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Wolfgang Schwenke: Wo in Kiel Veränderungen anstehen

Die Euphorie in Kiel ist groß, gegen Osnabrück gab es bereits den fünften Sieg in Serie. Mit Cottbus, Dresden, Münster, Erfurt und eben den Niedersachsen am vergangenen Wochenende pflügte sich die Neizel-Elf durch große und etablierte Namen der Liga. Der Lohn: Der zweite Tabellenplatz und die Perspektive Aufstieg in die 2. Bundesliga. In Kiel wird jedenfalls bereits vieles im Hinblick auf die kommende Saison – unabhängig vom Saisonausgang – vorbereitet. Wir haben uns bei Geschäftsführer Wolfgang Schwenke umgehört.

In der vergangenen Woche sendeten die Kieler eine ganz besondere Post in Richtung Frankfurt. In den Couverts schlummerten die Lizenzunterlagen für die kommende Saison, sowohl die Dokumente für ein weiteres Drittliga-Jahr als auch die formellen Papiere für den Aufstiegsfall. Kein sonderlich großer Akt sei das gewesen, kommentiert Holstein-Geschäftsführer Wolfgang Schwenke fast beiläufig.

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In den Sendungen der Kieler floss dabei ein großer Hauch Geschichte und Symbolik mit. Im letzten Jahr nämlich, als Kiel zu einem ähnlichen Saisonzeitpunkt mit 0:4 in Osnabrück untergegangen war und der aktuelle Erfolgstrainer von einem Großteil der Fans angezählt wurde, hatte Kiel selbige Unterlagen noch für die dritte und vierte Spielklasse einreichen müssen. „Wir genießen die Lage und versuchen, die Stimmung aufzusagen. Gerade nach dem schweren letzten Jahr und dem Trubel nach unserem Aufstieg tut das auch einmal gut“, bilanziert der Geschäftsführer die Lage in Kiel Projensdorf. Eine wöchentlich aktualisierte Tabelle klebt demnach noch nicht an der Eingangstür zu den Kieler Büroräumen.

Doch neben dem branchenüblichen Understatement steigen auch peu a peu die Aufgaben. Vier wegweisende Punkte gilt es für die Kieler im Sommer abzuhaken, um einen etwaigen Sprung in die 2. Bundesliga tatsächlich vollziehen zu können.

Das Stadion

Momentan fasst das altehrwürdige Holstein-Stadion knapp über 11.300 Plätze. Die Regularien der 2. Liga geben jedoch ein Mindestfassungsvermögen von 15000 Plätzen vor. Es fehlen also etwas mehr als 3000 Plätze im alten Oval, ein Aufstocken im längst anvisierten Erfolgsvoll wäre demnach unausweichlich. Den Kielern ist die verzwickte Situation um ihr Stadion bewusst, im → BTB-Interview gestand Sportchef Ralf Heskamp, dass die für höchste Profiverhältnisse antiquierte Arena bei der Spielerakquise als hinderlich gilt.

Pläne für den Aufstiegsfall ruhen aber längst in den Schubladen, beruhigt Wolfgang Schwenke: „Uns hat es in den letzten Jahren immer ausgezeichnet, dass wir zwei, drei Schritte vorausgedacht haben. So verfahren wir auch weiterhin.“

Die erste Lösung: Wie schon im Vorfeld des Pokal-Highlights gegen Borussia Dortmund gibt es die Möglichkeit, eine Hintertortribüne und die Gegengerade zu erweitern, alleine 3000 Plätze könnten dadurch innerhalb kürzestes Zeit entstehen. Es sei also alles machbar, ergänzt der einstige Handballstar.

Dabei erscheint die Marke von 15000 Zuschauern nach dem aktuellen Status Quo illusorisch. Im Schnitt begeben sich in dieser Spielzeit 5700 Besucher in die heimische Arena, erst fünfmal kamen mehr als 7000 Zuschauer ins Stadion. Das bedeutet in der Dritten Liga Mittelmaß, in der zweiten Liga würde jener Wert gar nur für den vorletzten Platz reichen – hinter relativ farblosen Teams wie Aalen oder dem FSV Frankfurt.

Dennoch spukt der Gedanke eines Stadionneubaus seit einiger Zeit um die KSV Holstein herum. Schwenke deutet dabei sogar an, dass es durchaus möglich wäre,  sich in der Stadionfrage an einem norddeutschen Zweitligisten zu orientieren: „Die Art und Weise, wie der FC St. Pauli am Millerntor gearbeitet hat, fand ich imponierend. Das hat sicherlich Vorbildcharakter.“

Gemeint ist damit besonders die wirtschaftliche Besonnenheit des Kiezklubs. Anstatt ein Stadion aus dem Nichts zu stampfen, installierten die Hamburger Modul für Modul. Das dauerte zwar Jahre, vermied aber gleichermaßen die finanziellen Turbulenzen, die für andere Traditionsteams auf schmucken Neubauten folgten. Gut möglich, dass die Kieler auf ein ähnliches Modell abzielen.

Jedoch wollte sich Schwenke nicht komplett in die Karten schauen lassen. Dieser hofft unterdessen offenkundig darauf, dass die Erfolgsserie das Stadion auf Dauer etwas besser füllt: „Ein angenehmer Nebeneffekt unser derzeitigen Situation ist die positive Wahrnehmung in allen Medien und bei unseren Zuschauern. Das Holstein Spaß macht, spricht sich herum. Die Zuschauer, die dadurch auf uns aufmerksam werden, müssen nur noch kommen.“

Marketing

Zu erkennen ist das angesprochene „neue Interesse“ nicht nur auf den zuletzt dichter besetzten Rängen, sondern in verschiedenen Bereichen des Marketings. So erfährt die Marke „Holstein Kiel“, die in Kieler Kreisen gerne als „mittelständische Unternehmen“ bezeichnet wird, eine stete Aufwertung durch das steigende Interesse des lokalen Publikums. Die Aufrufzahlen für die Website schnellen in die Höhe, die eigens kreierte Holstein-App findet immer mehr Abnehmer. Auch die Kanäle in den sozialen Medien gewinnen laut den Kielern Verantwortlichen wöchentlich an Fahrt, profitieren demnach besonders stark von der Siegesserie. Während das alles eher in zweiter Konsequenz mit finanziellen Erträgen einhergeht, durften sich die Kieler beim Heimspiel gegen Dynamo Dresden über Rekordeinnahmen im Merchandise-Segment freuen. Nie zuvor konnten so hohe Beträge aus den Verkäufen von Fan-Devotionalien wie an diesem Spieltag generiert werden.

Schwenke kündigt nun an, diese Profitquellen erweitern zu wollen: „Wir werden im Bereich Marketing einiges machen. Zum einen im Bereich der Vermarktung von Werbeflächen, zum anderen aber auch direkt im Merchandise.“

So steht ein Relaunch der Holstein-Website bevor, mit dem auch ein Refit des Online-Shops einhergehen wird.

Den interessantesten Punkt werden die Fans aber live im Stadion zu Gesicht bekommen. Durch einen besonderen Deal, auf den der Geschäftsführer der Störche  nicht allzu umfänglich eingehen will, haben die Kieler zu guten Konditionen in eine 142 Meter lange Rollwerbebande investiert, um neue Werbekapazitäten für Sponsoren innerhalb des Stadions zu erschließen. Diese sollen ab dem Heimspiel gegen die zweite Mannschaft von Mainz 05 im 45-Sekundentakt rotieren und zunächst von 14 Geldgebern genutzt werden. Der branchenübliche Preis für eine Anschaffung dieser Art liegt bei achtzig- bis einhunderttausend Euro.

Schwenke selbst hat bereits die Zukunft im Blick, was die Werbung direkt am Spielfeldrand betrifft. So wartet man in Kiel geduldig die erhofften Preiskorrekturen ab, ehe Investitionen in die LED-Varianten getätigt werden: „Wir machen den Zwischenschritt und schauen, bis sich die Anschaffungskosten für die moderneren Möglichkeiten in einem günstigeren Bereich eingepegelt haben“, so der gebürtige Flensburger.

Übrigens besitzt auch diese Anschaffung Schnittstellen mit dem sportlichen Erfolg. Denn nicht ohne Grund sind die meisten Drittligisten mit jüngerer Zweitliga-Erfahrung schon mit diesen flexiblen Werbebanden ausgestattet – geht es doch um eine Profitmaximierung in Folge der höheren TV-Präsenz. Erst Live-Übertragungen, wie sie in den höchsten beiden Ligen Gang und Gebe sind, versprechen im Normalfall die erhoffte Rendite.

Jedoch stimmen schon die häufigeren Auftritte in der Sportschau positiv, wie Schwenke betont: „Wir waren dreimal in Folge in der Sportschau, das kennen wir so gar nicht. Das ist eine sehr wichtige Bühne.“

Upgrades im Personal

Neben der Evaluierung neuer Geschäftsfelder im Marketing könnte auch der Aufwand in der Medienarbeit gesteigert werden. Ein Aufstieg Kiels wäre demnach gleichbedeutend mit der Beschäftigung eines hautamtlichen Pressesprechers, den es Stand jetzt noch nicht gibt.

In jedem Fall liegt es im Interesse des Vereins, die Medienarbeit auszubreiten, um neue Ressourcen zu erschließen. Ein konkretes Projekt liegt dabei schon auf dem Tisch der Verantwortlichen. Im Herbst des kommenden Jahres soll der Druck eines eigenen NLZ-Magazins forciert werden, in dem über die Entwicklungen im Nachwuchsapparat der Schleswig-Holstein informiert, aber auch gleichzeitig geworben wird.

Allgemein würde ein Aufstieg die Medienarbeit am meisten betreffen. Und das nicht nur personell. Auf der Agenda stehen deshalb auch  Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen der Journalisten, die momentan eher durchschnittlichen Drittligaverhältnissen entsprechen.

In anderen Bereichen gäbe es laut Schwenke deutlich weniger Spielraum für neues Personal, was der Kieler vor allem als Lob für die jetzige Mannschaft hinter der Mannschaft versteht: „Wir sind ein großes und eingespieltes Team. Vom Profiteam, über unsere tolle Medienabteilung bis hinzu allen anderen Mitarbeitern und Trainern in Projensdorf, die tagtäglich für den Erfolg des Vereins ihr Bestes geben.“

Auch aufgrund dieser Aussage gilt als unwahrscheinlich, dass im Aufstiegsfall viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Gerade im Finanzbereich sei man bestens aufgestellt, hört man aus der Kieler Geschäftsführung. Was auch daran liegt, dass der Verein in der Vergangenheit darum bemüht war, die wichtigen Arbeitsfelder komplett intern zu organisieren. Beispielsweise ablesbar an der Rolle des Steuerberaters. Der fungiert nicht wie bei einigen Kontrahenten als externer Dienstleister, sondern ist direkt an dem Verein gebunden und in allen Buchhaltungsaufgaben involviert.

Das Nachwuchsinternat

Eines der Kieler Kernprojekte ist seit langer Zeit die Krönung der Nachwuchsstrukturen. Hierbei geht es um das Internat für junge Talente, welches momentan auf dem üppig bebauten Gelände vermisst wird.

Der wenig geheimnisvolle Plan: Die Kieler wollen jenes Projekt in eine Gemeinschaftsoperation der Sportstadt Kiel umwandeln. Die Handballer des THW Kiels sowie Segler und Beachvolleyballer sollen mit dem Fußballnachwuchs den gemeinsamen Vorstellungen zufolge unter einem Dach wohnen. Was viele Vorteile hätte, wie Schwenke erklärt: „Wir wollen, dass die jungen Sportler gegenseitig und über die Grenzen ihrer Sportart hinaus voneinander lernen.“

Klar ist, dass ein solches Projekt nicht nur Vorzüge für die menschliche Reifung der Sportler beinhalten würde, sondern gleichzeitig unter finanziellen Gesichtspunkten Sinn ergibt.

Einen strengen Zeitplan gibt es dafür momentan noch nicht, doch würde ein Aufstieg jenes kooperative Projekt wohl stark beschleunigen. Ein Jahr hätte die KSV nämlich laut Schwenke dafür Zeit, ein Nachwuchsleistungszentrum den Bundesliga-Richtlinien anzupassen. Der Geschäftsführer vielsagend: „Wenn es erforderlich wird, könnten wir handeln.“

Neben den künftigen Talenten stünden mit dem Aufstieg der ersten Mannschaft auch neue finanzielle Herausforderungen bevor. Für Neuzugänge wäre auf einmal der Zweitligatarif fällig, Verträge des angestammten Personales würden zumindest teilweise durch Klauseln auf das neue Niveau angepasst werden. Mit 3,3 Millionen plant die KSV im Falle eines Drittligaverbleibs für die Lizenzspielermannschaft, ein Stockwerk höher wären kolportierte sechs Millionen Euro allein im sportlichen Bereich der 1. Mannschaft gebunden.

Auch deutet Schwenke an, dass selbst bei einem Nichtaufstieg eine größere Personalrochade denkbar wäre: „Wenn es einen Spieler gibt, der sofort hilft, muss man sicherlich darüber nachdenken. Auch wenn wir sicherlich nichts erzwingen werden.“

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Generell dürfte den Anhängern die Mannschaft vertraut bleiben. Was zum einen am eingeschworenen Mannschaftscharakter liege, wie Trainer Karsten Neitzel immer wieder erwähnt, jedoch auch mit jüngsten Vorreitern begründet wird. Aufsteiger wie Darmstadt und Heidenheim traten die Beweise dafür an, dass bereits  personelle Feinjustierungen ausreichen, um sich dem höheren Niveau wettbewerbsfähig anzupassen.

Schwenke selbst sieht jedenfalls keinen neuen Druck im Aufstiegsrennen. Er fasst die Situationen um Prägnanz bemüht zusammen: „Wir können nichts mehr verlieren, nur noch gewinnen.“

Ganz so einfach scheint es jedoch nicht. Denn auch in Kiel registriert man längst, dass erneut der Abstieg zweier Fußballschwergewichte  aus der 2. Bundesliga droht. Das es im nächsten Jahr nicht unbedingt leichter wird, weiß jeder in Kiel.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.