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Vor der Relegation: Nordlicht gegen Nordlichter

Der Hamburger Trainer Torsten Fröhling trainiert die Münchner Löwen und bereitet sie aktuell auf die Zweitliga-Relegation gegen Holstein Kiel vor. Für den ehemaligen KSV-Trainer ein ganz besonderes Spiel. Nun versucht Fröhling seinen ganz persönlichen Heimvorteil zu nutzen.

Foto: TSV 1860 München

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Am Mittwoch erwischte man einen angespannten und von Reisestrapazen etwas gestressten Torsten Fröhling. Die Mannschaft war gerade in ihrem Hamburger Domizil angekommen und bereits zwei Tage vor dem Anpfiff des Hinspiels um Abstieg und Klassenerhalt in der 2. Bundesliga gegen Holstein Kiel in den Norden gereist. „Wir wollten die direkte Vorbereitung um einen Tag erweitern“, erklärt Fröhling.

Dass die Löwen dafür Hamburg ansteuerten, überrascht wenig. So ist Kiel nur eine Autobahnstunde von Hamburg entfernt, was eine bequeme Anreise zum Spiel ermöglicht. Zudem lebte Fröhling, der aus Bützow in Mecklenburg-Vorpommern stammt, lange Jahre in Hamburg und arbeitete in verschiedenen Funktionen für die größten Vereine der Stadt. Beim FC St Pauli war er ebenso wie beim Hamburger SV im Nachwuchs tätig. Bei Altona 93 und beim Stadtrandklub in Norderstedt trainierte er die Männermannschaften. Die aufgebauten Kontakte versucht der 48-Jährige nun für seine Mission Klassenerhalt zu nutzen. In Norderstedt kann die Mannschaft im hiesigen Edmund-Plambeck-Stadion trainieren, bei Bedarf die Öffentlichkeit ausschließen. „Die Bedingungen, die uns in Norderstedt ermöglicht werden, sind wirklich 1A“, sagt Fröhling.

Dabei könnte die Mission für die Münchner Löwen kaum schwieriger sein. Die Saison glich von Beginn an einer Tortur. Vor Fröhling mühten sich die Trainer Ricardo Moniz und Markus van Ahlen vergeblich um Struktur, scheiterten schnell. Kein einziges Mal standen die Löwen in der oberen Tabellenhälfte, und das, obwohl der Kader zu den teuersten in der ganzen Liga zählte.

Die Termine
Freitag, den 29. Mai, Anstoß 20.30 Uhr (NDR überträgt LIVE)
Dienstag, den 2. Juni, Anstoß 20.30 Uhr (BR überträgt LIVE)

Fröhling übernahm das geschundene Team im Februar zwar auf keinem direkten Abstiegsplatz, hatte aber Müh und Not, zumindest die Relegation zu sichern. Dabei konnte der einstige Abwehrspieler, der vorher sehr erfolgreich die U21 der Sechziger trainierte, die Punktausbeute erheblich steigern. Aus 13 Spielen als Löwen-Trainer holte das Nordlicht genauso viele Punkte wie seine Vorgänger zuvor in 21 Partien. Auf die Saison hochgerechnet hätte Fröhlings-Ausbeute den Klassenerhalt bedeutet. Davon will dieser aber nicht viel wissen: „Es zählen jetzt nur noch die Duelle mit Kiel. Die müssen wir für uns entscheiden. Was direkt davor war, ist irrelevant.“

Die aufgrund der Ausgangslage ohnehin besonders prekäre Partie bekommt zudem eine weitere persönliche Facette. Mit Fröhling kommt nicht nur ein Trainer aus den nördlichen Gefilden, sondern auch ein Ex-Trainer der Kieler Störche. Zwar arbeitete der Fußballlehrer vor allem im Unterbau in Kiel Projensdorf, doch half Fröhling auch interimsweise in der ersten Mannschaft der Fördekicker aus. Mit Tim Siedschlag und Marc Heider betreute er zudem zwei Spieler, die noch heute zum absoluten Stammpersonal in Kiel gehören.

Können die Löwen daraus einen Vorteil ziehen? „Eher nicht“, bekennt der Rückkehrer kurz. Zu lang sei diese Episode her, ergänzt er weiter. Auch hätte er nach eigenen Angaben die Störche in der Saison trotz alter Verbundenheit nicht allzu intensiv verfolgt. Dennoch besitzen die Löwen zumindest hier einen kleinen Vorteil. Während Kiel um Trainer Karsten Neitzel bis zum vergangenen Sonntag warten mussten, um zu erfahren, welcher Verein sich noch dem Aufstiegswunder in den Weg stellen wird, wussten die Verantwortlichen beim TSV 1860 München bereits eine Woche früher, welcher Gegner im Falle der Fälle in der Relegation wartet.

Generell ist die Lage bei 1860 eine ganz andere als beim Rivalen. Und das lässt nicht nur Positives erahnen. Zu Wochenbeginn berichtete zum Beispiel die „Süddeutsche Zeitung“ ausführlich darüber, wie Münchner Vereinsverantwortliche miteinander im Clinch lägen. Es geht dabei vor allem um Vorwürfe gegen den Sportchef Gerhard Poschner, die längst auch medial ausgetragen werden. Anders als in Kiel, wo Mannschaft, Trainer und Geschäftsstelle ein bestens eingespieltes Kollektiv bilden, finden tief im Süden Grabenkämpfe statt.

So überrascht es wenig, dass auch die Mannschaft in der letzten Ligapartie um den Klassenerhalt verunsichert auftrat. Am letzten Spieltag in Karlsruhe war die Mannschaft chancenlos und verlor mit 0:2. Ein Remis gegen die Mannschaft, die in der Bundesliga-Relegation den HSV herausfordert, hätte bereits den direkten Klassenerhalt bedeutet. „Wir wollten unbedingt, konnten aber nicht“, gesteht sich Fröhling rückblickend ein. Dass es dennoch für die Relegation gereicht hat, sich auf diese Weise im „Do or Die“ Modus eine zweite Chance bietet, sorgte in München deshalb fast mehr für Erleichterung als für Enttäuschung. Ein weiteres Tor von Aue in Heidenheim und der TSV hätte bereits die Scherben eines Abstiegs in die Dritte Liga zusammenkehren müssen.vfb_banner_400_400

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Trifft Holstein Kiel also auf eine angeschossene, gewissermaßen verwundete Mannschaft? Fröhling verneint eindeutig. Und weiß, wenn man den letzten Auftritt gegen ein starkes Karlsruhe ausklammert, den Saisonverlauf hinter sich. Gerade bei den letzten beiden Siegen gegen den FSV Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg schlugen die Sechziger spät zu, holten sich in den Schlussphasen der Partien frische Luft und wichtige Punkte. Zeigten bis zum Schluss Moral und Willen. Der Trainer selbst glaubt auch deshalb an seine Mannschaft: „Jeder hat die Lage verinnerlicht, wir sind bereit. Wir werden für den Verein alles geben.“

Um die Köpfe endgültig freizubekommen, Nebensächlichkeiten wie die in den Medien sezierten Verstimmungen in der Führungsetage auszublenden, will sich Fröhling sogar noch etwas Besonderes ausdenken, um die Mannschaft neben den Platz noch einmal enger zusammenschließen. Ob es eine Waschanlagen-Tour wird, mit der Tomas Oral die Mannschaft vom FSV Frankfurt jüngst verblüffte? Fröhling wiegelt ab. „Ich kenne in der Stadt ein paar Ecken, an denen man auf bessere Gedanken kommt“, so der Trainer. Auch wenn zumindest eine Reeperbahn-Nacht ausgeschlossen werden kann – mit ihrem Übungsleiter scheinen sich die 1860er zumindest einen kleinen Teil vom Heimvorteil gesichert zu haben. Die Kieler Fans im Stadion werden das mit Sicherheit etwas anders sehen.

 

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.