch mit Wohlwollen.
Damit befasse ich mich wirklich nicht ausführlich. Eher schmunzle ich darüber, was die Medien derzeit schreiben. Im letzten Jahr erhoben sie noch gegen mich den Vorwurf, die Qualität der Mannschaft wäre nicht für die Dritte Liga ausreichend, und nun loben die gleichen Zeitungen, dass man einen Kader gar nicht besser zusammenstellen könnte. Wohlgemerkt ist es fast annähend das gleiche Aufgebot wie in der letzten Spielzeit.
Wie sehen Sie denn den derzeitigen Kieler Erfolg – erwartet oder unerwartet?
Ich hatte schon im Sommer das Gefühl, dass die Saison positiv verlaufen wird. Die Mannschaft hat sich bereits im letzten Jahr gut entwickelt, ihr großes Potenzial angedeutet. Es war somit klar, dass das Team nicht runderneuert werden muss, sondern es besser wäre, durch punktuelle Ergänzungen die Mannschaft zu verstärken.
Zum Beispiel mit dem neuen Torhüter, dessen Verpflichtung Sie angeschoben haben.
Die Torhüterposition war eine Planstelle, die wir gemeinsam besonders ins Auge gefasst hatten. Das soll nicht heißen, dass wir mit Niklas Jakusch unzufrieden waren. Auch er hat seinen Job zuverlässig erledigt. Aber uns war aufgefallen, dass die Gegner häufig sehr viel aus ihren wenigen Chancen gemacht haben. Deshalb sahen wir in Kenneth Kronholm, dessen Verpflichtung sich aufgrund der ungewissen Perspektive von Kiel und Elversberg auch sehr lange hingezogen hatte, eine sinnvolle Verstärkung. Es freut mich natürlich für Kiel und Kenneth selbst, dass er eine super Saison spielt.
Ein anderer Grund ist Cheftrainer Karsten Neitzel. Der gar nicht mehr da wäre, wenn sie ihn nach 13 sieglosen Spielen gefeuert hätten. Warum haben Sie es nicht getan?
Weil ich ihm diese Aufgabe zu jedem Zeitpunkt zugetraut habe. Im Gesamtbild hat er einen starken Eindruck hinterlassen, die Mannschaft war fit und zog trotz bitterer Ergebnisse jederzeit mit. Die Ansätze, die Karsten Neizel in der Trainingssteuerung wählte, waren absolut angemessen. Es hat bis auf die Ergebnisse fast alles in der Zusammenarbeit zwischen Trainer und Mannschaft gestimmt, wo noch dazu kommt, dass in fast allen der 13 Spiele die große Chance bestand, ein besseres Ergebnis zu erzielen.
Die Fans sahen Karsten Neitzel sehr kritisch, sein Stuhl wurde teilweise regelrecht gefordert.
Dass die Fans die Schuld beim Trainer suchten, war aus einem einfachen Grund naheliegend: Sein Vorgänger Thorsten Gutzeit war schließlich ein bei den Zuschauern sehr beliebter Trainer, der mit dem Aufstieg Erfolg hatte. Deshalb war es für viele Anhänger nur logisch, die komplette Verantwortung für den Misserfolg nun bei dessen Nachfolger zu vermuten.
Rückblickend kann man ja offen und ehrlich sein: Wie oft stand ein Neitzel-Rausschmiss für Sie zur Debatte?
Zu keinem Zeitpunkt. Die Parameter, die ich mir zur Bewertung der Trainerarbeit heranziehe, stimmten mit meinen Vorstellungen überein. Ich sah in der weiteren Zusammenarbeit folglich die größten Möglichkeiten für ein erfolgreiches Durchstehen dieser negativen Phase. Deshalb war für mich bis zum Ende der Ergebniskrise klar, dass wir gemeinsam an einer Lösung arbeiten werden und das auch müssen. Ich wusste in dieser Situation auch gar nicht, was ein Welt-Trainer mit internationaler Erfahrung hätte besser machen sollen.
Parameter – was meinen Sie damit?
Dinge, die ich eben schon angesprochen habe. Zum Beispiel der Fitnesszustand der Mannschaft und das Klima zwischen Spielern und Cheftrainer. Dazu kommen dann aber auch Einschätzungen, die mit der Person hinter dem Trainer zu tun haben. Wirkt der Mensch, der die Mannschaft betreut, verzweifelt oder steckt er innerlich sogar auf? Welche Motivation zeigt er, wie spricht er eine Mannschaft an und was für einen Aufwand investiert er in die Lösung der sportlichen Probleme.
Andreas Bergmann sagte im Sommer 2013, zehn Monate vor seiner Entlassung in Rostock, einmal in diesem Kontext: Fußball sei nicht nur Tabelle. Stimmen Sie zu?
Die Tabelle ist sozusagen unsere wöchentliche Jahresbilanz, an der wir unsere Arbeit messen. Von ihr ist in dieser Sportart alles anhängig. Aber, wenn man diese Aussage in dieses Thema einordnet, dann kann man sie schon nachvollziehen und verstehen. Wie qualitativ die Arbeit eines Trainers ist, kann man eben nicht nur am Tabellenstand seiner Mannschaft ablesen, sondern auch an vielen anderen Dingen.
Wäre ein anderer Trainer, den sie vielleicht nicht geholt hätten, eher geflogen? Heißt: Spielte es eine Rolle, dass sie Karsten Neitzel bereits aus Freiburg bestens kannten?
Wenn man jemanden kennt und weiß, was er kann und was er nicht kann, dann ist das sehr relevant. Ich habe ja Karsten Neitzel im Sommer vor allem deshalb geholt, weil ich wusste, was ich an ihm habe, und er nach meinen Einschätzungen genau der Trainer war, den Kiel für die kommenden Jahre brauchen würde. So eine Ansicht ändert sich nicht nach ein paar Spielen mit für uns unglücklichen Resultaten.
Wie stehen Sie denn ganz allgemein zu den Thema „Trainer-Entlassungen“? Ist der Trend mit den ganzen Entlassungen nicht ziemlich ungesund?
Wer meine Vita verfolgt, der wird ja erkannt haben, dass ich nicht unbedingt für einen übermäßigen Trainerverschließ bekannt bin. Vielleicht hängt das bei mir damit zusammen, dass ich in Freiburg meine ersten Schritte in als Sportlicher Leiter getätigt habe. Und das in einer Phase, als diese Position sehr fest und unabhängig von der Ligazugehörigkeit besetzt war. Diese Konstanz hat mit Sicherheit etwas auf mich abgefärbt.
Wie viel Prozent der Trainerentlassungen sind denn Ihrer Meinung nach entweder verfrüht oder totaler Nonsens?
Es wäre unseriös, eine Zahl zu nennen, da es unmöglich ist, aus der Distanz eine objektive Bewertung vorzunehmen. Ich weiß eben nicht, was an den einzelnen Schauplätzen genau vorgefallen ist. Gab es Probleme in der Kommunikation, wie sah es in der Mannschaft aus? Es gibt viele Gründe, die eine Trennung beschleunigen können – das steht überhaupt nicht zur Frage. Und genau das macht es ja so schwierig, um richtig bewerten zu können, inwieweit das Handeln der entsprechenden Gremien jetzt überstürzt oder genau richtig war. Ich persönlich halte es aber immer für ratsam, einer gemeinsamen Entwicklung Zeit zu geben.
Gab es eigentlich, als Sie Fürth doch noch eine Absage erteilten, die Option auf eine Rückkehr – oder waren sie selber kategorisch dagegen?
Wer mich kennt, der weiß eigentlich, dass ich sehr konsequent bin. Deshalb habe ich mich auch über die Gerüchte gewundert, denn ich bin mit Sicherheit kein Freund dieser „Rolle rückwärts“. Und für Holstein kam dieses Szenario verständlicherweise auch nicht in Frage.
Es war aber allzu naheliegend, dass darüber spekuliert wird.
Aber von beiden Seiten aus wäre das der falsche Weg gewesen. Wie glaubhaft wäre das denn noch gewesen, wenn man sich erst gegen etwas und für das Andere entscheidet, und dann, wenn das eine nicht so gelaufen ist wie geplant, auf einmal wieder für die zunächst abgelehnte Option sein möchte? Das alles ändert übrigens nichts daran, dass ich mit Kiel eine großartige Zeit verbinde und ich keine Scheu davor habe, mich dort jederzeit mal blicken zu lassen – auch wenn mir bewusst ist, dass mein Abschied einige enttäuscht hat.
Erlaubt ihre Konsequenz die Wehmut darüber, das spannende Projekt möglicherweise zu früh verlassen zu haben?
Ich bin niemand, der wehmütig zurückschaut. Das habe ich schon als Fußballer gelernt, dass der Blick nach Niederlagen immer nach vorne gerichtet werden muss.
Heißt, Kiel zu verlassen, war eine Fehlentscheidung?
Es bringt nicht viel, wenn man solche Dinge rückwirkend analysiert. Damals bot sich mir die Möglichkeit, bei einem ambitionierten Zweitligisten zu arbeiten, der fast in die 1. Liga zurückgekehrt wäre. Zudem lebt meine Familie in Freiburg, und Fürth liegt nun einmal deutlicher dichter an meiner Heimat als Kiel. Außerdem machten die Verantwortlichen von Greuther Fürth einen sehr guten Eindruck, als sie mir zugestanden haben, meine definitive Entscheidung erst nach dem Kieler Saisonfinale zu treffen. Das war mir sehr wichtig, denn ich wollte mich bis zum Schluss auf die Arbeit und den Abstiegskampf bei Holstein konzentrieren und erst dann meinen endgültigen Entschluss bekanntgeben. Ich würde also sagen, dass sehr viel für meinen damaligen Schritt sprach. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer.
Warum haben Sie Fürth so früh wieder verlassen?
Ich möchte das nicht allzu umfänglich kommentieren. Aber die damals angeführten persönlichen Gründe, über die ja zu genüge spekuliert wurden, schlossen sich ja von alleine aus, als ich nach wie vor regelmäßig im Norden unterwegs war, um mir Spiele anzusehen.
Wie lebt es sich denn zurzeit ohne Aufgabe? Sind Sie permanent auf der Suche, oder legen Sie eine berufliche Pause ein?
Als sich die Option Fürth zerschlagen hatte, war mir sofort bewusst, dass er sehr schwer werden würde, zeitnah eine neue Herausforderung zu finden. Der Markt ist im deutschen Profifußball für meine Tätigkeit sehr begrenzt, viel kleiner noch als der Trainermarkt, da in der Sportlichen-Leitung die Fluktuation im Personal deutlich geringer ist. Deshalb bin ich derzeit viel unterwegs, schaue mir viel live im Stadion oder auf Jugendplätzen an. Dazu beobachte Spieler, die ich seit langem interessant finde und deren Entwicklung ich nicht versäumen möchte. Ich bleibe sozusagen im Geschäft.
Sie sondieren also den Markt.
Ich verschaffe mir einen Überblickt und zeige Präsenz.
Also wird es eine berufliche Umorientierung vorerst nicht geben?
In diesem Bereich habe ich die letzten 15, 20 Jahre verbracht. Und dieser Job macht mir weiterhin Spaß, demnach würde ich es spannend finden, wenn ein Verein an mich herantritt, der genauso denkt wie ich.
Und wenn es den nicht gibt?
Für den Vorruhestand bin ich noch deutlich zu jung. Dann würde ich mir Gedanken machen, was mir noch Spaß machen könnte. Dann könnte auch mein abgeschlossenes Studium der Wirtschaftswissenschaften wieder interessant werden.