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Holstein Kiel und der Ticket-Ärger vor Hansa

Die Partie zwischen Holstein Kiel und dem FC Hansa Rostock wirft bereits eineinhalb Wochen vor Anpfiff die ersten Schatten voraus. Dabei sorgt die Ticketvergabe im Vorfeld für mächtig Ärger – und zwar auf beiden Seiten. Wir sprachen mit den Verantwortlichen in Kiel.

 

Über 6000 Hansa-Fans begleiteten den FC Hansa Rostock am 23. November nach Leipzig zum damals noch sportlich ungleichen Duell. Mit Erfolg, wie sich nach neunzig leidenschaftlichen Minuten herausstellen sollte, schließlich bezwangen die Hanseaten mit ihrer besten Saisonleistung den Ligaprimus aus Sachsen. Nach zwei weiteren Siegen gegen die Spitzenmannschaften aus Erfurt und Wiesbaden residiert die Hansa-Kogge mittlerweile auf dem dritten Tabellenplatz. Logisch, dass die Euphorie  an der Warnow groß ist und viele Fans den Weg zum Jahresabschluss nach Kiel antreten wollen.

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Doch allzu viele werden es nun wohl doch nicht werden. Nachdem der Gästeblock mit einer Kapazität von 1300 Plätzen rasch ausverkauft wurde, orderten viele Hansa-Fans über das Internet Karten aus dem Kontingent der Heimmannschaft. Damit ist jedoch Schluss – die Kieler brachen den Vorverkauf auf diesem Wege ab. Geschäftsführer Wolfgang Schwenke  gibt gegenüber BLOG-TRIFFT-BALL einen Einblick in den Entscheidungsprozess und erläutert zunächst ausführlich, dass Kiel den Hanseaten bereits entgegen gekommen ist: „Wir haben eine Kapazität von 11.000 Karten für das Spiel. Die Richtlinien des DFB besagen: Zehn Prozent davon stehen der Gästemannschaft zu. Wir stellten dem FC Hansa jedoch 1300 Plätze zur Verfügung, da wir zum einen mit einem erhöhten Aufkommen rechneten und das strukturell auch gut machbar war“, so Schwenke.

Dass dieses vom Gast aus Rostock nicht kommuniziert wird und eher der Eindruck aufgebaut wird, das Kiel zu wenig Plätze ausgelobt hätte, enttäuscht Schwenke: „Der FC Hansa hätte viel Druck aus der Geschichte nehmen können, in dem sie klar betont hätten, dass wir dem Klub bereits entgegengekommen sind. Aber das Gegenteil ist der Fall.“ Zudem spricht Holsteins Geschäftsführer einen Vorfall aus dem Sommer an, der die Geschichte in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Als sich die Ostsee-Nachbarn im Juli zum Saisonstart trafen, fragten die Kieler nach einen zusätzlichen Sitzplatzkontingent von 200 Karten auf einer der beiden Haupttribünen an. Der Grund: Eine große Sponsorengruppe von Holstein Kiel hatte angestrebt die Partie mit ihren Familien zu besuchen und wollte geschlossen Karten für einen Sitzplatzbereich erwerben. Vereinschef Michael Dahlmann fand dafür jedoch klare Worte, wie Schwenke berichtet: „Herr Dahlmann gab zu bedenken, dass das sicherheitstechnisch nicht möglich wäre. Er empfahl uns dagegen, einfach Sitzkissen mit in den Stehbereich zu nehmen“.

Für Schwenke noch heute ein Unding.

„Das wären 200 zahlungsfähige Kunden gewesen, die zu großen Teilen mit ihren Familien aufgrund der tollen Lage noch länger in Rostock geblieben wären. Uwe Vester war da doch  um einiges freundlicher, konnte uns aber letztendlich auch nicht weiterhelfen.“ Von einer Retourkutsche will Schwenke jedoch nichts wissen, wie er mit Nachdruck betont: „Wenn wir uns auf dieses Niveau begeben hätten, dann hätten wir genau 1100 Karten zur Verfügung gestellt und würden nicht noch versuchen, den Gästebereich noch ein wenig zu erweitern.“

Tatsächlich, so erfuhr BTB aus anderen Kreisen, hängt eine Kontingentserweiterung momentan von anderen Faktoren ab. So gilt es im Stadion ein weiteres strukturelles Problem zu lösen, zudem müssen Polizei und Sicherheitsdienst ihr Okay geben. Entsprechende Gespräche stehen jedoch noch aus.

Derweil sorgen enttäuschte Hansa-Fans für Aufruhe in Kiel. In den letzten Tagen häuften sich nämlich unrühmliche Anrufe in der Geschäftsstelle, in vielen Fällen bleiben teils deftige Beleidigungen nicht aus. Schwenke dementsprechend sauer: „Es kann doch nicht sein, dass Mitarbeiterinnen verbal attackiert werden, die überhaupt nicht in diesen Entscheidungsprozess involviert waren“, ergänzt aber: „Natürlich kann man die Enttäuschung irgendwo verstehen, doch bestätigt uns die Art und Weise, die von vielen an den Tag gelegt wird, in unserem Bedenken bezüglich der Sicherheit.“

Für Schwenke ist das Risiko eines gemischten Fanblocks einfach zu groß, wie er versucht darzustellen: „Ich möchte nicht alle Hansa-Fans unter Generalverdacht stellen. Aber wir wissen doch nicht, wer genau  zwischen unseren Anhängern Platz nehmen wird. Es ist schade, aber einige wenige haben halt den Ruf des FC Hansa so in Mitleidenschaft gezogen, dass wir das Risiko nicht eingehen können.“

Auch gibt der 45-Jährige zu, dass die Prioritäten bei der eigenen Anhängerschaft liegen: „Wir leben wie jeder andere Klub auch von unseren Fans, da ist es doch klar, dass wir zu aller erst unsere Stammzuschauer zufrieden stellen wollen.“ Jedoch ist sich Schwenke auch bewusst, dass viele in Kiel und in Schleswig-Holstein lebende Fußballfans mit Sympathien für den Gast aus Rostock im Stadion sitzen werden: „Uns ist vollkommen klar, dass der FC Hansa aufgrund seiner nicht zu verachtenden Geschichte viele Sympathisanten in unserem direkten Umkreis besitzt.“ Der Geschäftsführer abschließend dazu: „Es geht uns ja primär darum, die Personen, die nur zum Randalieren zum Fußball gehen, besser kontrollieren zu können und dadurch andere zu schützen. Wenn etwas in der Richtung passiert, besitzen wir nämlich die volle Verantwortlichkeit.“

Eine gute Nachricht gibt es jedoch für die Fans, die bereits Karten bestellt hatten. Die Karten behalten ihre Gültigkeit, jedoch werden diese Plätze definitiv umgelagert. Ziel ist es, beide Fanlager von einander zu trennen. Die Ticketinhaber werden darüber zeitnah informiert, sofern die gegenwärtigen Planungen abgeschlossen sind.

Doch nicht nur die Beschränkung bei der Ticketvergabe erzürnt die Hansa-Anhänger, auch die Klassifizierung des Spiels als Gefahrenspiel stößt bei vielen auf Unbehagen. Wie bei einem BLOG-TRIFFT-BALL-Leser, der uns mit einer emotionalen Mail zu unseren Recherchen animierte: „Mich regt das tierisch auf. Dass man nicht mehr einfach nur Fußball schauen kann, die Rostocker Fans anscheinend immer als Sicherheitsrisiko betrachtet werden und man schließlich keine Tickets mehr bekommt und so komplett verhindert wird, dass das ein rauschendes Fußballfest wird.“

Tatsächlich erscheint die Klassifizierung der Partie fragwürdig. Immerhin verlief die Begegnung im vergangenen Sommer absolut friedlich, eine Rivalität aufgrund der Historie ist wegen mangelnder Tangentialpunkte eher unwahrscheinlich und auch die sportliche Konkurrenz hält sich zumindest in diesem Jahr bisher in Grenzen. Zudem bewiesen die Rostocker beim Gastspiel im Leipziger Zentralstadion, dass auch eine größere Ansammlung von Fans im Stadion durch durchgehend friedlichen Support auffallen kann. Eine Feindschaft zwischen den Fanlagern erscheint daher eher zweifelhaft, zudem besitzen die Holstein-Kicker Marcel Schied und Fiete Sykora Namen, die untrennbar mit dem Fußball in Rostock verbunden sind. Eine Melange, die eigentlich als perfekte Rezeptur für ein freundschaftliches Nachbarschaftsduell dienen könnte. Eine Mögliche Erklärung könnte sein, dass die Partie lediglich aufgrund des großen Zuschaueraufgebots der Rostocker als Risikospiel eingeschätzt wurde.

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Die Polizeidirektion der Stadt ließ indes über ihren Pressesprecher mitteilen, dass genaue Absprachen über den polizeilichen Einsatz erst am morgigen Mittwoch zwischen Verein, Sicherheitsdienst und Polizei getroffen werden. Die Polizei erwarte aber einen „größeren Einsatz“ und stuft die Partie unabhängig vom DFB, der für die Klassifizierung als Sicherheitsspiel allein verantwortlich ist, als „risikoreichste Begegnung des Fußballjahres“ in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt ein. Weitere Informationen, auch zur angeblichen erhöhten Rivalität zwischen den Fangruppen beider Mannschaften, werden in den nächsten Tagen bekannt gegeben. BLOG-TRIFFT-BALL bleibt selbstverständlich an der Sache dran.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.