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Yasar Koca: „Nur den Döner muss ich zahlen“

Yasar Koca entschied sich im Winter von Hamburgs Landesliga nach Estland zu wechseln. 1800 Kilometer weg von der Heimat, in Tallinn, ist der 22-Jährige beim Erstligisten Kalev Tallinn unter Vertrag genommen worden. Und wurde prompt zum Kapitano ernannt. Drei Monate später will BTB wissen, wie es sich denn so lebt am finnischen Meerbusen.

 

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Yasar Koca, der Este isst Schweinshaxe und Sauerkraut quasi schon zum Frühstück. Schon daran gewöhnt?
Das erste, was ich gesucht habe, war eine Döner-Bude. Die habe ich mittlerweile gefunden. Daher brauchte ich mich nicht groß an das Essen gewöhnen.

Aber der Döner wird kaum besser schmecken als in Hamburg. Also: Welche Gründe überzeugen einen 22-Jährigen nach Estland zu wechseln?
Ich habe hier einen deutschen Trainer, der mich von seinem Konzept überzeugt hat unter die ersten Drei zu kommen. Er setzt voll und ganz auf mich. Und man darf nicht vergessen, dass ich hier in der ersten Liga spiele und die Chance habe mich mit meinem Team für Europa zu qualifizieren.

Ein Türke in Estland. Du meinst also, das passt?
Ich war ja vorher auch in der Türkei, aber da hatte ich keine Chance mit meinem Übergewicht. Ich war nicht fit. Ich nutze die Zeit hier nun um mich in Form zu bringen.

War es irgendwo auch die Flucht aus Altbekanntem und ein Neuanfang?
Das kann man schon sagen. Ich bin jetzt 22 Jahre alt. Wenn es klappen soll, dann muss es jetzt sein. Sonst kann ich den Versuch Profifußballer zu werden abhaken. Ich will das hier als Sprungbrett nutzen und mich für andere Vereine im Ausland präsentieren. Und die Möglichkeit habe ichin Tallinn, weil sich in Estland wirklich viele Scouts die Ligaspiele anschauen.

Seit knapp drei Monaten bist Du Tallinner. Welche Eindrücke überraschten bisher am meisten?
Ich dachte eigentlich, dass Estland ein sehr armes Land ist. Und als Hamburger ist man ja auch ganz schön verwöhnt, was Einkaufsmöglichkeiten und Discos angeht. Aber ich muss sagen: Tallinn kann locker mit Hamburg mithalten. Ich kann hier die Dinge machen, die ich in Hamburg auch konnte. Ich fühle mich wohl und vermisse nichts.

Erkennt der Kalev-Fan Dich schon auf der Straße?
Nein. So fußballverliebt sind die Leute nicht. Aber nach dem Training kommen ein paar Kinder oder auch ältere Leute und wollen Fotos machen. In der Disco erkennt man uns schon eher. Als wir gerade mal drei Tage hier waren, sind wir in einer Disco gewesen und am nächsten Tag beim Training gab es eins vom Trainer und dem Präsidenten auf den Kopf. Sowas spricht sich hier schnell rum. Ist ja auch nicht alltäglich, dass hier ein Türke in einer Disco aufkreuzt. Seitdem war ich dann auch nicht mehr los.

„Dreimal zwei Stunden pro Woche wird jetzt die estnische Sprache gepaukt.“

Werden wir sportlich: Was ist das für ein Gefühl um die Qualifikation für europäische Wettbewerbe zu spielen?
Ein geiles. Sind wir mal ehrlich: In der Oberliga Hamburg ist es am Ende doch total egal wo man landet. Hier hast du ein Ziel vor Augen. Das ist schon etwas anderes. Wir wollen unter die ersten Drei kommen, um in Europa mitzuspielen. Und die Chancen stehen gut. Wir  haben eine junge Truppe, die konditionell gut drauf ist und 90 Minuten kämpfen kann. Man merkt schon, dass in einem Ligaspiel mehr Verantwortung verlangt wird, weil es um sehr viel geht.

Dein Trainer Frank Bernhard hat Unmögliches vollbracht und Dich zehn Kilo leichter trainiert.
Ja, das stimmt. Allerdings fehlen noch fünf Kilogramm zum Idealgewicht. Und konditionell muss ich sicherlich auch noch nachlegen. Aber dann bin ich fit für Vereine in Europa.

Wir denken uns: Ostblock, marode Stadien, schlechte Plätze, geile Girls. Wie ist’s wirklich?
Also im großen Ganzen sind die Stadien in einem guten Zustand. Wenn das Wetter es zulässt, sind auch die Plätze gut. Ansonsten wird auf Kunstrasen gespielt. Und über die Frauen wisst ihr anscheinend schon alles.

Welchen Luxus kannst Du Dir von Deinem Profigehalt inzwischen leisten?
Für die großen Sprünge reicht es noch nicht. Aber ich kann von dem Geld sehr gut leben. Ich habe ja quasi keine Ausgaben, eine Wohnung bekommen und das Essen wird vom Verein gezahlt. Nur meinen Döner muss ich selber zahlen.

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Wieviel Zeit sollen wir der Beziehung Yasar Koca und Tallinn geben?
Ich sehe erst einmal nur dieses Jahr. Und da heißt es, so viele Spiele wie möglich zu machen. Aber der Traum, in der Türkei oder in Deutschland einen höherklassigen Verein zu finden, ist mein Ziel. Alt werde ich in Tallinn sicher nicht.

Wann sehen wir Yasar Koca auf internationalen Bildschirmen?
Wenn alles gut läuft, hoffe ich nächstes Jahr.

Yasar Koca, vielen Dank.

Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.