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„Da wurden noch Pferdewetten abgeschlossen“

In gut zwanzig Jahren als Fußballprofi brachte es Stefan Schnoor auf sehr viele Fußballspiele. Auch an der Anfield Road durfte der ehemalige Verteidiger Ende der 90er mal auflaufen. Und über diese Begegnung wollten wir unbedingt mehr erfahren.

Herr Schnoor, welches Spiel liegt noch heute ganz oben auf dem Stapel der Erinnerungen?

Mit dem HSV gab es im Mai 1996 ein Spiel in Frankfurt, das beeindruckend war. Aber in England mit Derby County bei Liverpool FC an der Anfield Road aufzulaufen, das war großes Kino. Für mich gibt’s auch kein geileres Stadion als die Anfield Road. Ein Highlight.

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Dann erzählen Sie mal, wie ist das so, Anfield Road?

Der Klub hat eine immense Ausstrahlung. Und das spürst du einfach, wenn du mit dem Bus ans Stadion heranfährst. Die Anfield Road liegt mitten in einem Wohngebiet, mitten in der Stadt, da sind keine riesigen Parkplatzflächen, alle marschieren zu Fuß durch diese schmalen, engen Wege Richtung Kassenhäuschen. Wenn du dann dort mit dem Bus das erste Mal vorfährst, klebst du mit der Nase an der Scheibe.

Wie war das Wetter?

Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Aber es roch nach Fußballgeschichte. Das weiß ich noch.

Wie viel „You’ll never walk alone“ haben Sie inhalieren können?

Wenn 42.000 Menschen diese Hymne singen, und die brüllen ja wirklich, dann weiß man, das kommt nicht vom Band wie es in anderen Stadien der Fall ist. Dann siehst du auch in deiner Truppe viele Jungs, die diese unglaubliche Atmosphäre aufsaugen. Das ist ja noch ein altes Stadion, ein Holzstadion, das ist einfach geil. Und klar, mir lief es da auch eiskalt den Rücken herunter.

Wie sehen oder sahen die Kabinen an der Anfield Road aus?

Weiße Wände, rote Sitzbänke. Spartanisch.

Wer saß neben Ihnen?

Rechts saß Lars Bohinen, norwegischer Nationalspieler zum besagten Zeitpunkt. Links von mir saß Stefano Eranio, der auch für Milan gekickt hat. Ein ehemaliger italienischer Nationalspieler.

Fanden dann, so fünf Minuten vor dem Anpfiff, noch komische Unterhaltungen in der Kabine statt?

Also bei mir nicht mehr. Bei mir lag der Fokus voll auf dem Spiel. Ich habe mich dann bestenfalls noch mit einem Kollegen über mögliche Spielszenen unterhalten. Die englischen Jungs sind da lockerer gewesen. Gerade bei Heimspielen. Da wurden ein paar Minuten vor dem Anpfiff in einem Nebenzimmer noch Pferdewetten abgeschlossen.

Haben Sie Ihre erste Szene in dem Spiel noch parat?

Das war ein gewonnener Zweikampf gegen Michael Owen.

Und wie ist das dann?

Das Selbstvertrauen steigt, klar. Michael Owen war zu der Zeit Englands Nationalstürmer Nummer eins. Wenn du gegen so ein Kaliber in der ersten Szene gleich ordentlich bestehst, bist du natürlich im Spiel. Das pusht dich.

Wie lief das Spiel danach?

Ich glaube wir hatten 28 Ecken gegen uns und in der zweiten Halbzeit stand ich komplett im eigenen Strafraum, wir kamen überhaupt nicht in die andere Hälfte.

Aber?

Aber wir haben ein 2:1 gewonnen.

Und neunzig Minuten Tacklingfeuer?

Als Verteidiger natürlich. Wir haben uns in jeden Ball geschmissen, in jeden Kopfball gehauen als wäre es die letzte Aktion im Spiel. Da war eine Leidenschaft drin, das war nicht normal. Und man hatte das Gefühl, das Spiel dauert drei Stunden.

Und nach dem Abpfiff alle ins Entmüdungsbecken und hoch die Tassen?

England und Entmüdungsbecken, das kennen die da gar nicht. In England treffen sich die Teams nach dem Duschen in der Players Lounge und pfeifen sich ein paar Bier rein. Das ist dort gang und gebe. Das ist wie hier bei den Amateurspielen, nur auf einem anderen Niveau. Da sitzt dir dann halt Michael Owen oder Steven Gerrard gegenüber, und die zischen munter mit.

Das heißt, nach 90 Minuten wüster Treterei ging’s am Tresen gemeinsam in die nächste Runde.

So war das, ja. In Deutschland wäre das unvorstellbar. Da geht’s nach der Dusche in den Bus und ab auf die Autobahn. Aber die Engländer, da geht es so eine halbe, dreiviertel Stunde nach Abpfiff ins Gemütliche über. Nach dem Spiel habe ich noch zwei, drei Bier mit Didi Hamann getrunken. Das hatte natürlich was.

Wie lange dauerte das Gelage in der Regel?

Das war kein Gelage. Das ging so eine knappe Stunde. Aber der ein oder andere schaffte da natürlich seine fünf Bier oder mehr.

Wie viel Prämie gab es für so einen Sieg an der Anfield Road?

1000 Pfund, 3000 D-Mark waren das damals.

WHAAAT? Dafür morgens aufstehen?

Ja, die Siegprämie in England sind nicht  allzu hoch. Dafür konnte sich das Grundgehalt sehen lassen. Ich mochte die Aufteilung eigentlich, weil du innerhalb der Mannschaft weniger Unruhe wegen der Auflauf- oder Punktprämien hast. Das Gehaltsgefüge in England war damals sehr dicht. Das war gut.

Als Schnoor den Sieg mit Derby County an der berühmten Anfield Road einsackte, war er 27 oder 28. Ganz genau konnte er es uns nicht sagen.

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Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.